# taz.de -- EM-Eröffnungsspiel Polen-Griechenland: Noch hat Polen nicht verlor… | |
> Für die polnische Nationalmannschaft ist das Eröffnungsspiel der | |
> Europameisterschaft die erste wirkliche Bewährungsprobe. Einige Spieler | |
> haben bisher nur geübt. | |
Bild: Der polnische Nationaltrainer Franciszek Smuda hat die Strategie des „S… | |
WARSCHAU taz | Gastgeberländer müssen sich für das von ihnen ausgerichtete | |
Fußballturnier nicht sportlich qualifizieren. Dies leuchtet jedem ein, denn | |
was wäre das für eine Stimmung bei der Freitagabend beginnenden EM 2012, | |
wenn Polen und die Ukraine gar nicht mitspielen würden, weil sie die | |
Qualifikation nicht geschafft haben? Undenkbar. | |
Doch für die Teams der Gastgeber ist diese Regelung Segen und Fluch | |
zugleich. Einerseits die Sicherheit, dabei zu sein, andererseits die große | |
Unsicherheit über das wahre Leistungsvermögen der Mannschaft. Denn für die | |
polnische Nationalmannschaft, die sich für die WM 2010 in Südafrika nicht | |
qualifiziert hatte, ist das Eröffnungsspiel gegen Griechenland das erste | |
Pflichtspiel seit zweieinhalb Jahren. Für einige Spieler im Kader ist es | |
das erste Pflichtspiel mit der Nationalelf überhaupt. Bisher haben sie nur | |
geübt. | |
Keine leichte Aufgabe also für Nationalcoach Franciszek Smuda, der das Team | |
2009 übernahm und ohne Tests unter Wettkampfbedingungen eine schlagkräftige | |
Truppe formen sollte. Nachdem er sich ein genaues Bild von der | |
Leistungsstärke des vorhandenen Kaders gemacht hatte und diesen als zu | |
schwach empfand, verfiel er auf die Strategie des „Stammbaumscoutings“: Er | |
suchte nach Spielern in starken europäischen Ligen, die man aufgrund ihrer | |
familiären Wurzeln zu polnischen Nationalspielern machen konnte. | |
In der Bundesliga und der französischen Ligue 1 fand er Sebastian Boenisch | |
(Werder Bremen), Eugen Polanski (Mainz 05), Ludovic Obraniac (Girondins | |
Bordeaux) und Damian Perquis (FC Sochaux). | |
## Umstrittene Neupolen | |
Alles gute Fußballer, aber ohne Perspektive, sich in den | |
Nationalmannschaften ihrer Heimatländer durchzusetzen. Um bei der EM 2012 | |
dabei zu sein, ließen sie sich polonisieren und tragen nun den weißen | |
polnischen Adler auf der Brust. Sie sprechen schlecht oder gar kein | |
Polnisch und ihre Versuche, sich als wahre Polen zu präsentieren, wirken | |
halbherzig. | |
Auch in der Mannschaft war die Berufung der Neupolen sehr umstritten. Viele | |
Polen empfinden diese Art der Rekrutierung als Anschlag auf ihren | |
Nationalstolz. Nicht genug, dass die besten polnischen Spieler schon früh | |
ins Ausland wechseln, weil es dort wesentlich mehr zu verdienen gibt. Jetzt | |
spielen auch noch „Ausländer“ in der Nationalmannschaft. Trainer Smuda muss | |
weit kommen in diesem Turnier, damit ihm Fußballpolen dieses höchst | |
unsentimentale Vorgehen verzeihen wird. | |
In diesem Frühjahr prägte er zudem das schöne Wort: „Dortmund ist die | |
Hauptstadt des polnischen Fußballs.“ Gemeint war, dass drei der besten | |
Nationalspieler – Robert Lewandowski, Jakub Blaszczykowski und Lukasz | |
Piszczek – nicht nur gemeinsam bei Borussia Dortmund spielen, sondern dies | |
auch mit fulminantem Erfolg bei geradezu explodierendem Leistungsniveau. Es | |
gab in Polen einen medialen Hype um „Polonia Dortmund“, wie es wohl noch | |
keiner ausländischen Vereinsmannschaft widerfuhr. Die notorische Schwäche | |
des polnischen Vereinsfußballs wurde für einen Moment lang kompensiert | |
durch den Doublegewinn des Polen-Trios mit Borussia Dortmund. | |
## Der Verband ist das Problem | |
Aber warum ist der polnische Fußball, der immer wieder Kicker von | |
Weltformat hervorbringt, wie aktuell Robert Lewandowski oder Torwart | |
Wojciech Szczesny, in seiner Gesamtheit so schwach? Die Wurzel des Übels | |
liegt beim polnischen Fußballverband PZPN. Seit über zwanzig Jahren | |
herrschen hier Misswirtschaft und Korruption. Die Grundaufgaben wie | |
Nachwuchsförderung, Infrastrukturentwicklung und Weiterbildung wurden | |
systematisch vernachlässigt, stattdessen bildete sich in den 90er Jahren | |
ein wohl einzigartig dichtes Korruptionsnetz für Spielabsprachen, | |
Bestechung und Nötigung heraus. | |
Seitdem man 2006 begonnen hat, diesen Sumpf durch staatsanwaltlichen | |
Ermittlungen trockenzulegen, wurden mehr als 300 Spieler, Trainer, | |
Schiedsrichter und Funktionäre verurteilt. Eine personelle Erneuerung beim | |
Verband steht aber immer noch aus. Die schwachen Strukturen führen zu einer | |
finanziellen Unterausstattung des polnischen Fußballs, was wiederum die | |
konsequente Abwanderung der besten Spieler zur Folge hat. So steht in | |
Smudas EM-Kader nicht ein einziger Spieler des aktuellen polnischen Meister | |
Slask Wroclaw und auch keiner von Vizemeister Ruch Chorzow. | |
Am Freitag gegen Griechenland wird Rafal Murawski von Lech Poznan der | |
einzige sein, der seine Brötchen in der polnischen Ekstraklasa verdient. | |
Weltklassetorhüter Szczesny hält den Kasten von Arsenal London sauber, | |
Abwehrspieler Wasilewski ist beim RSC Anderlecht unter Vertrag. Der linke | |
Flügelflitzer Maciej Rybus lässt sich für sein Engagement bei Terek Grosny | |
von Tschetscheniens Despoten Ramsan Kadyrow fürstlich entlohnen. Mit diesem | |
europäischen Allstarteam will Smuda am Freitag das erste Mal seit 1974 | |
wieder ein Auftaktspiel für Polen bei einem Turnier gewinnen. Tests waren | |
gestern, jetzt wird’s ernst. | |
8 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Uli Räther | |
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