# taz.de -- Streit der Woche: Ist Sport politisch? | |
> Politiker wollen die EM in der Ukraine boykottieren, Fußballer | |
> kritisieren das Regime. Ihre Widersacher meinen: Sport ist unpolitisch! | |
> Und sollte es auch bleiben. | |
Bild: Ist Sport politisch? Dieser Aktivist sagt ja. Protest vor den Olympischen… | |
Ist die Teilnahme an der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine ein | |
politisches Signal? Ja, sagen inzwischen deutsche Politiker über | |
Parteigrenzen hinweg: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat zum Boykott aufgerufen, | |
CDU-Umweltminister Norbert Röttgen und FDP-Entwicklungshilfeminister Dirk | |
Niebel schlossen sich an. | |
Selbst aus einer in politischen Belangen eher stillen Ecke, dem | |
Profi-Fußball, meldet man sich zu Wort: Nationalspieler Philipp Lahm hat | |
das ukrainische Regime kritisiert und eine Stellungnahme des | |
Uefa-Präsidenten Michel Platini gefordert. | |
Wenig Sympathie für einen Boykott zeigen dagegen deutsche Sportfunktionäre: | |
Laut Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), | |
haben „die Menschen in der Ukraine diese EM verdient“. | |
Und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bezweifeln, dass | |
ein Boykott überhaupt sinnvoll ist. Ob Sport, zumal sportliche | |
Großereignisse, eine politische Bedeutung haben, ob man sie politisch | |
nutzen soll, ist umstritten – und das schon lange. | |
## | |
Bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne erhielten die ungarischen | |
Sportler auffallend viel Applaus – was als Solidaritätsbekundung nach dem | |
sowjetischen Einmarsch in ihrem Land gedeutet wurde. | |
Auch später spiegelte sich der Kalte Krieg immer wieder in | |
Olympia-Boykotten: Erst blieben zahlreiche westliche Staaten den Spielen | |
1980 in Moskau fern, woraufhin die Ostblockstaaten 1984 nicht nach Los | |
Angeles reisten. | |
In der Bundesrepublik entschied man sich nach heftigen Debatten für einen | |
Boykott von Moskau – zum Unmut einiger Sportler. Die beklagten, dass damit | |
Weltpolitik auf ihrem Rücken ausgetragen würde und jahrelanges Training nun | |
umsonst sei. Der Zehnkämpfer Guido Kratschmer erklärte noch Jahrzehnte | |
später, der Boykott sei Unsinn gewesen und habe zu keinerlei politischem | |
Umdenken geführt. | |
## Medienaufmerksamkeit durch Großereignisse | |
Heute wird die Debatte nicht weniger heftig geführt: Dass Oppositionelle in | |
Bahrain forderten, das Formel 1-Rennen abzusagen, überzeugte | |
Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone nicht im geringsten. Die | |
Veranstaltung sei unpolitisch, ließ er wissen. | |
Aber auch Menschen mit weniger Eigeninteresse sind nicht unbedingt | |
überzeugt vom Sinn von Boykotten: Menschenrechtsorganisationen | |
argumentieren, dass sportliche Großereignisse gerade für autoritäre Staaten | |
Medienaufmerksamkeit brächten und damit einen gewissen Druck, | |
Menschenrechts-Standards einzuhalten – und sei es zeitweise. | |
Noch immer rar sind SportlerInnen, die sich politisch positionieren. Die | |
Fechterin Imke Duplitzer war die einzige deutsche Sportlerin, die der | |
Eröffnungsfeier bei den Olympischen Spielen in Peking demonstrativ | |
fernblieb. | |
In dieser politischen Abstinenz sehen Kritiker mangelndes Stehvermögen, | |
Befürworter dagegen Konzentration auf das Eigentliche und legitimen | |
Widerstand, sich für andere Zwecke vereinnahmen zu lassen. | |
Was meinen Sie: Ist Sport politisch? | |
Beziehen Sie Stellung! Die taz wählt unter den interessantesten Kommentaren | |
ein oder zwei aus und veröffentlicht sie im Wochenendmagazin [1][sonntaz]. | |
Der Kommentar sollte etwa 1.000 Zeichen umfassen und mit dem Namen und der | |
E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie | |
uns eine Mail an: [email protected]. Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in | |
der sonntaz vom 12. /13. Mai. An jedem gutsortierten Kiosk, im [2][eKiosk] | |
oder im Briefkasten via [3][Wochenendabo]. | |
8 May 2012 | |
## LINKS | |
[1] /zeitung/tazinfo/sonntaz-vorlauf/ | |
[2] /zeitung/e-paper/e-kiosk/ | |
[3] /zeitung/abo/wochenendabo | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Mixed Zone | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Olympiaboykott vor 40 Jahren: „Es war mein Pech“ | |
Ex-Zehnkampf-Weltrekordler Guido Kratschmer erklärt, wie der Boykott der | |
Olympischen Spiele in Moskau vor 40 Jahren sein Leben verändert hat. | |
Rechtsextreme in Polen und der Ukraine: White Pride Worldwide im Stadion | |
In England sorgt man sich um die Sicherheit der Fans bei der EM. Schwarze | |
Nationalspieler warnen Fans vor einem Besuch des Tuniers. Gastgeber und | |
Uefa reden das Problem klein. | |
Schlägerei im ukrainischen Parlament: Russisch? Ich hau dir auf die ... | |
Der ukrainische Staatschef Viktor Janukowitsch schlägt im Parlament vor, | |
Russisch als zweite Amtssprache einzuführen. Danach folgen mehr Taten als | |
Worte. | |
DFB-Pokal der Frauen: Der Mauerblümchen-Clan | |
Erstmals könnte ein Verein den DFB-Pokal bei Frauen und Männern gewinnen. | |
Der Erfolg der Frauen ist ein Verdienst der Familie Wörle, die im Klub auf | |
sich selbst gestellt ist. | |
Kommentar Ukraine: Gebt Kiew eine reelle Chance! | |
Wenn Symbolpolitik an die Stelle politischer Entscheidungen tritt, dann | |
wird sie zu politischer Folklore. Genau das passiert gerade im Umgang mit | |
der Ukraine. | |
Kommentar EU und Ukraine: Gut gewettet, EU! | |
Die geschlossene Haltung der EU ist richtig. Auch wenn es der Führung in | |
Kiew egal ist, ob der Fischereikommissar aus Brüssel sich ein Spiel in der | |
Ukraine ansieht. | |
Fußball-EM in Polen und der Ukraine: „Warum so spät?“ | |
In Polen hält man sich mit Kritik an der Ukraine zurück. Schließlich könnte | |
eine Verschiebung des Turniers folgen. Jetzt will gar die EU-Kommission die | |
EM boykottieren. | |
KOMMENTAR BAHRAIN: Vollgas für den Despoten | |
Von Bahrain angeheuerte britische und amerikanische PR-Firmen versuchen, | |
das Image der Herrscher aufzupolieren. Der Albtraum wäre ein Aufstand in | |
Saudi-Arabien. | |
Die Formel 1 in Bahrain: Nein zu Bahrain | |
Die Formel 1 will in einem Land um die Wette fahren, das seine | |
Demokratiebewegung brutal unterdrückt. Der Formel-1-Chef schaltet auf stur. | |
Kommt jetzt die Absage? |