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# taz.de -- Streit um Timoschenko und Fußball-EM: Ukraine, da war doch was
> Wie sollen wir mit undemokratischen Regierungen umgehen, deren Länder
> Großereignisse ausrichten? Ein Anfang wäre der Abschied von einfachen
> Antworten.
Bild: Hier findet bald der ESC statt: die Kristall-Halle in Baku.
Die Einlassungen deutscher Politiker zum Umgang mit der Ukraine knapp fünf
Wochen vor dem Beginn der Fußballeuropameisterschaft sind gelinde gesagt
nur noch peinlich.
Außer von einem Boykott ist da die Rede von der Verlegung einiger Spiele
nach Deutschland und einer Staatenklage gegen die Ukraine vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Es mutet schon
bizarr an, dass all diejenigen, die jetzt meinen ihren Senf dazugeben zu
müssen, und sei er noch so absurd, die Ukraine gerade erst entdeckt zu
haben scheinen.
Wo waren diese Leute eigentlich 2004 während und nach der Orangenen
Revolution, bei der Julia Timoschenko eine tragende Rolle spielte? Die Frau
übrigens, um die sich jetzt alle so viele Sorgen machen? Und als die
Menschen in der Ukraine noch berechtigte Hoffnungen auf einen
demokratischen Wandel ihres Landes haben konnten?
Jetzt tun viele so, als hätten die Menschenrechtsverletzungen erst mit der
Inhaftierung der ehemaligen schwer erkrankten Regierungschefin Timoschenko,
die seit fast zwei Wochen medien- und publikumswirksam mit einem
Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen protestiert, begonnen.
## EM nach Polen und Ukraine
Doch schon unter Staatspräsident Wiktor Juschtschenko litten und verfaulten
tausende Menschen nach Prozessen, die rechtstaatlichen Maßstäben Hohn
sprachen, in den Gefängnissen. Und just zu diesem Zeitpunkt wurde die EM
nach Polen und in die Ukraine vergeben.
Die aktuelle deutsche Diskussion über die ehemalige Sowjetrepublik zeugt
von einer erschreckenden Unkenntnis der dortigen Verhältnisse. Wäre das
anders, wüssten die Beteiligten, dass ihre Drohgebärden an die Adresse von
Staatspräsident Wiktor Janukowitsch die Lage der Opfer des Regimes eher
noch verschärfen dürfte, als ihnen zu helfen.
Nicht minder als die politische Debatte gibt auch der mediale Diskurs
darüber zu denken. Einige deutsche Politiker, die die Ukraine so scharf
kritisierten, sollten daran denken, dass die Deutschen vor 70 Jahren mehr
als eine Million Ukrainer ermordet hätten, schrieb in dieser Woche ein
taz-Kommentator.
Des gleichen Argumentes bediente sich Anfang März auch der belarussische
Präsident Alexander Lukaschenko gegenüber dem deutschen Außenminister Guido
Westerwelle. Dieser hatte die Menschenrechtslage in Belarus scharf
kritisiert. Lukaschenkos Subtext war klar: Ihr habt euch wegen eurer
Kriegsschuld aus unseren inneren Angelegenheiten herauszuhalten. Zwei
Wochen später ließ der Autokrat zwei junge Männer, deren Schuld nicht
bewiesen worden war, hinrichten.
## Menschenrechtsverletzungen
Ein anderer taz-Autor [1][forderte] in der vergangenen Woche, alle Staaten,
in den Menschenrechte verletzt würden, müssten konsequenterweise von allen
internationalen Wettbewerben in Sport und Unterhaltung ausgeschlossen
werden.
Einmal abgesehen, davon, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob ein
Land lediglich Teilnehmer an einem Wettkampf ist oder diesen auch
ausrichtet – was häufig auch den Machthabern in die Hände spielt –: Warum
soll eigentlich nicht ernsthaft darüber diskutuiert werden, Belarus die
Eishockey-WM 2014 abzuerkennen? Oder Aserbaidschan den diesjährigen
Eurovision Song Contest – zumal, wenn mit dessen Austragung weitere
gravierende Rechtsverletzungen, wie bei zwangsentmieteten
Wohnungseigentümern, verbunden sind?
In diesem Text schreibt der taz-Autor weiter, dass die Menschen in
Aserbaidschan an dem ESC durchaus großes Interesse hätten. Hingegen würden
Menschenrechte, das sei vor allem das deutsche (Medien-)Problem, immer als
Selbstbespiegelung inszeniert.
Da ist er also wieder, der Vorwurf: Selbst ernannte Gutmenschen, denen es
in Wahrheit nicht um Menschenrechte, sondern nur um sich selbst geht,
erregen sich – gerne vor sportiven oder musikalischen Großereignissen.
Geben wir es doch zu, gerade wir JournalistInnen, die wir vielleicht mehr
wissen als andere: Aus dem Dilemma Event, in welcher Form auch immer,
versus Menschenrechte gibt es keinen Ausweg, jedenfalls keinen einfachen.
2 May 2012
## LINKS
[1] /Menschenrechte-zur-EM-und-zum-ESC/!92278/
## AUTOREN
Barbara Oertel
Barbara Oertel
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