# taz.de -- Israelischer Beschneidungsgegner: „Ein Akt der Vergewaltigung“ | |
> In Israel kämpft die Gruppe Ben Schalem gegen Beschneidungen. Jonathan | |
> Enosch über den aus seiner Sicht barbarischen Akt und die | |
> Ahnungslosigkeit der Leute. | |
Bild: „Tatsache ist doch, dass sich ganz viele unwohl mit der Beschneidung ih… | |
taz: Herr Enosch, verfolgen Sie die Debatte in Deutschland zum Thema | |
Beschneidung von Jungen? | |
Jonathan Enosch: Wir waren sehr froh, zu beobachten, dass ein deutsches | |
Gericht das unmoralische Vorgehen der Beschneidung verurteilt, ausgerechnet | |
ein deutsches Gericht. Das Absurde ist, dass Juden und Muslime plötzlich zu | |
besten Freunden wurden. | |
Warum kämpfen Sie gegen die Beschneidung? | |
Weil sie ein Akt der Vergewaltigung ist. Sie wird einem wehrlosen Kind, | |
ohne dass es selbst darüber entscheiden kann, aufgezwungen. Würde man die | |
Jungen erst im Alter von 13 Jahren beschneiden, dann würden sich sicher | |
viele dagegen wehren. | |
Haben Sie einen Überblick darüber, wie viele israelische Familien ihre | |
Kinder nicht beschneiden lassen? | |
Als wir vor 20 Jahren anfingen, uns zu organisieren, waren es ein paar | |
Dutzend Familien. Heute reden wir von zwei Prozent der jüdischen | |
Bevölkerung. | |
Wenn die Beschneidung so grausam ist, warum machen dann noch immer so viele | |
mit? | |
Nehmen Sie hundert Leute und fragen sie, was genau bei der Beschneidung | |
passiert, wie wird beschnitten und was genau wird weggeschnitten. Sie | |
wissen es einfach nicht. | |
Ihr Sohn ist heute 15 Jahre alt. Leidet er darunter, nicht beschnitten zu | |
sein? | |
Nein, überhaupt nicht. Es kommt auch auf das Kind an, ob es selbstsicher | |
damit umgeht. Es geht nicht um rote Haare oder abstehende Ohren. Man sieht | |
es nicht sofort. Die Kinder interessiert es nicht so sehr. Wichtig für sie | |
ist, ob es ein netter Junge ist. | |
Haben Sie schlechte Erfahrungen mit Kinderärzten oder Lehrern gemacht? | |
Tatsache ist doch, dass sich ganz viele unwohl mit der Beschneidung ihrer | |
Kinder fühlen. Sie wissen, dass Sie hier einen Pakt mit dem Teufel | |
eingehen. Sie fahren am Sabbat mit dem Auto, essen Schweinefleisch, aber | |
dafür geben sie ein kleines Opfer. | |
Wie hat Ihre Familie damals reagiert? | |
Meine Exfrau und ich sind regelrecht boykottiert worden von meinen Eltern. | |
Ich habe von Familien gehört, wo die Großeltern drohten, das Kind zu | |
entführen, um es beschneiden zu lassen. Die Familien üben großen Druck aus | |
und beharren auf die Zeremonie. | |
Was sagen Sie zu dem Argument, dass die Beschneidung gesundheitsfördernd | |
ist? | |
Das ist die größte Absurdität. Da wird ein gesundes Baby ohne jede | |
Notwendigkeit operiert. Warum? Weil die Operation angeblich künftige | |
Krankheiten verhindert. Nach derselben Logik müssten sich Frauen ihre | |
Brüste amputieren lassen, um nicht an Krebs zu erkranken. Die Beschneidung | |
ist das am häufigsten akzeptierte Verbrechen in der Geschichte der Welt. | |
17 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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