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# taz.de -- Prominente als Werbehelfer: Pirat macht als Rennfahrer Reklame
> Unfreiwillig muss der Berliner Piraten-Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner
> als Werbefigur für einen Autovermieter herhalten. Was ihn aber am meisten
> stört, ist ein fehlender Davidstern.
Bild: Mit Pali-Tuch und Davidstern im Berliner Abgeordnetenhaus: Pirat Gerwald …
BERLIN taz | Gerwald Claus-Brunner nimmt es gelassen. Der Autovermieter
Sixt benutzt den Berliner Abgeordneten der Piratenpartei in großen
Zeitungsanzeigen als Werbefigur. „Total beliebt. Und keiner weiß warum“, so
der Slogan unter der Abbildung des Politikers, der für seine orangefarbene
Latzhose und ein um den Kopf gewickeltes Palästinensertuch bekannt ist.
Neben der Abbildung eine Fotomontage des Piraten in Rennfahrermontur. Sie
soll für ein Produkt des Autovermieters Reklame machen.
Claus-Brunner zeigte sich zwar verärgert über die Aktion, will aber nicht
juristisch dagegen vorgehen. „Nun ist der Senf ja gedruckt“, schrieb er auf
[1][Twitter]. Eine Klage würde seiner Partei keinen Gewinn bringen.
Besonders stört Claus-Brunner aber, dass auf dem Bild seinen Angaben
zufolge ein kleines Detail wegretuschiert worden ist: ein [2][Davidstern].
Der Berliner Abgeordnete trägt einen kleinen Davidstern, ein Symbol des
Judentums, um den Hals – als Ausgleich für das Palästinensertuch, wie er
sagt. Seine Kopfbedeckung hatte im vergangenen Jahr scharfe Kritik
hervorgerufen.
Unter anderem hatte sich Charlotte Knobloch, ehemalige Vorsitzende des
Zentralrats der Juden, gegen das Tuch gewandt: „Ein Palästinensertuch steht
unmissverständlich für Nationalismus, bewaffneten Kampf und
Anti-Zionismus“, schrieb Knobloch in einem [3][offenen Brief] Anfang
November letzten Jahres.
Prompt reagierte Claus-Brunner und zeigte sich der Öffentlichkeit mit
Palästinensertuch und Davidstern. Die Kombination der beiden Symbole will
er als Zeichen für einen Frieden im Krisengebiet Nahost verstanden wissen.
Der Autoverleiher wies den Vorwurf, er habe das Symbol von dem
ursprünglichen Foto entfernt, zurück. Auch Claus-Brunner selbst gab
Hinweise darauf, dass das Foto womöglich im Original keinen Davidstern
zeigt. Auf Twitter ließ er wissen, dass das verwendete Foto [4][„uralt“]
sei, eventuell also aus einer Zeit stammt, zu der Claus-Brunner sich ohne
Davidstern ablichten ließ.
## Rechtlich zulässig
Dass der Autovermieter Prominente ohne ihren Willen als Werbefiguren
einsetzt, hat Tradition. 2001 stattete die Werbeagentur des Unternehmens
die CDU-Vorsitzende Angela Merkel mit einer Sturmfrisur aus, um für
Miet-Cabrios zu werben. Auch Merkel verzichtete damals darauf, Sixt auf
Schadensersatz zu verklagen.
Anders Oskar Lafontaine. Dieser ging juristisch gegen den Autoverleiher
vor, nachdem Sixt seinen Rücktritt vom Amt des Bundesfinanzministers 1999
zum Anlass für eine Werbekampagne genommen hatte. Nach sieben Jahren
Rechtsstreit musste Lafontaine im Jahr 2006 jedoch eine Niederlage
einstecken.
Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs gilt es unter bestimmten
Voraussetzungen als zulässig, Prominente für Werbezwecke abzubilden. Wenn
die Werbung eine satirisch zugespitzte Aussage zu einem Ereignis von
öffentlichem Interesse enthält und nicht ausschließlich dem Werbezweck
dient, ist die Abbildung vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Dabei darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass sich der oder die
Abgebildete mit dem Produkt identifiziere. Auch darf die Werbung die
abgebildete Person nicht herabwürdigen. Ob aber unfreiwillige
Sturmfrisuren, Rennfahrervisagen und andere Fotomontagen eine
Herabwürdigung darstellen, bleibt eine Frage, die nur im Einzelfall
beantwortet werden kann – zur Not vor Gericht.
24 Apr 2012
## LINKS
[1] http://twitter.com/#!/RealDeuterium/status/192532905132695552
[2] http://twitter.com/#!/RealDeuterium/status/192516337338286080
[3] http://www.ikg-m.de/offener-brief-an-gerwald-claus-brunner/
[4] http://twitter.com/#!/RealDeuterium/status/192513183901163520
## AUTOREN
Jannis Hagmann
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