| # taz.de -- Kipping und Riexinger führen die Linke: Keine Demütigung, kein Fr… | |
| > Neben Katja Kipping setzt sich Lafontaine-Mann Bernd Riexinger knapp | |
| > gegen Dietmar Bartsch als Linken-Chef durch. Damit dürfte der Flügelkampf | |
| > aber kaum vorüber sein. | |
| Bild: Mehrfach quotierte Doppelspitze: Kipping und Riexinger. | |
| GÖTTINGEN taz | Rhetorisch, sagt Katja Kipping in ihrer Bewerbungsrede, | |
| könne sie mit Gregor Gysi und Oskar Lafontaine „nicht mithalten“. Und: „… | |
| Wettbewerb in Lautstärke werde ich nicht gewinnen, aber für einen Wechsel | |
| der Tonlage sorgen.“ Es sind solche nachdenklichen Töne, die ihr das Amt | |
| der Pateichefin beschert haben. 67,1 Prozent der 550 Delegierten in | |
| Göttingen wollten sie, nur 29,3 die Hamburgerin Dora Heyenn. | |
| Alle, auch die Flügelfiguren, hatten an die Vernunft und Zusammenhalt | |
| appelliert. Doch Kipping hat es verstanden selbst eine Art Mitte zu | |
| verkörpern. Ost und West, sagt Kipping, sei für ihre „Generation einfach | |
| nicht mehr so wichtig“. Sie wohnt in Westberlin und Dresden. Raus aus den | |
| alten Schützengräben, das ist ihre Botschaft. | |
| Jung, unabhängig, kreativ, mit diesem Image ist Kipping Parteichefin | |
| geworden. Die 34-Jährige hat eine rasante, steile Parteikarriere gemacht. | |
| 1999 war sie die jüngste PDS-Stadträtin in Dresden und auch die jüngste | |
| Landtagsabgeordnete. 2003 schon Vize-Chefin der PDS. Sie ist auch mit der | |
| außerparlamentarischen Bewegung, dem Netzwerk Grundeinkommen und den | |
| Anti-Hartz-IV-Protesten, vernetzt. Und sie hat sich aus dem Streit zwischen | |
| Realos und Fundis klug herausgehalten. Das zahlt sich jetzt aus, auch | |
| deshalb ihr eindeutiger Sieg über die moderate West-Linke Dora Heyenn. | |
| Kipping hat sich als Lösung jenseits der Lager präsentiert: wählbar für | |
| Ost-Reformer, die ihren offenen Blick auf die Gesellschaft schätzen, und | |
| für West-Radikale, die sie für ausreichend SPD-fern halten. Bei den | |
| Westlinken hat Kipping wohl auch ihr Zeit-Bündnis mit der NRW-Linken | |
| Katharina Schwabedissen genutzt, die am Samstag-Abend ihre Kandidatur | |
| zurückzog – wohl aus Druck vom linken Flügel, die lieber einen | |
| Gewerkschafts-Mann an der Spitze wollte. | |
| ## Riexinger hält eine Gewerkschafter-Rede | |
| Nämlich Bernd Riexinger, Verdi-Geschäftsführer in Stuttgart und Favorit des | |
| Lafontaine-Lagers. Riexinger rief bei seiner Bewerbungsrede in den Saal: | |
| „Wir müssen parlamentarische und außerparlamentarische Arbeit verbinden.“ | |
| Und: „Das können nicht die Grünen, das kann nicht die SPD, das können nur | |
| wir.“ Riexinger tut, was man von ihm erwartet: Er hält eine | |
| Gewerkschafter-Rede, laut und kämpferisch. Er klingt ein wenig wie Klaus | |
| Ernst, nicht nur wegen des süddeutschen Idioms. | |
| Allerdings wirkt Riexinger weniger derb als der Ex-Parteicehf Ernst. Er | |
| geißelt Lohndumping, die Ausbeutung der Schlecker-Frauen, der Putzfrauen | |
| und Lkw-Fahrer. Was heute Leiharbeiter seien, wären im Frühkapitalismus die | |
| Tagelöhner gewesen. „Der Empörung der Ausgebeuteten muss die Linke eine | |
| unüberhörbare Stimme geben“, ruft er mit sich fast überschlagender Stimme. | |
| Die meisten West-Landesverbände applaudieren euphorisch, schwenken Fahnen, | |
| die meisten Ost-Landesverbände reagieren reserviert. | |
| Riexinger bekommt 53,1 Prozent, sein Gegenkandidat Dietmar Bartsch 45,2. Es | |
| ist knapp. Hat die Linkspartei damit nun eine Führung, die ihren Zwist | |
| beenden wird? | |
| ## Wagenknecht zieht zurück | |
| Zuvor hatte Sahra Wagenknecht erklärt, warum sie nicht antritt. Sie wolle | |
| „die Polarisierung nicht auf die Spitze treiben“ und „den Showdown | |
| vermeiden“. Will sagen: die mit einem Sieg über Dietmar Bartsch verbundene | |
| Demütigung der Ostpragmatiker vermeiden. | |
| Moderate Westlinke versuchen das Team Kipping und Riexinger nun als | |
| „gesichtswahrende Lösung“ zu deuten. Doch bei den Ostpragmatikern brodelt | |
| es. Die „Ich-AG Kipping“ habe de facto Bartschs Chancen zerstört, heißt es | |
| dort. Besonders regt die Ost-Realos auf, das Schwabedissen so kurzfristig | |
| ihre Kandidatur zurückzog. Man argwöhnt, dass das strömungsunabhängige | |
| Frauenduo nur ein Trick war, damit am Ende das Lafontaine-Lager bekommt, | |
| was es wollte: Kipping und Riexinger. Und auf keinen Fall Bartsch. Das | |
| klingt nicht so, als wäre mit dieser Führung der Kleinkrieg beendet. | |
| Kipping räumte ein, dass es auch durch ihr Kandidatur „menschliche | |
| Verwerfungen gab“. Sie kann, lobte der Bündnisgrüne Wolfgang | |
| Strengmann-Kuhn kürzlich gegenüber der taz, als Vorsitzende des | |
| Bundestagsusschusses Arbeit und Soziales gut moderieren.“ | |
| Das wird sie in ihrem neuen Job als Chefin der zerstritten Linkspartei auch | |
| müssen. Erstmal Richtung Osten. | |
| 2 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Chef der NRW-Linken: „Letzte Warnung der Wähler“ | |
| Rüdiger Sagel, neuer Chef der Linken in Nordrhein-Westfalen, über verlorene | |
| Wähler, austretende Mitglieder, zerlegte Fraktionen – und | |
| Regierungsoptionen. | |
| Neustart der Linkspartei: Riexinger und Kipping mit leisen Tönen | |
| Das neue Führungsduo der Linken setzt auf Genossenschaften, deutliche Worte | |
| gegen den Fiskalpakt und mehr Kommunikation mit der Parteibasis. Doch es | |
| wird wieder krachen. | |
| Dietmar Bartsch über Linke nach Parteitag: „Die Kluft ist sehr tief“ | |
| Nach dem Scheitern seiner Kandidatur für den Parteivorsitz beklagt Dietmar | |
| Bartsch die „Kulturlosigkeit der Auseinandersetzung“ bei den Linken. Eine | |
| Spaltung lehnt er ab. | |
| Linke-Parteichef Bernd Riexinger: Der Gewerkschafter, der Bartsch schlug | |
| Im neuen Führungsduo der Linkspartei ist er der Westlinke: Bernd Riexinger, | |
| Schwabe und Freund sozialer Bewegung, setzt auf außerparlamentarische | |
| Politik. | |
| Linke-Parteichefin Katja Kipping: Unangepasst jenseits der Strömungen | |
| Im neuen Führungsduo der Linkspartei ist sie die Ostlinke: Die neue | |
| Parteichefin Katja Kipping will Flügelkämpfe überwinden und neue | |
| Reformideen verwirklichen. | |
| Kommentar neue Führung Linkspartei: Die Zeit der Überfiguren ist abgelaufen | |
| Die neue Spitze der Linkspartei ist grüner und sozial bewegter. Kipping und | |
| Riexinger werden die Last auf viele Schultern verteilen müssen. Darin liegt | |
| Schwäche und Chance zugleich. | |
| Linken-Parteitag wählt neuen Vorstand: Offenes Rennen im Reparaturschuppen | |
| Mit der Wahl einer neuen Führung will die Linkspartei aus der Krise kommen. | |
| Der Ausgang gilt als völlig offen. Zunächst wird aber über konkurrierende | |
| Leitanträge debattiert. | |
| Vorstandswahl der Linkspartei: Wahl mit vielen Spitzen | |
| Elf Linke-Politiker wollen am Samstag Parteichef werden: Unter ihnen sind | |
| Gewerkschafter, Pragmatiker und Feministinnen. Die taz stellt sie vor. | |
| Wolfgang Neskovic über Linke-Vorstand: „Ich bin für Kipping und Wagenknecht… | |
| Obwohl sie nicht will, plädiert Linke-Politiker Wolfgang Neskovic für Sahra | |
| Wagenknecht als Parteichefin. Gemeinsam mit Kipping würde sie eine | |
| überzeugende Spitze bilden. | |
| Vorstandswahl der Linkspartei: Wagenknecht empfiehlt Kipping | |
| Katja Kipping und Bernd Riexinger sollen die Linkspartei anführen, so | |
| empfiehlt es Vizechefin Sahra Wagenknecht. Das Duo werde ein | |
| „Integrationsangebot“ für die Partei sein. | |
| Kipping und Schwabedissen für die Linke: Böcke sollen sich vom Acker machen | |
| Katja Kipping und Katharina Schwabedissen kandidieren als weibliche | |
| Doppelspitze für die Linkspartei. Ein „festes Paket“ haben die beiden noch | |
| nicht. |