# taz.de -- Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Das entscheidende Prozent | |
> Die Piraten neu im Landtag, die FDP wieder. Kommt die Linke rein, wird es | |
> eng für Rot-Grün in NRW. Und die CDU könnte trotz miesem Wahlergebnis | |
> mitregieren. | |
Bild: Ob der Wahlsonntag so lustig wird, wie Hannelore Kraft (l, SPD) und Sylvi… | |
DÜSSELDORF taz | Nicht einmal zwei Prozent der abgegebenen Stimmen: Sie | |
werden für den Ausgang der nordrhein-westfälischen Landtagswahl | |
entscheidend sein. | |
Zwar liegt die rot-grüne Koalition von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore | |
Kraft und ihrer grünen Stellvertreterin Sylvia Löhrmann in allen Umfragen | |
vorn. Und Krafts CDU-Herausforderer Norbert Röttgen droht die | |
Deklassierung. Doch am Ende könnte die Union trotz eines miesen | |
Wahlergebnisses auf der Regierungsbank landen. | |
Der Bundesumweltminister, der sich in Berlin bereits zum Nachfolger von | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel aufbauen wollte, muss fürchten, nicht einmal | |
30 Prozent zu holen. Röttgens Karriere droht damit der Knick: Schon heute | |
spekulieren führende Christdemokraten, ob Röttgen nach einer krachenden | |
Niederlage als Landesvorsitzender zu halten sei – in der Hauptstadt wäre | |
seine Hausmacht als Chef des größten Landesverbands dann dahin. | |
Retten könnte Röttgen ausgerechnet die Linkspartei. Die dümpelt in den | |
Prognosen zwar mit miesen 3,5 bis 4 Punkten dahin. Doch das renommiertere | |
Infratest-Institut sah die Linke zuletzt im Aufwind. Bei einer | |
Nichtwählerquote von 40 Prozent entscheiden damit im bevölkerungsreichsten | |
Bundesland nicht einmal 80.000 Wähler darüber, ob künftig fünf oder sechs | |
Parteien im Düsseldorfer Landtag sitzen. Das entspricht der Einwohnerzahl | |
einer „Metropole“ wie Castrop-Rauxel. | |
Vor allem den Grünen stehen vor einem Problem. In einem | |
Sechs-Parteien-Parlament wäre eine gemeinsame absolute Mehrheit mit der SPD | |
nicht zu erreichen. Zwar schließt Regierungschefin Kraft auch eine erneute | |
Minderheitsregierung offiziell nicht aus – doch das nimmt der Genossin in | |
Düsseldorf niemand ab: Mit unsicheren Politikmodellen fremdelt die SPD, die | |
NRW jahrzehntelang allein regiert hat, nach wie vor. | |
„Entweder es gibt Rot-Grün oder Frau Kraft wird mit jemanden von der CDU | |
regieren“, warnt Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann. Andere Grüne | |
jammern schon über die „Ungerechtigkeit“ der WählerInnen: „Wir lagen do… | |
monatelang über 15 Prozent.“ | |
## Der Rest Würde für Röttgen | |
Röttgen könnte ein Wiedereinzug der Linkspartei vor dem Schlimmsten | |
bewahre. Zwar geht der Aufschwung der FDP, die mit ihrem Frontmann | |
Christian Lindner wieder sicher im Landtag gesehen wird, vor allem auf | |
Kosten der CDU. Trotzdem bliebe der SPD nur die große Koalition – „keine | |
inhaltliche Grundlage“ gebe es „für eine Ampel mit der FDP“, machte | |
Löhrmann klar. | |
Röttgen dagegen könnte seinen Rückzug aus der Landespolitik mit einem Rest | |
Würde inszenieren. Der Herausforderer würde sich formell feiern, weil er | |
seine Christdemokraten wieder in die Regierung gebracht hat – so sieht das | |
NRW-Ausstiegsszenario des Rheinländers aus. Bereits 2010 hatte die SPD mit | |
einem rot-schwarzen Bündnis geliebäugelt. Gemeinsame Gespräche scheiterten | |
jedoch, weil der damalige CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers darauf beharrte, | |
Ministerpräsident zu bleiben. | |
Diesmal ist die Ausgangslage anders. CDU-Herausforderer Röttgen kann sich | |
nicht einmal sicher sein, es selbst überhaupt in den Landtag zu schaffen. | |
In Bonn-Beuel tritt er gegen den geerdeten Sozialdemokraten Bernhard von | |
Grünberg an – und der hat seinen Wahlkreis 2010 furios gewonnen. | |
Zwar steht Röttgen auf Platz eins der CDU-Landesliste. Doch in der | |
konservativen Provinz, im Sauer- und im Münsterland dürfte die Union so | |
viele Mandate holen, dass die Liste nicht zieht. Um im Landtag mitreden zu | |
können, müsste Röttgen einen direkt gewählten Parteifreund zum Rückzug | |
zwingen – die Blamage wäre perfekt. | |
## Unterschiede zwischen SPD und CDU schrumpfen | |
Gleichzeitig sind die inhaltlichen Differenzen zwischen Roten und Schwarzen | |
auf Landesebene so gering wie nie. Während die SPD plötzlich ihren | |
Sparwillen bekundet, ist die CDU ist von Forderungen wie der | |
Wiedereinführung der Studiengebühren sowie der Abschaffung der | |
Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr abgerückt. Die Bildung eignet | |
sich ohnehin nach dem „Schulkonsens“ nicht mehr für Grabenkämpfe. Auch in | |
der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sind die Unterschiede trotz aller | |
Wahlkampfrhetorik klein. Und in der in der Industriepolitik stand die SPD | |
der CDU immer näher als den Grünen. | |
Hannelore Kraft dagegen dürfte nicht einmal das seit Monaten kursierende | |
Gerücht schaden, ihre Staatskanzlei und das SPD-geführte | |
Familienministerium habe Autoren des extrem CDU-kritischen „Wir in | |
NRW“-Blogs nach ihrer Wahl mit lukrativen Aufträgen versorgt. Im Wahlkampf | |
2010 war der damalige CDU-Regierungschef in die „Rent a Rüttgers“-Affäre | |
verstrickt. Es ging um käufliche Gespräche mit Jürgen Rüttgers. Die | |
anonymen Blogger befeuerten die Debatte immer wieder mit CDU-internen | |
Informationen. | |
Einer von ihnen sei der Ex-Focus-Mann Karl-Heinz-Steinkühler gewesen, | |
deutet der Stern jetzt an. Er habe nach der Wahl Aufträge in sechsstelliger | |
Summe einkassiert. Steinkühler will seine Bloggerei „weder bestätigen noch | |
dementieren“. Doch ein Zusammenhang lässt sich nicht beweisen. Krafts | |
Sprecher Thomas Breustedt kann die Affäre deshalb einfach weglächen: „Das | |
ist dünne Suppe.“ | |
10 May 2012 | |
## AUTOREN | |
P. Beucker | |
A. Wyputta | |
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