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# taz.de -- Norwegen verklappt Klimagase: Mondlandung etwas anders
> Im hohen Norden Europas wird mit viel Pomp eine Anlage eröffnet, die CO2
> aus Kraftwerksabgasen filtert. Doch Oslo hat die Technik schon fast
> abgeschrieben.
Bild: Noch 2006 bezeichnete Ministerpräsident Jens Stoltenberg die norwegische…
STOCKHOLM taz | Selbst EU-Energiekommissar Günther Oettinger nahm die
Eröffnung zum Anlass, ins Nicht-EU-Land Norwegen zu eilen. Dort wohnte er
am Montag zusammen mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jens
Stoltenberg der feierlichen Eröffnung eines CCS-Testzentrums bei. Nach
Angaben der Regierung die weltweit größte Anlage, die Carbon Dioxide
Capture and Storage, kurz CCS, erprobt.
Bei dieser Technik wird Kohlendioxid aus Abgasen gefiltert und soll
unterirdisch eingelagert werden. Als „unsere Mondlandung“ hatte der
Sozialdemokrat Stoltenberg in seiner Silvesteransprache 2006 die Pläne
bezeichnet, mit der fossile Energieproduktion klimaneutral gemacht werden
könnte.
Im westnorwegischen Mongstad sollte das CO2 aus Abgasen eines Gaskraftwerks
abgetrennt werden und per Rohrleitungen in leergepumpten Öllagerstätten
verschwinden. Dieser ersten Pilotanlage sollten viele weitere folgen:
Norwegen könnte so bald nicht nur Öl- und Gas-, sondern auch
Stromexportland sein. Doch die Euphorie ist verfrüht.
Was am Montag in Mongstad eingeweiht wurde, ist eine simulierte
Mondlandung. Kritiker sprechen von einem Bauchplatscher. Knapp 1 Milliarde
Euro wurde investiert, um binnen zwei Jahren verschiedene CCS-Techniken zu
testen. Klimagase könnten dabei unterirdisch verpresst werden, doch es gibt
keine Lagermöglichkeit.
## Geschätzte Investionen von 4 Milliarden
Jetzt wird das CO2 erst gefiltert und gleich wieder freigesetzt. So soll
das bis mindestens Anfang der 2020er Jahre weitergehen. Frühestens dann
könnte nach weiteren, schon jetzt auf 4 Milliarden Euro geschätzten
Investitionen eine großtechnische Anlage mit fertigen Lagermöglichkeiten
stehen.
Dabei sollte das Gaskraftwerk in Mongstad eigentlich keinen einzigen Tag
ohne funktionierende CO2-Lagerung in Betrieb sein. Nun bläst es seit 2010
jährlich 1,5 bis 2 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre. Ob die
eigentliche CCS-Anlage gebaut wird, soll 2016 entschieden werden und wird
davon abhängig sein, ob sich die Technik rechnet.
Möglicherweise ist das Gaskraftwerk dann nicht mehr in Betrieb. Gebaut
wurde es zur Energieversorgung einer Raffinerie von Statoil. Die möchte der
staatliche Ölkonzern wegen jährlicher Milliardenverluste mittlerweile
lieber heute als morgen wieder stilllegen.
Dass CCS einen Beitrag zum Ziel leisten könnte, den CO2-Ausstoß Norwegens
bis 2020 um 30 Prozent zu senken – diese Hoffnung hat man in Oslo
mittlerweile aufgegeben. Stattdessen will man nun versuchen, Industrie und
Verkehr sauberer zu machen, und hat eher 2030 als 2020 für die
30-Prozent-Marke ins Auge gefasst. Alles sei eben viel teurer und technisch
komplizierter, als man sich das vorgestellt habe, meint Stoltenberg.
## Keine Daumenschrauben
Die Sozialdemokraten hätten der Öl- und Gasindustrie nie wirklich die
Daumenschrauben angelegt, wirft Fredric Hauge, Vorsitzender der
Umweltschutzorganisation Bellona, der rot-grünen Regierung vor, obwohl
Bellona die CCS-Technik positiv sieht: „Mit dem Bau von Radwegen wird man
die Klimaziele nicht erreichen“, sagt Hauge.
Sein Kollege Lars Haltbrekken vom Naturschutzverband Naturvernforbundet
lehnt CCS in der Energieerzeugung dagegen ab – allerdings nicht in der
Industrie. „Mondlandung ja, aber anders“, sagt er. Man solle mit den
Milliarden Klimagase aus den Abgasen von Stahlwerken und Zementfabriken
filtern.
8 May 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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