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# taz.de -- Japan nach Fukushima: Die „latente“ Atommacht
> Die japanische Regierung hält an der Möglichkeit fest, innerhalb
> kürzester Zeit Atombomben herstellen zu können. Von daher will man AKW
> unbedingt weiter nutzen.
Bild: Japan verfügt über genug Spaltmaterial für einen schnellen Bombenbau.
TOKIO taz | Ab Mai muss Japan erstmals seit über 40 Jahren ohne Atomstrom
auskommen. Im heißen Sommer drohen der Industrie im zweitgrößten
Ballungsraum Osaka dadurch Stromsperren. Damit stellt sich die Frage, ob
Japan ohne die Nutzung der Atomkraft auskommen kann oder will.
„Das wäre wie Massenselbstmord“, meinte jetzt ein Schwergewicht aus Japans
regierender Demokratischer Partei. Mit seinem drastischen Wort wollte
Vize-Politikchef Yoshito Sengoku das Argument der Regierung unterstreichen,
dass das Land ohne Atomstrom in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.
Doch konservative Elemente in Japan würden die Aussage von Sengoku auf
andere Weise interpretieren: „Japan braucht kommerzielle Reaktoren, weil
sie uns erlauben, in kurzer Zeit einen Atomsprengkopf herzustellen“, sagte
etwa Shigeru Ishiba, letzter konservativer Verteidigungsminister, kürzlich
dem rechtsgerichteten Magazin Sapio. Die größte Tageszeitung Yomiuri
Shimbun blies zuvor in das gleiche Horn. Japans Vorräte an Plutonium seien
ein potenzielles atomares Abschreckungsmittel.
Offiziell halt die Regierung in Tokio an den drei nichtnuklearen Prinzipien
von 1967 fest, dass man Atomwaffen nicht produziert, sie nicht besitzt und
sie nicht ins Land lässt. Doch Japan verfügt über genug Spaltmaterial für
einen schnellen Bombenbau. Sein Vorrat an 30 Tonnen spaltbarem Plutonium
reicht für bis zu 3.000 Atomwaffen.
Außerdem baut Japan funktionierende ballistische Raketen. Sie dienen bisher
dem Start von Satelliten, doch bei der Rückkehr der Weltraumsonde Hayabusa
konnten die Techniker den Wiedereintritt in die Atmosphäre üben. Seit 2008
sind militärische Anwendungen von Weltraumprogrammen in Japan gesetzlich
erlaubt.
## Teil der Energiemischung
Auffällig ist der starke Wille der Regierung des eher rechten Premiers
Yoshiko Noda, Atomkraft als Teil der Energiemischung zu behalten. Noda will
die Abhängigkeit von der Atomkraft nur verringern, aber nicht auf diese
Technik verzichten.
Den geschlossenen Brennstoffkreislauf, den Japan unter enormen Kosten seit
fünfzig Jahren aufbaut, stellt er nicht in Frage. Der Schnelle Brüter
Monju, die fast fertige Wiederaufbereitungsanlage in Rokkasho und die
geplante Fabrik für Mischoxid-Brennstäbe dienen der Produktion von
Plutonium und angereichertem Uran.
Umfragen zufolge sind fast drei Viertel der Japaner gegen Atomwaffen. Diese
„Allergie“ stammt von Hiroshima und Nagasaki her. Doch Konservative in
Politik und Militär wollen sich nicht darauf verlassen, dass die USA Japan
im Ernstfall wirklich mit Atomwaffen verteidigen. Ein Ausstieg aus der
Atomkraft würde das Inselreich in den Augen der nuklear bewaffneten
Nachbarn China, Nordkorea und Russland als „latente“ Atommacht weniger
glaubwürdig machen, so deren Überzeugung.
19 Apr 2012
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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