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# taz.de -- Streit der Woche: Hartz IV für Asylbewerber?
> Flüchtlinge erhalten derzeit 40 Prozent weniger Geld als
> Hartz-IV-Empfänger. In der nächsten Woche urteilt darüber das
> Bundesverfassungsgericht.
Bild: Nur 40 Euro und 90 Cent im Monat erhält ein Flüchtling auf jeden Fall b…
Ein erwachsener Hartz-IV-Empfänger bekommt 374 Euro im Monat. Ein
Flüchtling erhält nur 224,97 Euro. Davon können bis zu 184,07 Euro in Form
von Gutscheinen oder Sachleistungen erbracht werden. Nur 40 Euro und 90
Cent im Monat erhält der Flüchtling auf jeden Fall bar.
Auch in anderen Bereichen sind Flüchtlinge benachteiligt. Sie dürfen zum
Beispiel in vielen Bundesländern ihren Landkreis nicht verlassen,
Ausnahmegenehmigungen werden nur restriktiv erteilt. Sie dürfen sich auch
nicht einfach so eine eigene Wohnung suchen. [1][Im Februar berichtete die
taz] etwa über die achtjährige Mariam Blal, die seit ihrer Geburt mit ihrer
Mutter in einem 18 Quadratmeter großen Zimmer in einem Flüchtlingsheim
lebt.
Die aktuelle Regelung wurde 1993 eingeführt, um die Zahl der Asylbewerber
zu senken. Mit Erfolg: Während im Jahr 1992 noch 438.191 Menschen einen
Asylantrag in Deutschland stellten, waren es im Jahr 2010 nur noch 41.332 -
die Zahl der Anträge ist also um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Seit
1993 wurden die Zahlungen an die Asylbewerber nicht erhöht, obwohl seither
durch die Inflation alles um 30 Prozent teurer geworden ist.
Grüne und Linke fordern, Asylbewerber mit Hartz-IV-Empfängern
gleichzustellen. Vor zwei Wochen lehnten CDU, FDP und SPD dies im
Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales ab (siehe [2][Ausschussbericht
als PDF]). Der Ausschuss hatte vorher Sachverständige angehört. Bei dieser
Anhörung hatte auch die Bundesregierung durch einen Vertreter des
zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge begründet, warum sie
die Forderung ablehnt (siehe [3][Stellungnahme des Bundesamtes für den
Ausschuss] als PDF, Seite 16-18):
- Mehr Asylanträge: "Der Leistungsbezug und auch die Form, in der die
Leistungen gewährt werden - bar oder unbar - hat unbestreitbar Einfluss auf
die Wahl des Ziellandes von Asylbewerbern und war wesentlicher Grund für
das Inkraftsetzen des Asylbewerberleistungsgesetzes in der geltenden Form.
(...) Schon die nach dem Gesetzentwurf vorgesehenen höheren finanziellen
Leistungen könnten daher als Pull-Faktor die Zugangszahlen insbesondere bei
der irregulären Einreise weiter erhöhen".
- Teuer: Zahlt man den Asylbewerbern mehr Geld, würde das zu einer
"Erhöhung der Kosten" führen.
- Erschwerte Steuerung: Asylbewerber haben zunächst Arbeitsverbot in
Deutschland, Hartz-IV-Empfänger nicht. Wenn man beide gleichstellt, müsste
man das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufheben. Doch "damit würde
zusätzlich der Weg in den Arbeitsmarkt auch außerhalb des hierfür
vorgesehenen regulären Verfahrens geebnet. (...) Die Steuerung der
Arbeitsmarktzuwanderung würde dies wesentlich erschweren."
- Verletzung des Abstandsgebotes: Es kann ja wohl nicht sein, dass
ausländische Flüchtlinge ab dem ersten Tag ihrer Einreise genauso viel Geld
bekommen wie gebürtige Deutsche, die hier jahrelang Steuern gezahlt haben:
"Die politische Akzeptanz dürfte bei Inländern generell ohnehin eher gering
ausfallen, wenn langjährige Erwerbstätige und Steuerzahler dem gleichen
Leistungsniveau unterworfen würden, wie Personen, die gerade erst
eingereist sind (...); die Verletzung des Abstandsgebotes erscheint hier
doch sehr deutlich."
Während im Bundestag eine große Koalition aus CDU, SPD und FDP die
Gleichstellung von Flüchtlingen mit Hartz-IV-Empfängern verhindert, setzen
die Flüchtlinge nun ihre Hoffnungen auf das Bundesverfassungsgericht. Das
[4][entscheidet am Mittwoch nächster Woche] über die Klagen von zwei
Asylbewerbern.
Was meinen Sie: Sollten Asylbewerber Hartz IV bekommen?
Beziehen Sie Stellung! Die taz wählt unter den interessantesten Kommentaren
ein oder zwei aus und veröffentlicht sie im Wochenendmagazin sonntaz. Der
Kommentar sollte etwa 1.000 Zeichen umfassen und mit dem Namen und der
E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie
uns bis Mittwochmittag eine Mail an: [5][[email protected]]. Den ganzen Streit
der Woche lesen Sie am Wochenende in der sonntaz. An jedem gutsortierten
Kiosk, im [6][eKiosk] oder im Briefkasten per [7][Wochenendabo].
10 Jul 2012
## LINKS
[1] /!87377/
[2] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/101/1710198.pdf
[3] http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a11/anhoerungen/Archiv/Asyl…
[4] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-035.html
[5] /[email protected]
[6] http://https//www.taz.de/zeitung/e-paper/e-kiosk/
[7] http://bit.ly/J0hreP
## AUTOREN
Sebastian Heiser
Sebastian Heiser
## TAGS
Sozialgericht
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