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# taz.de -- Asylbewerber in Deutschland Teil I: Seit 8 Jahren das gleiche Essen
> Dürfen Asylbewerber weniger Geld bekommen als Hartz-IV-Empfänger? Das
> entscheidet jetzt das Verfassungsgericht. Wie lebt es sich von 224,97
> Euro monatlich in Deutschland?
Bild: „Ich würde gerne selbst einkaufen“: Dayo Yakubu*.
MÜNCHEN taz | Zweimal pro Woche bekommt Dayo Yakubu* einen weißen und drei
blaue Zettel. Zweimal pro Woche muss die 29-jährige Nigerianerin ankreuzen,
welche Nahrungsmittel sie für sich und ihre drei Kinder benötigt. Eine
Sorte Fleisch pro Kind, drei Portionen Gemüse, 4 Rationen Obst und so fort.
Dienstags und donnerstags dann, wenn die Essensrationen kommen, stellt sie
die Konserven mit dem eingelegten Fisch, den geschälten Tomaten und den
Kidneybohnen zu den anderen unters Bett.
„Ich kann das alles nicht mehr sehen“, sagt Yakubu verzweifelt. „Es ist
immer das gleiche, Woche für Woche, seit mittlerweile acht Jahren.“ So
lange ist sie bereits in Deutschland, geflüchtet vor Zwangsheirat und
Beschneidung, wie sie sagt. Doch ihr Aufenthalt ist nur geduldet. Nicht nur
dass die Auswahl begrenzt sei, klagt die junge Frau mit den schwarzen
Zöpfchen. „Oft bekommen wir auch Abgelaufenes.“
Undankbar erscheinen wolle sie dennoch nicht, wie sie betont. „Aber ich
würde einfach gerne selbst einkaufen. Schließlich weiß ich am besten, was
gut für meine Kinder ist.“ Saft, der auch zu hundert Prozent aus Saft
besteht, zum Beispiel, und kein gezuckertes Konzentrat. Oder frisches Obst.
Aber um sich den Einkauf im Supermarkt regelmäßig leisten zu können, fehlt
der Familie schlicht das Geld.
Gemäß dem offiziellen Bescheid erhält Dayo Yakubu zusätzlich zu den
Essensrationen monatlich 40,90 Euro vom Staat. Der älteste Sohn – er ist
fünf Jahre alt und geht bereits in den Kindergarten – bekommt monatlich
45,45 Euro. Die beiden kleineren Kinder – drei Jahre und neun Monate alt –
bekommen jeweils 20,45 monatlich. Macht zusammen 127,25 Euro. Hinzu kommen
ein Zuschuss für Babywindeln von 45 Euro für das jüngste Kind sowie 80
Euro, die Yakubu zusätzlich verdient, weil sie im Wohnheim die Treppen
putzt. Ergibt alles in allem: 252,25 Euro pro Monat für eine
alleinerziehende Mutter und ihre drei Kinder.
## Möbel vom Sperrmüll
„Es reicht hinten und vorne nicht“, sagt die junge Frau resigniert und
schlingt sich ein großes Tuch um die Hüften, um die Jüngste trotz des
Lärms, den die Kinder machen, auf ihrem breiten Rücken in den Schlaf zu
wiegen. Couch, Sessel, Fernseher, Teppiche und den kleinen elektrischen
Ofen für das etwa 30 Quadratmeter große Zimmer, das die Familie bewohnt,
hat sie vom Sperrmüll besorgt. Spielsachen für die Kinder bekommt sie von
der Caritas. „Manchmal gehe ich zum Bahnhof zum Flaschensammeln“, sagt
Yakubu. „Dann habe ich wieder fünf Euro, um damit zum Supermarkt zu gehen.“
Auch bei der Kleidung wird es für die Familie oft eng. Zweimal im Jahr
bekommt die Familie Gutscheine für ein Kaufhaus: 150 Euro für die Mutter,
120 Euro für jedes Kind.
An eine Fahrt in die Stadt ist für die Familie nicht zu denken. Ihre
Sammelunterkunftliegt liegt in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, einem Vorort von
München, den man gerade noch mit der S-Bahn erreicht. Eine Monatskarte
kostet 87 Euro. „Ich kann nur dann in die Stadt fahren, wenn einer von uns
einen Arzttermin hat“, erklärt Yakubu. „Nur dann können wir zum Rathaus
gehen und bekommen eine Tageskarte ausgestellt.“ Ein Zoobesuch mit den
Kindern? Kino? Museum? „Nein“, sagt die junge Frau und schüttelt den Kopf.
„Das ist für uns nicht drin.
2011 beantragten 759 Nigerianer in Deutschland Asyl. Die Anerkennungsquote
lag bei 9,5 Prozent.
*Name von der Redaktion geändert
16 Jul 2012
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Bundestag
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