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# taz.de -- Möglicher Stuttgarter OB-Kandidat Turner: „Testosteronpolitiker …
> Der ehemalige Werbeunternehmer Sebastian Turner über seine mögliche
> Kandidatur in Stuttgart, eine vom S21-Konflikt geprägte Stadt und seinen
> früheren Job als Werber.
Bild: Deutschlands größter Diskursbahnhof und sein Garten dürfte im OB-Wahlk…
taz: Herr Turner, Sie hatten Erfolg als Werbefachmann, jetzt wollen Sie
Oberbürgermeister in Stuttgart werden. Welche Regeln für die Vermarktung
von Joghurt lassen sich auf die Politik übertragen?
Sebastian Turner: Sie müssen das Haltbarkeitsdatum beachten!
Wie leicht lässt sich das Image eines Politikers beeinflussen?
Es ist leicht, einem Image zu schaden, aber schwierig, es zu verbessern.
Sie haben keine Kontrolle über das Medienbild.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Wehrpflicht ausgesetzt und
Atomkraftwerke abgeschaltet. Sie bricht immer wieder mit Traditionen ihrer
Partei. Warum ist sie dennoch so beliebt?
Testosteronpolitiker wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy oder
Italiens Expremierminister Silvio Berlusconi preschen gerne vor und werfen
Handgranaten, um für ihre Position zu streiten, die sie aber gerne mal
wieder wechseln. Angela Merkel macht das anders.
Wie?
Ihre Entscheidungen erweisen sich auf längere Sicht als richtig. Und sie
steht die Perioden durch, in denen das nicht klar ist. Das führt am Ende zu
dem Eindruck: Da ist man in ganz guten Händen, man kann ihr glauben.
Wirklich? Warum stehen Sie selbst dann nicht zur CDU, für die Sie antreten
wollen? Sie gehören keiner Partei an.
Ich habe seit der Schulzeit journalistisch gearbeitet und meinte: Das beißt
sich mit einer Parteizugehörigkeit. Für das Gemeinwesen habe ich mich dann
in anderen Organisationen engagiert, etwa beim Evangelischen Kirchentag
oder bei Unicef.
Thomas Heilmann, Ihr früherer Partner bei der Werbeagentur Scholz &
Friends, wurde vor Kurzem Justizsenator von Berlin. Geht man in die
Politik, wenn man genug Geld verdient hat?
Was uns verbindet, ist die Freude an reizvollen Aufgaben, ganz unabhängig
von der Besoldung. Als wir 1990 nach Ostdeutschland gezogen sind, haben wir
uns als Geschäftsführer mit Müh und Not Bafög-Ost als Gehalt bezahlen
können, und dennoch war es großartig.
Wer in die Politik geht, setzt sein Leben Kritik und Transparenz aus. Wo
sind Ihre Grenzen?
Ich denke, die Grenzen sind überall ähnlich: Man macht besser nichts, was
man nicht erklären kann.
Als Werber hatten Sie enge Kontakte zur Wirtschaft – bedenklich?
Wenn das bedenklich ist, dann sind alle nicht beim Staat Beschäftigten für
politische Ämter ungeeignet.
Ihre Gegner sagen, Ihnen fehle als Unternehmer Verwaltungserfahrung.
Dagegen spricht die Erfahrung und die Verwaltungswissenschaft: Stuttgart
wurde 50 Jahre am Stück von Oberbürgermeistern regiert, die vor Amtsantritt
keine Kommunalerfahrung hatten: Arnulf Klett und Manfred Rommel. Und zum
anderen sagen Verwaltungswissenschaftler, dass es nicht minder
anspruchsvoll ist, ein großes Dienstleistungsunternehmen mit über tausend
Mitarbeiten zu führen.
Als Werber haben Sie eine Rettungskampagne für die taz erfunden und für die
Frankfurter Allgemeine den Spruch „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“
aufgefrischt. Für eine Partei haben Sie nie geworben. Warum nicht?
Weil wir uns nie auf eine Partei einigen konnten. Wir hatten CDUler,
SPDler, Grüne in der Agentur. Bei einem Joghurt ist das egal, aber Sie
wollen nicht für eine Gruppe arbeiten, die aus Ihrer Sicht nicht an die
Regierung soll.
Nach der Debatte um das Bahnhofsprojekt S21 ist Stuttgart eine zerstrittene
Stadt, die zudem über Jahre von einer Großbaustelle geprägt sein wird.
Warum wollen Sie sich das überhaupt antun?
Da kommt im Unternehmer wohl der Politikwissenschaftler und Stuttgarter
durch. Mich begeistert die Aufgabe.
Sie sagen, Sie wollen die Stuttgart-21-Gegner „mitnehmen“ und zu einem
„Ideenwettbewerb einladen“ – also mit flotten Sprüchen befrieden?
Sprüche bringen nichts. Man könnte auch „Partizipation“ oder „Mitmachen…
oder „Bürgerbeteiligungsverfahren“ sagen.
Wie soll das aussehen?
Stuttgart 21 sind eigentlich zwei Projekte.
Sie sprechen gern von S2 und S1.
Genau. Stuttgart 1 steht für den Durchgangsbahnhof; der sollte schnell
realisiert werden, sonst steigen Kosten und Belastung. Und Stuttgart 2 ist
die unvergleichliche Chance städtebaulicher Gestaltung des frei werdenden
Gleisvorfelds. Die kommt frühestens in zehn Jahren. Da sollte es
vorbildliche, offene Beteiligungsmöglichkeiten geben. Dabei kann man sich
auch andere großflächige Neubebauungen anschauen.
Den Potsdamer Platz in Berlin oder die Hamburger Hafencity?
Beides sind interessante Lehrbeispiele – auch dafür, dass man es besser
machen kann. Beim Potsdamer Platz hat man nicht an Geld und Stararchitekten
gespart, und trotzdem ist es ein zugiger, wenig einladender Ort geworden.
Wollen Sie ein Ökoviertel?
Das reicht nicht. Sie können das hässlichste Haus mit Umwelttechnik
ausstatten. Es sollte ein Ort entstehen, an dem sich die Leute dann gerne
aufhalten. Eine mittelalterliche Stadt ist für mich eher ein Vorbild als
eine Bürovorstadt. Aber ich bin wie die Stadt erst am Anfang meiner
Überlegungen.
Ihre erste Aktion, um die Diskussion in Gang zu bringen?
Ich habe eine Idee, die will ich aber erst prüfen, ehe sie in der Zeitung
steht.
Mit Ihrer letzten Idee haben Sie sich verschätzt. Immerhin waren Sie es,
der Stuttgart 21 den Slogan „Das neue Herz Europas“ verpasste.
Nicht jede Formulierung glückt. In der Initialphase vor über zehn Jahren
hatten die Befürworter eine breite Akzeptanz erreicht. Dann zogen sich die
Finanzierungsverhandlungen über Jahre hin. Als dann der Vertrag
unterschrieben war, stellte sich die Frage: Soll man einfach anfangen oder
den Vermittlungsprozess aus den Anfangsjahren noch einmal wiederholen?
Darauf wurde verzichtet. Und ab diesem Punkt rannte die Kommunikation immer
hinterher, die Vorteile kamen immer erst zur Sprache, wenn die Nachteile
schon genannt waren.
Welche Vorteile?
Die Gleise spalten wie ein Keil das enge Tal. Mit Stuttgart 2, dem neuen
Park und Stadtgebiet, überwindet die Stadt diese Teilung.
Es heißt, Sie wüssten, wie die Schwaben ticken. Sie haben für
Baden-Württemberg den Slogan „Wir können alles außer Hochdeutsch“ kreier…
Ticken die Schwaben seit dem Bahnhofsstreit anders?
Die haben sich gar nicht geändert. Es hat sich nur deutlicher als je zuvor
gezeigt, wie sie sind.
Schwaben sind aufmüpfige Leute?
Aufgeweckt sind sie, und das ist ein Standortvorteil.
15 Mar 2012
## AUTOREN
Hanna Gersmann
Nadine Michel
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