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# taz.de -- Grenzkontrollen der Europäischen Union: Mit Hightech gegen Flücht…
> Drohnen und Satelliten sollen dafür sorgen, dass Flüchtlinge erfasst
> werden, noch bevor sie die nordafrikanische Küste verlassen. Das Projekt
> verschlingt Millionen.
Bild: Ob ein Kopfsprung ins Mittelmeer bei Bengasi wohl schon als Fluchtversuch…
BRÜSSEL taz | Die Europäische Union rüstet auf gegen Flüchtlinge. Nach
einem Vorschlag der Europäischen Kommission will die Gemeinschaft ihre
Außengrenzen direkt bis an die Küsten des afrikanischen Kontinents
verschieben. Mithilfe ausgefeilter Überwachungstechnik, Datenaustausch mit
den Ländern in Nordafrika und dem Einsatz von Drohnen über dem Mittelmeer
wollen die EU-Länder Flüchtlinge abgreifen, bevor sie die afrikanische
Küste überhaupt verlassen können. Der Vorschlag wird zurzeit in Brüssel
diskutiert.
„Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll damit zu einer Art
Bundesnachrichtendienst ausgebaut werden“, sagt die grüne EU-Abgeordnete
Ska Keller. Sie befürchtet, dass Flüchtlinge somit kaum noch eine
Möglichkeit haben werden, Asyl in der Europäischen Union zu beantragen.
„Wenn die Schiffe schon im Hafen von Tunesien oder Libyen aufgehalten
werden, verstößt das gegen das von der UN verbriefte Recht, sein eigenes
Land zu verlassen.“ Auch Torsten Moritz von der Flüchtlingskommission der
Kirchen in Europa kritisiert Eurosur: „Die Mitgliedsstaaten versuchen,
politische Probleme technisch zu lösen. Sie werden so Helfershelfer für
zweifelhafte Praktiken an den EU-Außengrenzen.“
Die EU-Kommission wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Offiziell soll die neue
Vernetzung vor allem für eine bessere Seenotrettung der Flüchtlinge im
Mittelmeer sorgen. „Kleine Holzboote können von den bisherigen Satelliten
nicht gefunden werden. Deshalb brauchen wir ein besseres System, um den Tod
von Tausenden von Flüchtlingen zu verhindern“, sagt Michele Cercone,
Sprecher der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström.
Dass sich die Mitgliedsstaaten bisher immer wieder darum drücken,
Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten, ist Tatsache. Im März 2011
ertranken 60 Flüchtlinge, weil weder die Nato-Schiffe noch der Grenzschutz
von Italien oder Libyen auf Hilfegesuche reagiert hatten.
## Drohnen über dem Mittelmeer
Ska Keller bezweifelt, dass Eurosur plötzlich dazu führen wird, dass die
Regierungen ihre Verantwortung für die Flüchtlinge wahrnehmen: „In dem
Gesetzestext steht nur an einer einzigen Stelle etwas von Rettung. Es
werden aber keine konkreten Maßnahmen vorgeschlagen. Für mich ist das ein
reines Alibi.“
Die EU-Kommission will, dass sich die EU-Mitgliedsländer untereinander
sowie mit Drittstaaten besser vernetzen. Dafür soll auch die Infrastruktur
für Überwachungssysteme in den nordafrikanischen Ländern mit EU-Geld
ausgebaut werden. Außerdem sollen über dem Mittelmeer verstärkt Drohnen und
Satelliten eingesetzt werden, die Flüchtlingsboote schneller erkennen
sollen.
Sechs Mitgliedsstaaten testen das Eurosur-System bereits seit 2008. Und
Frontex soll weiter expandieren. Die Gelder dafür kommen aus dem
EU-Forschungshaushalt. Seit 2008 sind 3,9 Millionen Euro für Drohnen und
19,9 Millionen Euro für die Entwicklung von Landrobotern vorgesehen.
Insgesamt sind nach Informationen der europäischen Grünen über das
EU-Sicherheitsforschungsprogramm bereits über 100 Millionen Euro in Eurosur
geflossen.
Die EU-Kommission bemüht sich unterdessen, die Bedeutung von Eurosur
möglichst herunterzuspielen. Als sie die Vorschläge in Brüssel vorstellte,
sprach Cecilia Malmström nur von „technischen Änderungen“. Von den
Mitgliedsstaaten werden ihre Vorschläge weitgehend unterstützt – auch von
Deutschland: „Durch Eurosur wird die koordinierende Rolle der Europäischen
Grenzschutzagentur Frontex weiter gestärkt und die Möglichkeiten der
Mitgliedstaaten zur Überwachung der EU-Außengrenzen durch einen
intensivierten Informationsaustausch weiter verbessert“, sagte ein Berliner
Ministeriumssprecher der taz.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass das System bereits 2013 auf
insgesamt 18 Länder ausgeweitet werden könnte. Dazu gehören vor allem die
Mittelmeeranrainerstaaten. Nord- und Ostseeanrainerstaaten könnten 2014
folgen.
25 Apr 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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