# taz.de -- Chef der NRW-Linken: „Letzte Warnung der Wähler“ | |
> Rüdiger Sagel, neuer Chef der Linken in Nordrhein-Westfalen, über | |
> verlorene Wähler, austretende Mitglieder, zerlegte Fraktionen – und | |
> Regierungsoptionen. | |
Bild: Nach der Wahlniederlage versucht die Linke in NRW den Neustart. | |
taz: Herr Sagel, ist die Linke noch zu retten? | |
Rüdiger Sagel: Nach der verlorenen Landtagswahl sind wir hier in | |
Nordrhein-Westfalen sicherlich in einer schwierigen Situation: Nur 2,5 | |
Prozent der Wählerinnen und Wähler haben uns ihre Stimme gegeben. Aber ich | |
bleibe optimistisch: Unser Potenzial ist viel größer – schließlich leiden | |
Millionen Menschen unter immer größerem Sozialabbau. | |
Bedroht ein derart miserables Ergebnis hier in Nordrhein-Westfalen, wo mehr | |
Menschen leben als in ganz Ostdeutschland, im kommenden Jahr nicht auch den | |
Wiedereinzug in den Bundestag? | |
Auch in unserem Landesverband gab es viel Streit: zwischen den | |
verschiedenen Strömungen der Linken ebenso wie zwischen Einzelnen. Das kam | |
natürlich nicht gut an, doch ist jetzt hoffentlich beendet. In den | |
kommenden Monaten bis zur Bundestagswahl müssen wir die Partei nun | |
inhaltlich stärker profilieren und modernisieren sowie den Parteiaufbau | |
vorantreiben. | |
Auf welche Inhalte setzen Sie? | |
Wir müssen die Folgen der Sparpolitik in Bund und Land viel deutlicher | |
machen. Hier in Nordrhein-Westfalen setzen jetzt SPD und Grüne die | |
Schuldenbremse um, im Bund alle gemeinsam den Fiskalpakt. In NRW bedeutet | |
dies die Schließung von Stadtbüchereien und Schwimmbädern und es fehlt an | |
Kinderbetreuung. Wir stehen deshalb für mehr Einnahmen, für | |
Steuergerechtigkeit, für eine Millionärssteuer. | |
Sie haben nicht nur über 200.000 WählerInnen, sondern auch über 1.000 | |
Mitglieder verloren. Was bedeutet da „Parteiaufbau“? | |
Wir hatten eine Menge Probleme: Viele Leute haben die Partei verlassen. Und | |
es stimmt: Ganze Stadt- und Gemeinderatsfraktionen haben sich zerlegt. | |
Diese Streitigkeiten müssen aufhören. Und dann müssen wir vor Ort, in den | |
Stadtteilen, in den Betrieben, um neue Mitglieder werben. Im Osten wissen | |
die Leute, dass sie sich darauf verlassen können, dass sich die Linke um | |
ihre Probleme kümmert. Da müssen wir auch hin. | |
Außerdem hat der Machtkampf zwischen Hardlinern und Reformern die | |
Bundespartei über Monate gelähmt. Sind Sie nicht wütend über die mangelnde | |
Unterstützung aus Berlin? | |
Der Streit auf Bundesebene war alles andere als hilfreich, klar. Alle Teile | |
der Partei haben aber erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Wir | |
müssen konstruktiv und solidarisch zusammenarbeiten. Allen inhaltlichen | |
Diskussionen zum Trotz müssen wir nach außen viel geschlossener auftreten | |
und klarmachen, dass es keine rechte oder linke Politik der Linkspartei | |
gibt. Unsere Niederlage hier in NRW war eine letzte Warnung der | |
WählerInnen. Viele weitere Chancen wird die Linke nicht bekommen. | |
Sie selbst gelten manchen als Parteirechter. | |
Eben nicht, ich war und bin immer ein Garant für glaubwürdige linke | |
Politik. Im Landtag habe ich die unsoziale Sparpolitik von SPD und Grünen | |
deutlichst kritisiert. Ich bin Mitglied bei Attac, engagiere mich in der | |
Flüchtlingshilfe. | |
Trotzdem bleibt die Kernfrage: Wie halten Sie es mit den Sozialdemokraten? | |
Bei aller Enttäuschung hat Ihr Landesverband gerade beschlossen, | |
„Regierungsoptionen“ mit SPD und Grünen offenzuhalten. | |
Momentan will die SPD im Osten nicht mit der Linken koalieren. Im Westen | |
wollen sie uns sogar überflüssig machen. Deshalb stellt sich die Frage nach | |
Koalitionen momentan konkret nicht. Trotzdem müssen wir bereit sein – wenn | |
es in die richtige Richtung geht. | |
8 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Führungsstreit in der Linkspartei: Zwei Männer auf Romantiktour | |
Die Spitzenpolitiker der Linkspartei, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, | |
wollen offiziell ihren Streit beenden – und inszenieren dazu einen | |
Schulterschluss. | |
Landesparteitag der NRW-Linken: Linkspartei rückt nach rechts | |
Sechs Wochen nach dem Wahldebakel wählt die Basis den Ex-Grünen Rüdiger | |
Sagel zum neuen Landeschef. Dieser gilt als „strömungsunabhängiger | |
Parteirechter“. | |
Kipping und Riexinger führen die Linke: Keine Demütigung, kein Frieden | |
Neben Katja Kipping setzt sich Lafontaine-Mann Bernd Riexinger knapp gegen | |
Dietmar Bartsch als Linken-Chef durch. Damit dürfte der Flügelkampf aber | |
kaum vorüber sein. | |
Spitzenkandidatin der NRW-Linken: Eloquent im trostlosen Hinterhof | |
Ihrer Partei droht das Scheitern an der 5-Prozent-Hürde. An der | |
Spitzenkandidatin der NRW-Linken, Katharina Schwabedissen, kann das nicht | |
liegen. |