# taz.de -- Piraten im Inhalte-Check: Das Gute im Verkehrsteilnehmer | |
> Die Piraten wollen ein Grundrecht auf Mobilität. Dafür sollen alle | |
> fahrscheinlos ÖPNV fahren. In Innenstädten soll sich der Verkehr ohne | |
> Schilder selbst regeln. | |
Bild: In Schleswig-Holstein und Berlin wollen die Piraten alle Verkehrszeichen … | |
BERLIN taz | Das Grundsatzprogramm der Piratenpartei behandelt das Thema | |
Verkehr stiefmütterlich, kein einziges Mal lässt sich das Wort im Programm | |
finden. Allerdings schätzen die Piraten in den Ländern die Bedeutung des | |
Themas nicht gering. Oliver Höfinghoff, verkehrspolitischer Sprecher der | |
Partei im Berliner Abgeordnetenhaus fordert ein „Grundrecht auf Mobilität.“ | |
Um dieses umzusetzen, brauche man ein gutes Angebot, erklärt er weiter. | |
Dazu schlagen die Piraten in mehreren Ländern wie NRW, Schleswig-Holstein | |
und Berlin den „fahrscheinlosen Nahverkehr“ vor. Die Berliner Piraten | |
wollen, dass jeder Berliner Bürger eine Umlage von 30 Euro zahlt und dann | |
Bus und Bahn frei benutzen darf. Bedürftige Gruppen wie Arbeitslose, Kinder | |
und Bafög-Empfänger wären ausgenommen. Touristen sollen sich über eine | |
Hotelsteuer an den Kosten beteiligen. | |
Damit lässt sich „effektiv Geld einsparen“, meint Gerwald Claus-Brunner, | |
der bei den Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus für den Nahverkehr | |
zuständig ist. Denn die Kosten für den Fahrkartenvertrieb und die | |
Kontrolleure würden wegfallen. „Die Kontrolleure können wir dann als | |
Servicemitarbeiter weiterbeschäftigen – zum Beispiel um für mehr Sicherheit | |
an den Bahnsteigen zu sorgen“, schlägt er vor. | |
Sollte die Maßnahme umgesetzt werden, rechnet Claus-Brunner mit einem | |
Anstrum auf Busse und Bahnen. „Da die Leute denken werden 'ich habe das | |
Ticket ja schon bezahlt', werden sie den ÖPNV dann auch mehr nutzen | |
wollen“, sagte er der taz. „Das trägt auch zum Umweltschutz bei, wenn die | |
Leute ihr Auto zugunsten des Nahverkehrs stehen lassen“, freut er sich. | |
## „Shared Spaces“ | |
Um die Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen, hat Claus-Brunner noch eine | |
andere Idee: „Man könnte die KFZ-Steuer in den Spritpreis integrieren. Das | |
würde die Menschen bewegen, öfter das Auto stehen zu lassen. Derzeit | |
bestraft die KFZ-Steuer ja vor allem die, die wenig mit dem Auto fahren.“ | |
Umweltzonen findet der Berliner Pirat bürokratisch und lehnt sie ab. | |
In Schleswig-Holstein und Berlin wollen die Piraten den Stadtverkehr anders | |
beruhigen: mit sogenannten „Shared Spaces“. Das Konzept, für das die | |
Piraten noch keine geeignete Übersetzung gefunden haben, ist radikal: alle | |
Schilder sollen abgebaut werden. Es soll nur noch die Regel „Rechts vor | |
Links“ gelten. Straße und Fußgänger- bzw. Fahrradweg würden nicht mehr | |
voneinander abgegrenzt sein. | |
„Derzeit werden die Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr separiert. Wenn | |
zum Beispiel ein Fußgänger auf einem Radweg ist oder andersherum, gibt es | |
Geschrei und Ärger“, erläutert Heiko Schulze, Generalsekretär der | |
Schleswig-Holsteiner Piratenpartei und Verkehrsexperte. | |
## Zwang zum respektvollen Umgang | |
„Dieses Gegeneinander könnte man überwinden, wenn sich alle | |
gleichberechtigt bewegen können,“ denkt Schulze. Autofahrer müssten | |
automatisch langsam und achtsam fahren, alle würden „gezwungen sein | |
respektvoll miteinander umzugehen.“ In den Niederlanden gibt es schon in | |
vielen Orten „Shared Spaces“, die Erfahrungen sind überwiegend positiv. | |
Ob der deutsche Autofahrer zu der nötigen Rücksicht tatsächlich fähig ist, | |
müsse man aber noch testen, sagt Schulze. Im Grundsatz gelte aber die | |
„Hoffnung auf das Gute im Menschen“ bei den Piraten. „Wir arbeiten auch m… | |
Visionen, die wir mit den Bürgern gemeinsam ausprobieren wollen.“ | |
Dass die Visionen für den Verkehr bundesweit bislang eher untergehen, | |
erklärt Schulze so: „das liegt an den basispiratischen Vorstellungen auf | |
unseren Parteitagen.“ Ihre Basis müssen die Verkehrspolitiker also noch von | |
der Wichtigkeit des Themas überzeugen. | |
19 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Ben Seel | |
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