# taz.de -- Öko-Maulkorb zur NRW-Wahl: Der Konflikt kandidiert nicht | |
> Abgesagte Pressekonferenzen, unterdrückte Papiere: Offenbar gängelt das | |
> Umweltministerium seine Behörden. So werden Röttgen Auseinandersetzungen | |
> im Wahlkampf erspart. | |
Bild: Die Parole im Wahlkampf lautet: Stress vermeiden. | |
BERLIN taz | Dass Norbert Röttgens Hauptjob als Bundesumweltminister | |
bisweilen unter seinem Nebenjob als CDU-Spitzenkandidat leidet, ist gut | |
dokumentiert. Bei vielen Terminen – vom EU-Umweltministerrat bis zum | |
Energiegipfel im Kanzleramt – ließ er sich in den letzten Wochen vertreten. | |
Doch offenbar geht der Einfluss des Wahlkampfes auf die Umweltpolitik noch | |
weiter: In mehreren Fällen gibt es deutliche Hinweise, dass das | |
Umweltministerium die Arbeit der ihm untergeordneten Behörden gebremst hat, | |
mit der Folge, dass dem Minister mögliche Konflikte erspart bleiben. | |
Das jüngste Beispiel stammt aus dieser Woche: Am Dienstag plante das | |
Bundesamt für Naturschutz (BfN) eine Pressekonferenz zum Thema | |
Flächenkonkurrenz in Deutschland, also Nutzungskonflikte zwischen | |
Bauprojekten, Landwirtschaft und Naturschutz. | |
Kurz zuvor wurde diese „aus dringenden terminlichen Gründen“ abgesagt. Nach | |
Angaben aus regierungsnahen Kreisen gegenüber der taz ging der Absage eine | |
Intervention der Leitungsebene des Bundesumweltministeriums (BMU) voraus, | |
die auf einer Verschiebung bestand. | |
## Umgang mit Flächenkonkurrenzen | |
Eine Sprecherin des Ministeriums antwortete auf die Frage, ob von dort | |
Einfluss auf die Absage der Pressekonferenz genommen worden sei, lediglich | |
mit dem Satz: „Das BfN macht eigenständige und unabhängige Pressearbeit.“ | |
Der Pressesprecher des BfN, Franz August Emde, bestritt auf Anfrage eine | |
Einflussnahme des Ministeriums; als Grund für die Absage der | |
Pressekonferenz nannte er, dass einige Ergebnisse noch nicht in | |
abgestimmter Form vorlägen. | |
Dies sei wiederum durch eine Terminverschiebung bei der zuständigen | |
Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft bedingt, die fachliche Empfehlungen zum | |
Umgang mit Flächenkonkurrenzen erarbeiten sollte. Zweierlei lässt an diesen | |
Dementis zweifeln: Zum einen bestreitet der zuständige Koordinator des | |
Bund-Länder-Gremius, Rainer Schrader vom thüringischen | |
Landwirtschaftsministerium, dass es dort irgendwelche Terminveränderungen | |
gegeben hat. | |
Zum anderen hatte das BMU ein Motiv, denn die Positionen des BfN hätten | |
womöglich einen Konflikt mit den Landwirten heraufbeschworen– einer | |
klassischen CDU-Wählerschaft. Laut Einladung wollte die Behörde in der | |
Pressekonferenz nämlich auf „zu Unrecht“ erhobene Kritik an jenen | |
Ausgleichsmaßnahmen eingehen, die bei Eingriffen in die Natur gelten. | |
Damit sei unter anderem eine Kampagne des Bauernverbands gemeint, | |
erläuterte BfN-Sprecher Emde. Die Bauern stören sich daran, dass als | |
Ausgleich etwa für Straßen- oder Stromleitungsbau an anderer Stelle Gebiete | |
unter Schutz gestellt würden und so für Landwirtschaft nur eingeschränkt | |
zur Verfügung stünden. | |
## Petition des Bauernverbands | |
Just einen Tag vor der geplanten Pressekonferenz wurde eine entsprechende | |
Petition des Bauernverbands im zuständigen Bundestagsausschuss diskutiert; | |
ein Staatssekretär des Landwirtschaftsminsteriums erklärte dabei, die | |
Regierung teile dessen Ziele. Hätte die zuständige Fachbehörde des | |
Umweltministeriums das anschließend kritisiert, wäre ein offener Konflikt | |
sichtbar geworden. | |
Ähnliche Erfahrungen haben auch schon die beiden anderen Behörden gemacht, | |
die dem Umweltministerium unterstellt sind: Wie die Zeit Ende April | |
berichtete, durfte das Umweltbundesamt ein Papier zur Europäischen | |
Klimapolitik auf Druck des BMU nicht veröffentlichen, in dem eine | |
Verschärfung des EU-Klimaziels gefordert wird. | |
Und Ende März war bekannt geworden, dass das Umweltministerium die | |
Veröffentlichung einer Studie des Bundesamts für Strahlenschutz über | |
unzureichende Katastrophenschutzpläne für Atomunfälle zurückgehalten hatte. | |
11 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Energiegipfel: Sim City für Deutschland | |
In Deutschland wird föderal rumgewurstelt. Was macht es für einen Sinn, | |
wenn Bundesländer ihren Strombedarf komplett selbst decken wollen? Der | |
Energiegipfel bringt wenig Abhilfe. | |
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Wo Röttgen mal recht hat | |
Natürlich wird am Sonntag in NRW auch über Merkels Europakurs abgestimmt: | |
Vom Ergebnis hängt ab, wie weit die Kanzlerin auf die SPD zugehen muss. | |
Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Solarkürzung: Sonnenbrand für Röttgen und Rösler | |
Der Bundesrat hat mit großer Mehrheit gegen die geplante Kürzung der | |
Solarförderung votiert. Nun werden Plankorrekturen bei der von der | |
Bundesregierung beabsichtigten Reform erwartet. | |
Auflagen für Gasförderung abgelehnt: Manöver eines Wahlkämpfers | |
SPD und Grüne drängen auf strengere Rahmenbedingungen für das Fracking – | |
die Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten. Der Umweltminister will | |
erstmal die Sachlage klären. | |
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Das entscheidende Prozent | |
Die Piraten neu im Landtag, die FDP wieder. Kommt die Linke rein, wird es | |
eng für Rot-Grün in NRW. Und die CDU könnte trotz miesem Wahlergebnis | |
mitregieren. | |
Nach Röttgens Ausrutscher: Seid Menschen! Macht Fehler! | |
Wenn wir Politikern wie Norbert Röttgen nicht mehr gestatten sich zu | |
verplappern, reden bald alle wie Merkel-Rhetorik-Automaten. Das sollten | |
auch die Piraten wissen. |