# taz.de -- Wettbewerbsrecht: Facebook im Visier | |
> Ob Bildbearbeitung oder Gesichtserkennung: Facebook schluckt in schneller | |
> Folge kleine, innovative Unternehmen. Langsam erwachen nun auch die | |
> Kartellbehörden. | |
Bild: Nebeneinander- oder Untereinander-Sein – das ist hier die Frage. | |
BERLIN taz | Die unterste britische Wettbewerbsaufsicht Office of Fair | |
Trading (OFT) wagt sich vor. Als erste europäische Behörde prüft sie nun, | |
ob Facebook mit seinem angekündigten Kauf des mobilen Fotodienstes | |
Instagram gegen das britische Wettbewerbsrecht verstoßen würde. | |
Sie könnte den im April lancierten Deal dann angreifen. „Wir rechnen | |
momentan verschiedene Szenarien durch, ob die Übernahme | |
wettbewerbsverzerrend sein könnte“, sagt Frank Shepherd, Sprecher des OFT. | |
Das wäre der Fall, wenn Facebook durch den Deal mehr als 70 Millionen Pfund | |
Jahresumsatz machen oder mehr als 25 Prozent des britischen Marktes für | |
Bildbearbeitung und -verbreitung beherrschen würde. Ob diese eigentlich | |
recht simplen Kriterien erfüllt sind, sei bisher aber schwer absehbar, sagt | |
Shepherd. | |
Das liegt laut Detlef Aufderheide, Experte für Wettbewerbsrecht in der | |
Internetökonomie an der Universität Münster, vor allem daran, dass im | |
Netzbereich sehr schnell neue Märkte entstehen, während andere | |
bedeutungslos werden. „Es ist gut nachvollziehbar, wenn die Behörden | |
zurückhaltend reagieren und zunächst auf diese enorme Dynamik setzen“, sagt | |
Aufderheide. „Man bedenke nur, dass Microsoft vor gar nicht so langer Zeit | |
in mehreren Bereichen als marktbeherrschend galt.“ | |
## Der Wert eines Facebook-Nutzers | |
Ein Grund für die große Unsicherheit ist, dass die Unternehmen im Bereich | |
der sozialen Medien mit einer Währung handeln, die nur schwer zu bewerten | |
ist: die Anzahl der Nutzer. Im Vereinigten Königreich kommunizieren | |
momentan knapp [1][31,5 Millionen Menschen] über Facebook. | |
Auch das 2010 gegründete Start-Up Instagram hat ein gewaltiges Potenzial, | |
neue Nutzer anzuziehen, die für Werbekunden interessant sind. Die sowohl | |
mit Apple- als auch mit Microsoft-Betriebssystemen kompatible Anwendung für | |
Smartphones hat innerhalb von zwei Jahren 30 Millionen Nutzer gewonnen. | |
Doch es sei noch nicht absehbar, ob Instagram Facebook allein damit zu | |
großen zusätzlichen Einnahmen verhelfen könne oder überbewertet ist, sagt | |
Frank Shepherd. Der OFT-Sprecher fährt fort: „Das sind Spekulationen, die | |
wir jetzt erstmal unterfüttern müssen, indem wir Unterlagen beider Firmen | |
analysieren.“ | |
Seit dem Facebook-Börsengang Mitte Mai steht generell die Frage im Raum, ob | |
ein rein werbebasiertes Internetangebot auf Dauer rentabel sein kann. Einer | |
aktuellen Umfrage der Agentur [2][Reuters] zufolge kaufen bisher nur zwei | |
von zehn Nutzern etwas aufgrund von Werbeanzeigen in Online-Netzwerken. Es | |
ist also vollkommen unklar, wie viel die Facebook-Mitglieder tatsächlich | |
„wert“ sind. | |
## Kartellbehörden hinken hinterher | |
„Das ist ein großes Problem für die Kartellbehörden, die Märkte gewohnt | |
sind, auf denen Güter oder Dienstleistungen gegen Geld erbracht werden“, | |
sagt Rupprecht Podszun vom Max-Planck-Institut für Wettbewerbsrecht. Erst | |
ganz vereinzelt und vorsichtig beziehen die Behörden auch die Möglichkeiten | |
eines Unternehmens ein, in der Zukunft durch technische Innovation | |
Marktmacht zu erlangen. | |
Auch wenn die kostenlose Instagram-App bisher noch keine Umsätze generiert | |
und kaum absehbar ist, ob das Facebook-Gebot von einer Milliarde US-Dollar | |
nicht stark übertrieben ist: Das junge Start-Up könnte künftig dazu | |
beitragen, Facebooks Marktmacht zu vergrößern. Zum Beispiel durch eine | |
Funktion, mit der Nutzer in den hochgeladenen Bildern Ortsmarken und | |
Informationen über die Personen hinterlassen können, was für Werbezwecke | |
hilfreich werden könnte. | |
„Die Gefahr ist, dass sich jetzt – in dieser unübersichtlichen Situation �… | |
Marktstrukturen bilden, die später kaum mehr auflösbar sind“, sagt | |
Rupprecht Podszun vom MPI. Bisher laden Nutzer die bearbeiteten Bilder über | |
ihr Smartphone in beliebige soziale Netzwerke oder auch auf eigenen | |
Webseiten hoch. Die britischen Wettbewerbshüter fürchten jedoch, dass | |
Facebook die Application so verändern könnte, dass Instagram nicht mehr mit | |
anderen Plattformen kompatibel ist. Laut OFT-Sprecher Shepherd ist außerdem | |
denkbar, dass Facebook künftig keine anderen Anwendungen als Instagram mehr | |
zulässt, um Bilder übers Smartphone hochzuladen. | |
Ähnliches könnte hinter der Ankündigung Facebooks von Mitte Juni stecken, | |
es wolle für umgerechnet 45 Millionen Euro das israelische Start-Up | |
[3][Face.com] übernehmen. Die Firma ist auf Gesichtserkennungssoftware | |
spezialisiert, einen Bereich, in dem Facebook zum Ärger deutscher | |
Datenschützer seit über einem Jahr aktiv ist. Die Anwendungen von Face.com | |
sollen [4][Beobachtern] zufolge helfen, Personen leichter auf Bildern zu | |
verlinken, als es die bisherigen Facebook-Werkzeuge zulassen. Auch die | |
Produkte des israelischen Start-Ups sind momentan nicht an Facebook | |
gebunden und in mehreren sozialen Netzwerken anwendbar, was sich durch | |
einen Kauf freilich ändern könnte. Dann würde Face.com zum Instrument für | |
Facebooks Werbestrategie. | |
Internetökonomie-Experte Detlef Aufderheide sieht in den Übernahmen | |
durchaus den Versuch Facebooks, die Marktstruktur im Bereich der sozialen | |
Netzwerke zu verändern. „In der digitalen Ökonomie ist der | |
selbstregulierende Prozess, dass innovative Unternehmen sich durchsetzen, | |
gefährdet“, sagt Aufderheide. Die Bildverbreitung ist angesichts von 300 | |
Millionen Bildern, die täglich allein auf Facebook hochgeladen werden, ein | |
Markt mit hoher Dynamik. | |
## Deal könnte scheitern | |
Dabei wirken laut Aufderheide so genannte Netzwerkeffekte, von denen starke | |
Unternehmen etwa bei App Stores profitieren: Wer bereits viele Nutzer hat, | |
sei für App-Programmierer wie auch für die Kunden besonders interessant. | |
„Das kann dann den Vorsprung gegenüber Wettbewerbern sogar noch vergrößern | |
und die Chancen nachstoßender Unternehmen deutlich reduzieren“, erklärt | |
Aufderheide und weist darauf hin, dass etwa Nokia bei Smartphones weit | |
hinter Apple abgeschlagen sei, obwohl es mittlerweile gleichwertige Hard- | |
und Software biete. Ähnliches gelte bei sozialen Netzwerken: „Wer hat, dem | |
wird gegeben.“ | |
Möglich, dass die Behörden sich diesmal rechtzeitig eingeschaltet haben. | |
Die amerikanische Federal Trade Commission ermittelt schon seit Mitte Mai | |
im Zusammenhang mit Facebook und Instagram, weshalb sich der Deal um bis zu | |
sechs Monate verzögern könnte. Die amerikanischen Behörden durchsuchen | |
Unterlagen beider Firmen auf Hinweise darauf, ob Instagram ein | |
eigenständiges soziales Netzwerk mit zusätzlichen Diensten werden könnte | |
und Facebook es nur deshalb aufkaufen will, weil es Angst vor dem | |
Konkurrenten hatte. Dann würden sie den Deal ebenfalls angreifen. | |
Obwohl Großbritannien mit seinem Vorgehen in Europa bisher allein dasteht, | |
könnten die vorerst bis 23. August andauernden Ermittlungen den Deal | |
komplett zum Scheitern bringen: In Großbritannien dürften die Auswirkungen | |
einer Übernahme nicht spürbar sein. Wenn Facebook das nicht garantieren | |
kann, etwa indem es die Instagram-App für Nutzer im Vereinigten Königreich | |
unangetastet lässt, darf es Instagram nicht kaufen. Dadurch könnten sich | |
andere Wettbewerbsbehörden zwar auf den Schlips getreten fühlen, die das | |
Geschäft bisher nicht als problematisch ansehen. „Aber das ist eben der | |
Preis dafür, dass wir bisher nur lose internationale Wettbewerbsregelungen | |
haben“, sagt Rupprecht Podszun vom MPI. | |
27 Jun 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.checkfacebook.com/ | |
[2] http://www.reuters.com/article/2012/06/05/net-us-facebook-survey-idUSBRE854… | |
[3] http://face.com/about.php | |
[4] http://allthingsd.com/20120618/facebook-acquires-facial-recognition-technol… | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Meta | |
Twitter / X | |
Schwerpunkt Meta | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Regeln bei Fotodienst: Instagram knickt ein | |
Instagram plante, die Fotos seiner Nutzer zu Werbezwecken zu verkaufen. | |
Nach heftigem Protest der User revidiert das Unternehmen seine Ankündigung. | |
Twitter gegen Facebook: Krieg der Filter | |
Nun bietet der Kurznachrichtendienst Twitter auch eine eigene Foto-App an. | |
Vorher zog sich die Facebook-Tochter Instagram zurück. | |
Klarnamen in sozialen Netzwerken: Youtube freundlich, Facebook dreist | |
Google und Facebook versuchen die User auf Klarnamen zu verpflichten. Mit | |
verschiedenen Methoden. Mehr aber unterscheidet sich der Tonfall. | |
EuGH schmettert Microsoft-Klage ab: „Drei Jahre illegales Verhalten“ | |
Microsoft muss wegen Wettbewerbsverstößen 860 Millionen Euro Bußgeld | |
zahlen. Der Europäische Gerichtshof hat die von der EU-Kommision verhängte | |
Strafe bestätigt. | |
Programm zur Gesichtserkennung: Facebook drängt voran | |
Facebook übernimmt ein Start-Up, das Gesichter scannt. Face.com durchsucht | |
Fotoalben und Freundeslisten – Datenschützer kritisieren Facebooks | |
Gesichtserkennung generell. | |
Umfrage zu Facebook: „Langweilig, unnütz, nicht relevant“ | |
Immer feste drauf: Erst wurde Facebook als Eindringling in die Privatsphäre | |
kritisiert, dann als Loser an der Börse. Nun wenden sich auch noch die | |
Nutzer ab. | |
Reaktion auf Facebook-Flop: Die Angst vor der Börse | |
Facebook hat eine abschreckende Wirkung, die Aktie fällt: Die | |
Reisesuchmaschine Kayak hadert nun mit seinen Börsenplänen und steht damit | |
nicht allein. | |
Fotodienst Instagram aufgekauft: Facebook geht shoppen | |
Facebook hat eine Milliarde Dollar für die Fotoplattform Instagram gezahlt | |
– für 13 Entwickler einer nicht überragenden Software. War das so viel Geld | |
wert? |