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# taz.de -- Linken-Parteitag wählt neuen Vorstand: Offenes Rennen im Reparatur…
> Mit der Wahl einer neuen Führung will die Linkspartei aus der Krise
> kommen. Der Ausgang gilt als völlig offen. Zunächst wird aber über
> konkurrierende Leitanträge debattiert.
Bild: Es ist angerichtet: Linksparteiler vor der Lokhalle in Göttingen.
GÖTTINGEN taz | Es ist ein symbolträchtiger Ort, an dem die Linkspartei an
diesem Wochenende ihre seit Monaten schwelende Führungskrise beenden will:
eine alte Lokhalle im niedersächsischen Göttingen. Erst kürzlich hatte die
derzeitige Vizevorsitzende Katja Kipping den Streit zwischen den Flügeln
als heilloses Aufeinanderzurasen von zwei D-Zügen illustrierte. Auch das
parteinahe Neue Deutschland nannte es so „symbolisch wie hilfreich“, dass
sich die Delegierten in einem ehemaligen Reparaturschuppen für
Schienenwagen treffen.
Ob eine Runderneuerung der Partei gelingt, gilt vielen hier jedoch am
Samstagmorgen als völlig offen. Seit Freitagabend haben die diversen
Strömungen der Linken über ihre Parteitagsstrategie beraten, in kleinen
Gruppen diskutierten Delegierte vor der Lokhalle. Wird es am Ende eine
reine Frauen-Doppelspitze geben? Kandidiert Fraktionsvize Sahra Wagenknecht
doch noch für den Vorsitz? Ziehen andere Bewerber zurück – und was heißt
das für das Personaltableau, das die Partei wieder auf die Erfolgsspur
führen soll?
Ob am Sonntagabend noch alle Wagen am sprichwörtlichen Linken-Zug hängen,
wollte auch Gregor Gysi vor dem Delegiertentreffen nicht garantieren.
„Entweder es gelingt ein Neubeginn oder es endet in einem Desaster“, hatte
der Fraktionsvorsitzende am Freitag in der Süddeutschen Zeitung gesagt.
Selbst eine Spaltung wollte er nicht ausschließen. Ihm widersprach Dietmar
Bartsch, der frühere Bundesgeschäftsführer, der im Streit der Linken als
Widersacher von Oskar Lafontaine galt und auf einen der beiden Chefsessel
hofft.
Kurz vor dem Parteitag hat Sabine Zimmermann, eine der mindestens zehn
BewerberInnen für den Vorsitz, noch einmal Öl ins innerparteiliche Feuer
gegossen. Die Linkspartei drohe im Strudel der Strömungen unterzugehen,
warnte die Bundestagsabgeordnete und hatte den Schuldigen bereits gefunden:
„So weit haben es die Funktionäre aus den Ost-Landesverbänden bereits
kommen lassen. Eine Schande“, wird die Gewerkschafterin in der Leipziger
Volkszeitung zitiert.
## Lernen von den Griechen
Zimmermanns Vorwurf fand am Samstagmorgen nicht nur Beifall. Wen immer man
allerdings fragte, wie der Parteitag ausgehen wird, man erntete
Schulterzucken. Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko hofft, „dass die
Partei sich trotz aller Auseinandersetzungen richtig aufstellt, um die
anstehenden Aufgaben zu lösen“. Man könne vom Aufschwung linker Parteien in
Frankreich, den Niederlande und Griechenland „lernend anknüpfen“.
Linken-Vorstand Niema Movassat hatte sich „mit sehr gemischten Gefühlen auf
dem Weg“ nach Göttingen gemacht. „Eine Partei sollte nicht vergessen, dass
sie nicht zur Selbstbespaßung da ist, sondern um den Interessen derjenigen
Gehör zu verschaffen, die ihr ihr Vertrauen geschenkt haben.“
Es ist dies auch ein Hinweis auf den inzwischen deutlich abgeschmolzenen
Zuspruch bei den Wählern. 2009 votierten bei den Bundestagswahlen immerhin
noch über fünf Millionen Menschen für die Partei; derzeit droht der Linken
in bundspolitischen Umfragen sogar das Scheitern an der Fünfprozent-Hürde.
Auch bei den zurückliegenden Landtagswahlen steckte die Partei Niederlagen
ein. Sie habe aus ihrem Berliner Wahlkreis denn auch einen Auftrag
bekommen, sagt Bundestagsvize Petra Pau: „Sorgen Sie dafür, das man die
Linke wieder wählen kann.“
## Der doppelte Leitantrag
Bis dahin dürfte es noch ein weiter Weg sein. Zunächst stehen am Samstag
die Debatte über den Leitantrag des alten Vorstandes auf der Tagesordnung.
Das Papier konkurriert mit einem Alternativpapier, das vor allem von
ostdeutschen Linken eingebracht wurde.
Vor der Generaldebatte forderte ein Delegierter, die Abstimmung über die
beiden Anträge zu streichen – es dürfe keinen „Kampfbeschluss“ über die
inhaltliche Ausrichtung der Partei geben, nach Monaten des Konflikts solle
das Delegiertentreffen ein Signal der Solidarität setzen. Überdies liege
mit dem im vergangenen Herbst beschlossenen Erfurter Programm ein von einer
großen Mehrheit der Partei getragener inhaltlicher Kompromiss bereits vor.
Die Delegierten setzen sich über das Ansinnen jedoch hinweg. In der
Debatte, die am späteren Mittag beginnen sollte, wird auch der
saarländische Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine das Wort ergreifen. Von
seiner Rede wird auch ein Signal für die für den Abend angesetzte Wahl der
neuen Parteispitze erwartet.
## Riexinger fordert Bartsch heraus
Der frühere Linkenchef hatte sich aus dem Machtkampf um den Vorsitz
zurückgezogen – und den baden-württembergischen Landeschef Bernd Riexinger
zu einer Kandidatur aufgefordert. Der ver.di-Gewerkschafter geht als
Bewerber des linken Lagers gegen Bartsch ins Rennen, der vor allem von den
Reformern unterstützt wird. Ob es überhaupt Männer in der kommenden
Doppelspitze geben wird, ist allerdings offen.
Neben Bartsch und Riexinger sowie einigen chancenlosen männlichen
Kandidaten treten Katja Kipping und die nordrhein-westfälische
Landesvorsitzende Katharina Schwabedissen für eine Frauen-Doppelspitze an.
Außerdem kandidieren die Hamburger Fraktionschefin Dora Heyenn und Sabine
Zimmermann. Viele Delegierte erwarteten am Samstagmorgen zudem, dass auch
Sahra Wagenknecht kurzfristig ihren Hut in den Ring wirft – sie selbst
hatte das zuletzt als „Notvariante“ bezeichnet.
Wie auch immer der Wahlparteitag ausgeht – für die Sozialdemokraten soll
sich im Verhältnis zur Linken nichts ändern. Auf Bundesebene bleibe die
„für die SPD keine Option“, zitiert der Focus den SPD-Vorsitzenden Sigmar
Gabriel. Die Linke sei „eine in sich zerrissene, zutiefst gespaltene
Partei, deren innere Widersprüche durch den Abgang von Lafontaine nicht
beseitigt sind“. Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführ…
der SPD-Fraktion im Bundestag: Man nehme die Linke als Partner nicht einmal
geschenkt.
2 Jun 2012
## AUTOREN
Tom Strohschneider
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