Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Warschau vor Beginn der EM: Noch schnell „Propaganda“ kaufen
> In Warschau ist die Metro nicht fertig, viele Straßen sind noch nicht
> passierbar. Die Menschen kümmert's kaum. Nur die Angst vor pinkelnden
> Fans ist noch da.
Bild: Die Vorfreude auf die EM ist in Warschau angekommen.
WARSCHAU taz | Baulärm, Nieselregen und hunderte blaue Plastikklos, die nun
die Stadt verschandeln, raubten den Warschauern in den vergangenen Wochen
den letzten Nerv. Viele verfluchten die Fußball-Europameisterschaft.
Mitte dieser Woche endlich klarte der Himmel mal kurz auf, so blau und
strahlend, als wollte er die Warschauer für den angestauten Frust
entschädigen. Zwar ist die Metro noch nicht fertig, die wichtigsten Straßen
sind noch immer nicht passierbar, aber das ist jetzt alles egal. Auch egal,
dass es wieder grau ist.
Im „Propagandaladen“ an der Okopowa-Straße bimmelt die altmodische
Ladenglocke ununterbrochen. „Ich hätte gerne eine polnische Flagge fürs
Autofenster links“, sagt Piotr Lubinski und schaut sich in dem kleinen, mit
Nationalsymbolen vollgestopften Lädchen um. „Ist die für den
Außenspiegel?“, fragt er und deutet auf eine handtellergroße Fahne mit
Gummi-Band. „Dann nehme ich davon auch gleich zwei.“
Die nächste Kundin wartet bereits: „Hätten Sie etwas für meine beiden
Kleinen?“, fragt sie den Verkäufer und greift direkt nach einem rot-weißen
Schal. „Polska“ steht in großen Lettern drauf. Sie stupst ihren älteren
Sohn an: „Was hättest du gerne?“ Der Zwölfjährige deutet auf einen
rot-weißen Zylinder.
Als die drei den Laden verlassen haben, lacht Grzegorz Styrna: „Polen gehen
wie immer auf den letzten Drücker einkaufen. Aber wir haben vorgesorgt und
auch Fahnen genäht für russische Fußballfans, deutsche, ukrainische. Wir
haben alles da.“
In der Fanzone direkt vor dem Kulturpalast im Zentrum Warschaus wird noch
immer geschraubt. Die Tribünen für das Public Viewing stehen schon seit
Tagen, doch die Konzertbühne ist noch nicht fertig, und auch die 44
Kameras, die das über 120.000 Quadratmeter große Terrain überwachen sollen,
müssen überprüft werden.
Direkt neben der Uefa-Fan-Zone lärmen Presslufthämmer und Lastwagen. Hier
wird seit Monaten die zweite Metrolinie Warschaus gebaut. Immer mal wieder
treibt der Wind riesige Staubwolken über die Marschallstraße und in die
Fanzone hinein. Zwei ältere Damen bleiben stehen. „Das Bier wird jedenfalls
in Strömen fließen“, kommentiert die eine. „Vielleicht stauben sie die Fa…
ja ab, wenn die dort stundenlang gefeiert haben?“, setzt die andere trocken
hinzu.
Das Nationale Fußballstadium im Warschauer Stadtteil Praga auf der rechten
Weichselseite wirkt wie ausgestorben. Ein hoher Zaun schirmt das Stadion
ab. Nur zu den Spielen sollen die Tore geöffnet werden. Ein paar hundert
Meter weiter streiten Bewohner der Jagiellonskastraße. Vor dem Mietshaus
wurde eine Bushaltestelle für die Fans eingerichtet. „Die pinkeln uns hier
alles voll!“, empört sich eine Frau. „Und die Besoffenen werden im
Hauseingang liegen.“
Ein Nachbar versucht zu vermitteln: „Warten wir erst mal ab. Wenn die
Polizei hier keine Wache hinstellt, verrammeln wir eben die Einfahrt.“ Ein
Betrunkener schwankt auf die Gruppe zu, bleibt stehen und lallt: „Koko,
Koko, Euro, Spoko.“
7 Jun 2012
## AUTOREN
Gabriele Lesser
Gabriele Lesser
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Tribüne
Warschau
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Tribüne
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gentrifizierung in Warschau: Die Sanierung der „Ostwand“
Lange Zeit galt der Stadtteil Praga als Armenviertel von Warschau. Heute
ist es Eldorado von Spekulanten und Zankapfel der Stadtpolitik.
Polen gegen Russland: Die Russen sind da
Für die polnischen Ko-Gastgeber ist es das Spiel der Spiele. Das hat nicht
nur sportliche Gründe, sondern vor allem auch politische und historische.
Ein Überblick.
Schengengrenze Polen-Ukraine: Auf der Standspur
Benzin, Alkohol, Zigaretten: Am Übergang Korczowa/Krakowez leiden Händler
unter der schleppenden Abfertigung – trotz zweier neuer Trassen.
EM-Vorrunde Russland-Tschechien: Tschechen beißen auf Zenit
Acht Spieler vom Zenit St. Petersburg sind im russischen Team. Auf den
tschechischen Torhüter und Champions-League-Sieger Petr Cech dürfte einiges
an Arbeit zukommen.
Ukrainer in Berlin zur Fußball-EM: Wareniki statt Boykott
Die ukrainischen Berliner sind bereit für die EM in ihrer Heimat. Was sie
darüber denken und welche politischen Hoffnungen sie damit verbinden.
Architekt über EM-Stadien: „Die Stadien sind Kathedralen“
Volkwin Marg hat für die EM die Stadien in Warschau und Kiew entworfen. Mit
der taz spricht er über „die Oligarchin“ Julia Timoschenko, Sportboykotts
und kleptomanische Piraten.
Sportreporterin Sabine Töpperwien: „Ich darf Schalke 05 sagen“
Die Männerwelt der Medien ließ nichts unversucht, sie von ihrem Traum
abzubringen. Aber Sabine Töpperwien hat sich durchgeboxt – ohne Quote.
Ökonom über Euro-Krise und EM: „Die EM ist ein Fest, kein Krieg“
Der ehemalige Banker und bekennende Europäer Norbert Walter über
europäische Identität, Eurokrise und die segensreiche Wirkung junger Frauen
beim Public Viewing.
Computerspiel Uefa Euro 2012: Da ist ja noch ein Papadopoulus
Eine Playstation, ein Fußball-EM-Spiel, ein Kasten Bier und dann steht der
Europameister fest. Protokoll eines Alptraums.
Sonderhefte zur Fußball-EM: Keine toreschießende Wollmilchsau
Schwarzbrot-Qualität vom „kicker“, bunte Gimmicks beim Testsieger „11
Freunde“ – die Bandbreite der EM-Sonderhefte ist groß. Das perfekte Heft
ist nicht dabei.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.