# taz.de -- Energiewende weltweit: Wind und Sonne vor Kohle und Gas | |
> Eine Viertelbillion Dollar wurde 2011 weltweit in erneuerbare Energien | |
> investiert. Trotzdem darben viele Firmen – weil immer mehr auf den Zug | |
> aufspringen. | |
Bild: Kalifornische Windräder sind Teil der Botschaft: Weltweit steigt der Bed… | |
BERLIN taz | 2011 war für erneuerbare Energien weltweit ein Rekordjahr: | |
Nach einem Bericht des UN-Umweltprogramms Unep flossen umgerechnet 205 | |
Milliarden Euro in neue Windkrafträder, die Solarenergie und Biogasanlagen. | |
Nicht eingerechnet ist die Wasserkraft, weil einige Großprojekte wie das | |
Megawasserkraftwerke Belo Monte im brasilianischen Bundesstaat Pará | |
ökologisch mehr Schaden als Nutzen bringen. Zählt man sie hinzu, ist eine | |
deutliche Trendwende zu sehen: Global wurde 2011 mehr Geld in die | |
Stromerzeugung mit erneuerbare Energien investiert als in neue fossile | |
Kraftwerke. | |
Zu diesem Ergebnis kam auch die unabhängig von dem Unep-Report | |
veröffentlichte Studie des Netzwerkes REN21, einer internationalen | |
Expertengruppe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Seit 2004 | |
versechsfachten sich demnach die Investitionen in erneuerbare Energien. | |
Unter den großen Industrieländern verfügt China weltweit über die größte | |
Kapazität, rechnet man Wasserkraft mit ein – ohne sie ist Deutschland | |
Spitzenreiter. Der Löwenanteil der Investitionen floss mit über 100 | |
Milliarden Dollar nach Europa, gefolgt von China mit 51 Milliarden und den | |
USA mit 48 Milliarden. Weltweit flossen 147 Milliarden Dollar in die | |
Sonnenkraft – laut dem Report dank eines Booms in Deutschland und Italien, | |
aber auch weil der Markt von kleinen Anlagen in China und Großbritannien | |
wächst, wie auch der von großen Solarkraftwerken in den USA und Spanien. | |
„Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat einen Prozess des Umdenkens und | |
die entsprechenden gesetzlichen Neuerungen in Gang gesetzt“, sagte der | |
Vorsitzende von REN21, Mohamed El-Ashry. Doch trotz der Trendwende zu den | |
Erneuerbaren ist die Welt nach wie vor von fossilen Energien abhängig: Sie | |
decken 80 Prozent des Bedarfs an Strom und Wärme. Sogenannte moderne | |
erneuerbare Energien machen 8,2 Prozent aus – etwa Biogasanlagen, | |
Wasserkraft und Solarzellen. Weitere 8,5 Prozent stammen aus der | |
„traditionellen Biomasse“, beispielsweise Holz als Herdfeuer zum Kochen. | |
Die Kernenergie deckt weltweit 2,7 Prozent des Energiebedarfs. | |
## Verbrauch erneuerbarer, wie fossiler Energien steigt | |
Trotz des rapiden Wachstums der Erneuerbaren reicht die Kapazität kaum aus, | |
um den wachsenden Energiehunger zu stillen. So erwartet die Internationale | |
Energieagentur (IEA), dass 2035 immer noch drei Viertel des globalen | |
Energiebedarfs aus Kohle, Öl und Erdgas gedeckt werden, trotz der | |
weltweiter Förderung erneuerbarer Energien. Denn auch der Verbrauch | |
fossiler Rohstoffe wächst – laut IEA summieren sich die Subventionen etwa | |
in Form von Zuschüssen für Benzin weltweit auf satte 400 Milliarden Dollar | |
pro Jahr. | |
Weltweit arbeiten laut El-Ashry mittlerweile 5 Millionen Menschen im | |
Bereich der erneuerbaren Energien. Die Industrie allerdings wird momentan | |
Opfer ihres eigenen Erfolgs: Der globale Aktienindex für die Biomasse-, | |
Solar und Windindustrie dümpelt auf einem historischen Tief. Grund sind | |
unter anderem politische Unsicherheiten, etwa der Ausgang der | |
Präsidentschaftswahlen in den USA oder die Schuldenkrise in Europa. Vor | |
allem aber leidet die Branche unter einer Überkapazität, beispielsweise die | |
Photovoltaik (PV). | |
„Die Führerschaft in der PV-Produktion ist von den USA über Japan und | |
Europa jetzt in Asien angekommen“, heißt es in dem REN21-Report. Unter den | |
15 wichtigsten Modulherstellern findet sich keine deutsche Firma mehr. Auch | |
die Windkraftindustrie leidet unter hohem Wettbewerbsdruck und | |
Überkapazitäten. Hier allerdings hat Europa noch die Nase vorn – größter | |
deutscher Hersteller ist Enercon mit einem Weltmarktanteil von 7,9 Prozent. | |
12 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
## TAGS | |
Strafzölle | |
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