# taz.de -- Landesparteitag der NRW-Linken : Linkspartei rückt nach rechts | |
> Sechs Wochen nach dem Wahldebakel wählt die Basis den Ex-Grünen Rüdiger | |
> Sagel zum neuen Landeschef. Dieser gilt als „strömungsunabhängiger | |
> Parteirechter“. | |
Bild: Der Ex-Grüne Rüdiger Sagel ist neuer Landeschef der NRW-Linken. | |
MÜNSTER taz | Gestritten und gekämpft wird bei der Linkspartei in | |
Nordrhein-Westfalen schon seit Wochen. Wer trägt die Verantwortung für das | |
Desaster vom 13. Mai? Miserable 2,5 Prozent hatten die Linken bei der | |
Landtagswahl eingefahren, damit gegenüber 2010 die Hälfte ihrer WählerInnen | |
verloren. Die Partei war aus dem Düsseldorfer Landtag geflogen, jetzt droht | |
der Sturz in die Bedeutungslosigkeit. | |
Entsprechend heftig sind die Vorwürfe, die der bisherige, von Hardlinern | |
der Parteiströmung der „Antikapitalistischen Linken“ (AKL) dominierte | |
Landesvorstand sich von den Basisdelegierten beim Landesparteitag am | |
Wochenende in Münster anhören muss: Viele Vorstände hätten sich selbst im | |
Wahlkampf „aus der Parteiarbeit zurückgezogen“. | |
Kernthemen seien vergessen worden, intern herrsche ein aggressives Klima, | |
das gerade Frauen von einem Engagement abhalte. | |
## Agrressives Klima | |
„Schrecklich“ sei die Zusammenarbeit auch im Landtag gewesen, erzählt ein | |
Ex-Abgeordneter. Hardliner und Vertreter der gemäßigten „Sozialistischen | |
Linken“ (SL) hätten sich monatelang blockiert, der im Osten Deutschlands | |
breit vertretene Reformerflügel des „Forums Demokratischer Sozialismus“ | |
spielt in NRW keine Rolle. Nicht einmal die Ablehnung einer | |
außerplanmäßigen Diätenerhöhung um 500 Euro monatlich sei Konsens gewesen. | |
Katharina Schwabedissen steht im Foyer der „Halle Münsterland“ und | |
verteidigt sich. „Ich persönlich bin ganz bestimmt nicht schuld an der | |
Niederlage“, sagt die bisherige Landesparteichefin zur taz. | |
## Kein Anhängsel | |
Zusammen mit ihrem Sprecherkollegen Hubertus Zdebel tritt sie nicht zur | |
Wiederwahl an. Ein Grund für das Wahldebakel sei „mangelnde | |
Öffentlichkeitsarbeit“, sagt die zur AKL zählende Schwabedissen: „Wir hab… | |
nicht klargemacht, dass die Linke mehr als ein Anhängsel von Rot-Grün ist.“ | |
Trotzdem wird der Parteitag zu einer Abrechnung mit der AKL. Zwar räumt der | |
neue Bundesparteichef Bernd Riexinger ein, der monatelange Machtkampf | |
zwischen Hardlinern und Reformern habe den NRW-Wahlkampf behindert. | |
Zwar stimmt Katja Kipping, die andere neue Bundeschefin, die GenossInnen | |
auf dauerhaften Widerstand gegen den Fiskalpakt ein. Trotzdem votiert die | |
Basis für einen Antrag, der bei aller Enttäuschung über die | |
Sozialdemokraten „rot-rot-grüne Regierungsoptionen“ offenhalten will. | |
## Schon vor der Wahl gescheitert | |
Auch personell verliert die AKL. Ihre KandidatInnen Karina Ossendorff und | |
Michael Aggelidis scheitern schon im ersten Wahlgang. Gewählt werden | |
stattdessen Gunhild Böth, die der SL nahesteht, und der Ex-Grüne Rüdiger | |
Sagel. Letzterer gilt manchen als „strömungsunabhängiger Parteirechter“. | |
Grund dafür ist der Frust vieler Delegierter über die Macht der Strömungen: | |
Obwohl nur 20 Prozent der Basis in ihnen organisiert seien, maßten sich AKL | |
und SL an, den Delegierten Vorschläge zu machen, wer zu wählen sei, klagen | |
viele. | |
Sagel selbst wirkt in Münster überwältigt von seinem schnellen Sieg. Nun | |
will er die „Inhalte nach vorn bringen“, den „innerparteilichen Streit | |
beenden“. | |
Sagel mahnt: „Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl“ – und ein erneut | |
miserables Ergebnis im bevölkerungsreichen NRW gefährdet angesichts der | |
auch im Osten schwächelnden Partei selbst den Wiedereinzug in den | |
Bundestag. | |
1 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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