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# taz.de -- Kölner Beschneidungsurteil: Der Kampf um die Vorhaut
> Das Kölner Landgericht kämpft mit seinem Beschneidungsurteil für intakte
> Geschlechtsorgane. Es stellt aber auch die Frage, wie anders man sein
> darf.
Bild: In Deutschland sind Juden und Muslime, die ihre Söhne aus religiösen Gr…
Der Mohel, der in Ari Libskers Film [1][„Circumcision“] über seine
Tätigkeit spricht, sagt, er entferne etwas, was man für abstoßend halte.
Als Libskers Anti-Beschneidungs-Film 2004 im israelischen Fernsehen
gesendet wurde, folgte eine erregte Debatte im Land.
Libsker hatte unbeschnittene Jungs und ihre Mütter über ihre Ängste vor
gesellschaftlicher Ächtung erzählen lassen, junge Männer über ihre späte
Beschneidung, die sie nun bereuten, und Väter, die sich der Grausamkeit
gegenüber ihren Kindern bezichtigten.
Wenn es nach den Büchern geht, ist die Brit Mila, die Beschneidung
männlicher Säuglinge am achten Tag nach ihrer Geburt, ewiges Zeichen des
Bundes zwischen Gott und den Nachkommen Abrahams. Die Vorhaut ist nicht nur
in Israel ein heikles Thema, weil sie die Identität des Judentums berührt.
In den USA halten viele Eltern die Beschneidung aus hygienischen,
medizinischen und kosmetischen Gründen für angezeigt.
Die Vorhaut ist ein Terrain, auf das uralte Vorstellungen von Hygiene,
soziale Erwartungen und moderne ästhetische Normen projiziert werden.
Gegner der Beschneidung berufen sich darauf, dass die Vorhaut mit ihrer
Vielzahl an Nervenenden das eigentliche Organ männlicher Lustempfindung
sei. Ihre Entfernung komme einer massiven Verstümmelung gleich. Der Kampf
gegen Beschneidung ist ein Kampf für intakte Geschlechtsorgane und
befriedigenden Sex.
Das Urteil des Kölner Landgerichts stärkt den Gedanken des Rechts auf
körperliche Unversehrtheit, wirft aber die Frage auf, ob der Staat
Praktiken regeln soll, die religiöse Gemeinschaften für grundlegend in
ihrem Verhältnis zu Gott halten. Einer der Väter in Libskers Film, der
bedauert, seine Söhne traumatisiert zu haben, sagt den Satz: „Unterschiede
sind etwas Gutes, nicht etwas Schlechtes.“ Er habe nichts gegen
Beschneidungen, nur gegen den sozialen Druck, der sie zur Pflicht erkläre.
In Israel gibt es nicht viele Beschneidungsgegner. In Deutschland sind
Juden und Muslime, die ihre Söhne aus religiösen Gründen beschneiden
lassen, in der Minderheit.
Das Kölner Urteil setzt auch einen Maßstab in der Frage, wie anders man
sein darf. Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den
gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird,
die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen
kann? Hinterwäldler sind immer die anderen.
28 Jun 2012
## LINKS
[1] http://video.google.com/videoplay?docid=-2372535130226634650
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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