Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Asylbewerber in Deutschland Teil II: Allein auf 27 Quadratmetern
> Dürfen Asylbewerber weniger Geld bekommen als Hartz-IV-Empfänger? Das
> entscheidet jetzt das Verfassungsgericht. Wie lebt es sich von 224,97
> Euro monatlich in Deutschland?
Bild: Rund 130.000 Asylsuchende und Geduldete müssen mit maximal 225 Euro im M…
DRESDEN taz | Ein entspanntes Lächeln für die Kamera will Abdelnasser
Khawaja nicht gelingen. Alle Hoffnungen des 34-jährigen Palästinensers
richten sich darauf, dass sein vor fast fünf Jahren gestellter Asylantrag
positiv beschieden wird. „Aufenthaltsgestattung“ steht auf seinem Ausweis.
Bis auf gelegentliche Telefonate mit seinen beiden Kindern sind fast alle
Verbindungen in die Heimat abgerissen.
Die israelische Mauer habe sein Leben zerstört, sagt Khawaja. Seit sie
unmittelbar an seinem Heimatort Nilin im Westjordanland vorbeiführt, ist es
unmöglich geworden, zu seiner Arbeitsstätte in Ramallah zu gelangen. Acht
Tote durch israelische Waffen, so berichtet das jüngste von 17 Kindern,
seien allein in seiner Verwandtschaft zu beklagen. Die Scheidung von seiner
Frau gab ihm wohl den Rest. Abdelnasser wollte eigentlich nach Norwegen.
Aber die deutschen Behörden hielten ihn auf der Durchreise fest.
Nun wohnt er allein auf 27 Quadratmetern in einem 17-geschossigen
Plattenbau in Pirna am Rande der Sächsischen Schweiz. Bis vor Kurzem musste
er wegen der Residenzpflicht einen Urlaubsantrag stellen, wenn er auch nur
die 20 Kilometer nach Dresden zu seiner Ausbildung fahren wollte. Miete und
Nebenkosten für die Wohnung trägt zwar das Sozialamt.
Abdelnasser muss auch nicht mehr von Gutscheinen leben, wie er es aus
seiner Anfangszeit in einer Gemeinschaftsunterkunft noch kennt. Aber mit
den 196 Euro, die er monatlich auf die Hand bekommt, „kann man einfach gar
nichts machen“. Der Flüchtling weiß nicht, wie diese Summe zustande kommt,
aber die 40,90 Euro gesetzliches Taschengeld sind da schon eingerechnet.
## Das Essen bei der Tafel ist nicht billiger
„Ich rauche nicht, das spart rund vier Euro täglich“, versucht Abdelnasser
zu scherzen. Weil er sich selbst verpflegen muss, kommt er um einen
wöchentlichen Supermarkteinkauf von rund 40 Euro nicht herum. Damit ist
sein Budget schon fast erschöpft. Das Armeleuteessen an der Pirnaer Tafel
hat er schon probiert, kam aber nicht günstiger. Und mit den
Fleischgerichten bekommt er als Muslim dort ein Problem.
Weil er bei seiner Ausbildung an der Dresdner Euro-Schule „nicht stinken
möchte“, kalkuliert der Asylbewerber 12 Euro monatliche Ausgaben für
Hygiene. Da ist der Friseur nicht dabei, den ihm ein deutscher Freund oder
der Flüchtlingsrat spendiert. So kam er auch zu seinen Schuhen. Seine
Kleidung besorgt er sich für einen Euro beim Roten Kreuz.
An Ausgaben für kulturelle Veranstaltungen, etwa für Eintrittsgelder, sei
überhaupt nicht zu denken, winkt Abdelnasser Khawaja ab. Von der
bevorstehenden Verfassungsgerichtsentscheidung zum
Asylbewerberleistungsgesetz hat er noch nichts gehört. Aber es wäre „schon
sehr viel“, danach vielleicht 250 Euro in der Hand zu haben, sagt er und
strahlt endlich doch ein bisschen.
2011 beantragten 33 Jordanier, darunter eine unbekannte Zahl Palästinenser
aus den Westjordanland, Asyl. Nur zwei wurden anerkannt.
17 Jul 2012
## AUTOREN
Michael Bartsch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Minderjährige Flüchtlinge in Bayern: „Wir werden hier verrückt“
In der Bayernkaserne in München leben minderjährige unbegleitete
Flüchtlinge. Ihr Aufenthalt dort ist weder kindgerecht noch menschenwürdig.
Ein Besuch.
Leistungen für Asylsuchende: Essenspakete statt Hartz IV
Viele Bundesländer wollen Flüchtlingen weiterhin den Speiseplan
vorschreiben. Statt Geld geben sie Sachleistungen aus. Das könnte bald
durch eine EU-Richtlinie untersagt werden.
Urteil zu Leistungen für Asylbewerber: Endlich Existenzminimum
Die Karlsruher Verfassungsrichter urteilen gegen eine 19 Jahre alte
Regelung. Nun sollen Flüchtlinge endlich eine Grundsicherung in
angemessener Höhe erhalten.
Kommentar Asylbewerberleistungsgesetz: Urteil gegen Ausgrenzung
Das Karlsruher Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Meilenstein.
Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt nicht nur für
Deutsche.
Leistungen für Asylbewerber: Zu wenig, um menschenwürdig zu sein
Die staatlichen Hilfen für Asylbewerber müssen in etwa auf das Niveau von
Sozialhilfe und Hartz IV erhöht werden. Dies entschied das
Bundesverfassungsgericht.
Asylbewerber in Deutschland Teil III: Kein Sportverein, kein Deutschkurs
Dürfen Asylbewerber weniger Geld bekommen als Hartz-IV-Empfänger? Das
entscheidet jetzt das Verfassungsgericht. Wie lebt es sich von 224,97 Euro
monatlich in Deutschland?
Kommentar Hartz IV für Asylbewerber: Verweigerte Würde
Jahrelang wurde von allen Seiten ignoriert, dass Asylbewerbern ein Leben
unter dem Existenzminimum zugemutet wird. Das muss sich sehr schnell
ändern.
Asylbewerber in Deutschland Teil I: Seit 8 Jahren das gleiche Essen
Dürfen Asylbewerber weniger Geld bekommen als Hartz-IV-Empfänger? Das
entscheidet jetzt das Verfassungsgericht. Wie lebt es sich von 224,97 Euro
monatlich in Deutschland?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.