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# taz.de -- Debatte FDP: Die falschen Liberalen
> Mit „Chefchen“ Rösler an der Spitze kommt die Losertruppe FDP nicht aus
> dem Umfragetief. Ernst nehmen muss man die Regierungspartei trotzdem.
Bild: Lausbub Philipp Rösler.
„Jepp!“, sagte Philipp Rösler. Der Vizekanzler machte ein Lausbubengesicht
und grinste den Fernsehmoderator an. Es war nicht so, dass Rösler gerade
auf die Frage geantwortet hätte, ob er als Kind mal ein Päckchen
Streichhölzer geklaut hat. Darauf wäre „Jepp!“ möglicherweise eine passe…
Erwiderung gewesen.
Nein, Philipp Rösler war gefragt worden, ob es stimmt, dass die Kanzlerin
aus der Presse erfahren musste, dass die FDP gegen ihren Willen Joachim
Gauck als neuen Bundespräsidenten vorschlagen würde. „Jepp!“, sagte Rösl…
Und grinste.
Dieser Moment gab den letzten Hinweis, den es noch brauchte, um sicher zu
sein, dass der FDP-Chef, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister
innenpolitisch endgültig in den Bereich der Lächerlichkeit abgerutscht ist.
Ein Parteivorsitzender, der die Staatsgeschäfte medial als Lausbubenstreich
verwurstet, der ist keine ernst zu nehmende Kraft mehr. Und seine Partei
gleich mit. Leider, muss man sagen.
## Dicke Ärmchen vor den Wahlen
Acht Wochen liegt Röslers Fernsehauftritt nun zurück, im politischen Berlin
ist dies eine gefühlte Ewigkeit. Die FDP hat die Zeit genutzt, die
Solarförderung zu kappen, gegen die Frauenquote zu polemisieren, die
erstarkenden Piraten zu schmähen und 10.000 entlassenen
Schlecker-Mitarbeiterinnen zu empfehlen, sich nach einer
„Anschlussverwendung“ umzuschauen. Nach wie vor dümpelt die Partei unter
der Fünfprozenthürde herum.
Gerade macht sie dicke Ärmchen – in der Hoffnung, dass der Wähler naiv
genug ist, am 6. und am 13. Mai in Schleswig-Holstein und
Nordrhein-Westfalen sein Kreuzchen bei der FDP zu machen. Die Leute sollen
eine Loserpartei wählen, von der nicht einmal gewiss ist, ob sie auf der
Oppositionsbank Platz nehmen darf. Wie soll das gehen?
Die FDPler wissen es ja selber nicht. An diesem Wochenende versammeln sich
660 von ihnen in Karlsruhe zum Bundesparteitag. Es sind FDP-Mitglieder,
liberale Beitragszahler, die ihr neues Grundsatzprogramm verabschieden und
den seit Ende letzten Jahres dauerdesignierten Generalsekretär Patrick
Döring endlich ins Amt wählen sollen. Was da in Karlsruhe geplant ist, ist
keine Neuorientierung auf liberale Werte. Es ist die Simulation von
Normalität. Eine Beruhigungspille für jene, denen es vor Wut und
Hilflosigkeit die Schuhe auszieht beim Gedanken an ihre Partei.
Es steht nicht gut um die Liberalen. „FDP – Fast Drei Prozent“, so geht d…
Spott. Die Parteizentrale in Berlin wird „das Hospiz“ genannt. Der
Vorsitzende „das Chefchen“. Und doch – da muss man sich nichts vormachen …
ist hier immer noch die Rede von einer Regierungspartei. Einer politischen
Kraft, die in sich erodiert sein mag, die aber wahrscheinlich noch
anderthalb Jahre die Geschicke dieses Landes verantwortet. Und die man
besser ernst nimmt, als sich in wohlfeile Häme zu flüchten.
## Die FDP lenkt Riesenressorts
Die FDP besetzt fünf von sechzehn Ministerien. Das heißt, sie gibt die
Richtung vor, wenn es um das alte linke Thema Entwicklungszusammenarbeit
geht. Sie lenkt die Riesenressorts Gesundheits- und Wirtschaftspolitik, die
tief in die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger hineinwirken. Sie
repräsentiert durch einen FDP-Außenminister Deutschland in der Welt. Und
sie ärgert die Union mit einer Justizministerin, die keinen Millimeter von
der Überzeugung abrückt, dass Privates den Staat nichts anzugehen hat.
Möglicherweise ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einer der wenigen
Hinweise darauf, dass er noch lebt, der liberale Gedanke. Und dass die FDP
noch den Hauch einer Chance hat, ihren politischen Markenkern in die
nächste Legislaturperiode zu retten: den Gedanken der bürgerlichen
Freiheit. Aber dafür braucht es mehr als Klientelpolitik für Zahnärzte und
Hoteliers, mehr als die wohlfeile Wachstums-Propaganda des
Parteivorsitzenden.
Seit 63 Jahren sitzen die Freidemokraten im Bundestag. Sie waren länger in
Regierungsverantwortung als alle anderen Fraktionen. Noch nie in all den
Jahrzehnten hat die Partei auf Bundesebene die Fünfprozenthürde gerissen.
2013 könnte dies erstmals passieren. Dabei hat die FDP schon zwei
Bundespräsidenten gestellt, ihr Außenminister Genscher hat 1989 die
deutsche Wiedervereinigung eingefädelt. Seit 2009 ist die Partei wieder in
Regierungsverantwortung, weil damals 15 Prozent der Wähler für sie gestimmt
haben.
Sechsmillionendreihundertsechzehntausendundachtzig Bürgerinnen und Bürger
waren das, denen der Gedanke gefiel, dass die forsche Union mal ein
bisschen liberal gebremst werden müsste. Von einer Partei, die den Bürger
als Politikgestalter, als sozial verantwortliches Wesen noch ernst nimmt.
Einer Partei, die was von Steuern versteht und Europa im politischen
Tagesgeschäft mitdenkt.
## Klientelpolitik in eigener Sache
Mit diesen Versprechen gewann die FDP all die Stimmen. Es stellte sich dann
aber heraus, dass sie, in der Regierung angekommen, Macht und Posten in die
Hände von Leuten legte, die eher das eigene Fortkommen im Blick hatten als
das der Bürger. Man sieht es an der Steuersenkung für Hoteliers, an der
Kappung der Solarförderung, am Streit über Hartz-IV-Bezieher, die der
damalige Parteichef Guido Westerwelle „spätrömischer Dekadenz“
verdächtigte. Es war und ist dieselbe Hoffart, die sich in jenem „Jepp!“
des aktuellen Vorsitzenden zeigt.
Wenn es gut läuft für Philipp Rösler, den Schelm an der Parteispitze,
überlebt er diesen Parteitag noch. Sie werden ihn in Karlsruhe seine
Wachstums-Rede halten lassen und hinter vorgehaltener Hand seinen Sturz
diskutieren. Denn spätestens nach den Landtagswahlen im Mai werden ihn
jene, die ihn vor Jahresfrist wie einen Heiland gefeiert haben, aus der
Parteizentrale jagen. Mindestens.
Es wird die Rache jener sein, die das eigene politische Unvermögen auch auf
jeden anderen Vorsitzenden übertragen würden. Jener, die vergessen haben,
dass Liberalismus im 21. Jahrhundert mehr ist als Klientelpolitik in
eigener Sache. Wenn diese falschen Liberalen einmal weg sind, könnte wieder
was werden aus der FDP. Für den Anfang wird das etwas sehr Kleines sein.
20 Apr 2012
## AUTOREN
Anja Maier
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