# taz.de -- Computerspiel Uefa Euro 2012: Da ist ja noch ein Papadopoulus | |
> Eine Playstation, ein Fußball-EM-Spiel, ein Kasten Bier und dann steht | |
> der Europameister fest. Protokoll eines Alptraums. | |
Bild: So schön hätte die deutsche Mannschaft gejubelt. | |
Tipprunden, Wettquoten, lebende Orakel oder Fußballstatistiken - viele | |
Möglichkeiten, das Unwägbare begreiflicher zu machen: Wer schneidet bei der | |
Europameisterschaft wie ab? Da wollten wir nicht mittun, gegen Esoterik, | |
Tratsch und Zahlenhuberei hilft nur die Empirie. Also: selbst spielen. | |
Sechs Stunden Zeit, vier Journalisten, zwei Controller, eine Playstation, | |
das Fußball-EM-Spiel Uefa Euro 2012 und ein Kasten Bier. | |
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Die Zuschauer sind ungeduldig, weil Griechenland ewig zum Ändern der | |
Grundeinstellungen braucht: „Geschwindigkeit muss auf 100, Flanken auf 65 - | |
auf Hüfthöhe sind die gefährlich“. Polen: „Klingt nach Spielabbruch.“ | |
Griechenland: „Das ham die noch von Otto.“ Das Spiel läuft, erste | |
Großchance nach zwei Minuten. Polen drängt, der griechische Torhüter ist | |
da. Die Anspannung steigt, Grunzgeräusche. „Ich denke, du hast | |
Schnelligkeit auf 100 gestellt?“ - „Deswegen sind die ja schon platt“. | |
Ständig drückt jemand die falsche Taste, das Bild ist dann kurz weg. | |
Polen würde zur Halbzeit gerne sein Spielsystem wechseln, bekommt es aber | |
nicht hin. Die Griechen haben in der 55. Minute eine Riesenchance, geredet | |
wird nicht mehr: „Muss mich konzentrieren jetzt.“ Dann plötzlich: Tor in | |
der 74. Minute - Fetfatzidis! Polen: „Die setzen nicht das um, was wir vor | |
dem Spiel besprochen haben.“ Ergebnis: 1:0. Allgemeines Gelächter über den | |
griechischen Sieg. | |
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Auf Provokation wird verzichtet, Niederlande: „Wir spucken gleich“. | |
Deutschland spielt in den neuen grün-weißen Trikots. Niemand erhebt sich zu | |
den Nationalhymnen. Özil hat wieder diesen für ihn typischen depressiven | |
Blick, Neuer hält grandios gegen Huntelaar, Holländer schinden Zeit, van | |
Bommel verliert den Ball. Özil macht ihn halbhoch links rein: 1:0. | |
Wechsel in der Pause, Gomez für Klose, Mertesacker - „Warum ist der nicht | |
auf dem Platz?“ - für Badstuber. Niederlande entdecken Robben auf der Bank, | |
er kommt für Kuyt. Hektisch werden fünf Tasten gleichzeitig gedrückt, | |
obwohl eine reicht. Das Spiel wird härter, Niederlande stärker. Gomez | |
trifft nicht, Niederlande will eine Rauchpause. Gomez raus, Reus rein. „Das | |
ist ja so bitter für jeden Spieler“, sagt der Kommentator zu Gomez' | |
Auswechslung. Niederlande mit 57 Prozent Ballbesitz. Konter in der | |
Nachspielzeit. Reus läuft frech mit dem Ball über die Linie - 2:0! | |
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Irland zur Aufstellung: „Ich kenn die doch alle nicht.“ Italien „lässt d… | |
so.“ Irland stellt Manndeckungen ein. Italien holt sich taktische | |
Anweisungen von den Iren: „Passen is fürn Arsch“. Plötzlich ein Elfmeter | |
für Italien - verschossen. Italien: „Ich hab doch noch gar nicht gedrückt.�… | |
2. Halbzeit: Riesenchance für die Iren! Riesenchance für Italien! Aus dem | |
Nichts ein Elfmeter für Irland in der 70. Minute - gehalten! „Jetzt wird's | |
ein Gehacke.“ Italien singt Howard Carpendales Italo-Hit „Ti amo“. 80. | |
Minute, der irische Innenverteidiger Darren O'Dea zimmert den Ball unter | |
die Latte. 87. Minute, Balotelli zieht flach ab! 1:1 steht's am Ende, beide | |
Teams scheiden aus. | |
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Ukraine: „Gewechselt wird nicht. Da ist nix mehr - alle im Gefängnis.“ | |
Frankreich: „Schön verschieben, alles verschieben.“ Danach Schweigen, ein | |
sanftes Ohoh, ein Tsssss. 14. Minute: Giroud macht ein Tor. Ukraine: „Die | |
machen immer Pässe, ohne dass ich drücke.“ Gelb für Nasri. Frankreich: „… | |
war nix.“ Ukraine: „Kann man ja trotzdem geben.“ Zerfahrenes Spiel, Ukrai… | |
wechselt, Malinskyi geht allein aufs Tor, schießt den Torwart an, legt nach | |
und der Ball kullert rein. | |
Halbzeit: Malinskyi trifft zum 2:1 - Ukraine: "Wenn ich ein Tattoo hätte, | |
ich würde es jetzt küssen." Eigentor des französischen Torwarts, 3:1. Kurz | |
später das 4:1. Ukraine: "Frankreich könnt mir mal ein Bier holen." | |
Malinskyi macht sein viertes Tor - 5:1. Malinskyi wird in Manndeckung | |
genommen, "bisschen spät". Djelic, 6:1. | |
Ins Viertelfinale kommen: Griechenland, Deutschland, Ukraine, Tschechien, | |
Portugal, Spanien, Kroatien und England. | |
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Neuauflage des EM-Finales von 2004. Die Spielmusik wird schlimmer, sie | |
klingt, wie man sich griechisch-portugiesischen Pop vorstellt. Ronaldo | |
sitzt auf der Bank. Griechenland „rührt schon mal Beton an.“ Zerfahrener | |
Auftakt, Portugal mit Frustfouls. Papadopoulos macht das 1:0 - 40. Minute. | |
2. Halbzeit, die Portugiesen schießen drüber, schweigen und machen dann ein | |
Tor. Abpfiff, Verlängerung. Griechenland kontert, Papadopulos macht ihn | |
rein, die Daumen schmerzen vom Umgang mit dem Controller. Griechenland | |
wechselt: "Da ist ja noch ein Papadopoulus." Abpfiff. Griechenland im | |
Halbfinale. Jetzt lacht niemand mehr. | |
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Neuauflage des EM-Finales von 1996. Deutschland: „Von deutschem Boden darf | |
nie wieder ein Badstuber ausgehen“. Tschechien verweigert den Handschlag. | |
Schmelzer trifft gleich den Pfosten. Klose alleine - 1:0, ohne Firlefanz. | |
Tschechen fummeln rum. Eine Minute später, Klose, 2:0. Rosicky, 20 Meter | |
drüber. Klose schiebt zum 3:0 ein, Khedira zum 4:0 - Pausenstand. Reus | |
kommt für Müller, 5:0 Klose, Kommentator: „Das macht Spaß!“ - Tschechien: | |
„Von wegen“. Klose 6:0 - alle lachen. Klose 7:0, 8:0 Özil. Tschechien nöl… | |
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„Rache für die Armada“ - „Sink them bastards“: Schon vor dem Spiel koc… | |
die Emotionen. England: „Haste dat Pochen gehört, datt war der Pfosten“. | |
Schweigen, offene Münder, 1:0, Xavi. Elfer Spanien, 2:0 Xabi Alonso. | |
England: „Puyol, wenn ich die Matte schon seh“. Spanien: „Ich werd | |
Europameister“. 3:1, Iniesta, 4:1, Iniesta, 2:4 Rooney: „Uuuiii!“ | |
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Spanien dribbelt, Griechenland kontert: „Viel zu offensiv, schon dreimal | |
über der Mittellinie.“ Torchancen für beide. Spanien: „Weg, Griechen, weg… | |
0:0 zur Pause. Spanien: „Immer dieser Papadingsda.“ | |
0:0 nach 90 Minuten, Elfmeterschießen. Falscher Knopf gedrückt, statt | |
Elfern gibt's zweimal 45 Minuten Verlängerung. Tziolis schießt das 1:0 - | |
aus Versehen. Arbeloa schießt das Tor des Turniers, drei griechische | |
Verteidiger und der Torwart hatten sich gegenseitig ausgeknockt - 1:1. 2. | |
Halbzeit der Verlängerung läuft alleine - rauchen. Elfmeterschießen: 1:0 | |
Saitaridis, 1:1 Iniesta, Casillas zappelt, Ninis trifft: 2:1, Spanier | |
rutscht aus - daneben. 3:1 für Griechenland, Pique in den Abendhimmel, | |
Maniatis in Casillas Arme, Puyol sicher: 3:2. Matchball: Casillas hält | |
Kones Elfer! Cesc Fabregas, wieder drüber! Griechenland tut so, als ob es | |
sich freut. Deutschland gewinnt im zweiten Halbfinale gegen Ukraine. | |
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Griechenland darf nicht gewinnen, ein Murren geht durch den Raum. Doch Kone | |
trifft schon früh und freut sich auch noch. Sogar Badstuber spielt mit, | |
auweia! 30 Minuten vorbei und die Griechen spielen auf Zeit. 1:0 zur Pause. | |
Deutschland wechselt: Schürrle für Podolski, Ungerer für Söhler. Mesut Özil | |
gegen die Griechen, gegen den Erzfeind. Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Der | |
Tod ist Europameister! Griechenland rächt sich an Europa auf die denkbar | |
grausamste Art. „Man ist schon peinlich berührt“, sagt selbst der, der | |
Griechenland zum Sieg gespielt hat. Wir fahren das System runter. | |
5 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
F. Böger | |
J. Scheper | |
M. Söhler | |
K. Ungerer | |
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