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# taz.de -- Kommentar Hartz IV für Asylbewerber: Verweigerte Würde
> Jahrelang wurde von allen Seiten ignoriert, dass Asylbewerbern ein Leben
> unter dem Existenzminimum zugemutet wird. Das muss sich sehr schnell
> ändern.
Bild: Die vierköpfige Familie Timurziev lebt von 641 Euro im Monat.
Was der Sozialstaat zu leisten hat, ist klar bestimmt: Er muss ein Leben in
Würde ermöglichen. Die Frage, wie viel Geld es dazu genau braucht, ist –
zumindest offiziell – entschieden: Hartz IV, also 374 Euro im Monat, die
sogenannte Hilfe zum Lebensunterhalt für einen Erwachsenen. Dort und
nirgendwo anders liegt das Minimum an Versorgung, das die Gesellschaft dem
Einzelnen schuldet – bis auf Weiteres.
Es ist deshalb nicht nachzuvollziehen, dass sich seit 19 Jahren ein Gesetz
halten kann, das eine ganze Bevölkerungsgruppe von diesem Existenzminimum
einfach ausschließt, während man ihr gleichzeitig verbietet zu arbeiten.
Nach den Pogromen von Lichtenhagen und Hoyerswerda waren CDU, CSU, FDP und
SPD vor dem Druck eingeknickt, den die Rechtsextremen aufgebaut hatten. Sie
setzten den Kampf der „Republikaner“, der Nazis und des Bürgermobs gegen
Flüchtlinge auf ihre eigene Agenda und zimmerten den sogenannten
Asylkompromiss – ein unsägliches Gesetzeswerk, das nur zwei Zwecke hatte:
Flüchtlinge fernzuhalten und jenen, die trotzdem kommen, das Leben so
unangenehm wie möglich zu machen.
Auch das Sozialrecht wurde herangezogen, um in der aufgeheizten Stimmung
die wachsende Fremdenfeindlichkeit zu bedienen. Ausbaden müssen das bis
heute weit über 100.000 Flüchtlinge. Und während die sozialpolitische
Debatte darüber tobte, ob Hartz IV nun „Armut per Gesetz“ ist, hat es die
Öffentlichkeit fast zwei Jahrzehnte lang nicht interessiert, dass der Staat
Zehntausende nichtdeutsche Kinder von 4,30 Euro am Tag leben lässt.
Wie gleichgültig Politik und Medien der ganzen Sache gegenüberstehen, sieht
man auch daran, dass bis heute noch die D-Mark-Beträge im Text des
Asylbewerberleistungesetzes stehen. Niemand, auch keine Grünen, die
zwischendurch jahrelang regiert haben, haben sich daran so gestört, dass
sie wenigstens eine Inflationsanpassung durchgesetzt hätten.
In zwei Tagen wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich
entscheiden, dass dieser Zustand beendet werden muss. Zu befürchten ist,
dass die Bundesregierung darauf genauso reagieren wird wie auf das Urteil
zu den Hartz-IV-Sätzen: mit Unwillen und dem Verschleppen der Umsetzung.
Das ist den Flüchtlingen nicht zuzumuten. Sie müssen sozialrechtlich
gleichgestellt werden – sofort.
16 Jul 2012
## AUTOREN
Christian Jakob
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