| # taz.de -- Menschenhandel in der EU: „Eine Schande für Schweden“ | |
| > Bulgarische Arbeiter werden mit falschen Versprechen als Beerenpflücker | |
| > in schwedische Wälder gelockt. Als Arbeitskräfte aus einem EU-Land sind | |
| > sie rechtlos. | |
| Bild: Für die bulgarischen Beerenpfücker haben die sonst so süßen Früchte … | |
| STOCKHOLM taz | „Menschenhandel“ – „Skrupellose Ausbeutung“ – | |
| „Menschenunwürdige Verhältnisse“ titeln die Zeitungen. Tatort: die | |
| schwedischen Wälder. Täter: die Beeren-Branche. Für die Knochenarbeit des | |
| Akkordpflückens heuert sie sich jeweils die billigste Arbeitskraft an, die | |
| es gerade auf dem Markt gibt. In diesem Sommer scheinen das Menschen aus | |
| Bulgarien zu sein. | |
| Zu Hunderten wurden sie mit falschen Versprechungen über | |
| Verdienstmöglichkeiten, Arbeits- und Unterkunftbedingungen nach Schweden | |
| gelockt. Viele sitzen nun ohne Geld für die Rückreise fest. Mehrere Dutzend | |
| campieren seit einigen Tagen vor der bulgarischen Botschaft in Stockholm. | |
| Statt den versprochenen Wohnungen gab es für 500 Menschen, darunter auch | |
| Mütter mit kleinen Kindern, nur ein primitives Zeltlager mitten im Wald: | |
| keine Toiletten, Waschen in einem See, Trinkwasser mehrere Kilometer | |
| entfernt. Statt einem Stundenlohn gibt es Bezahlung nach gepflückten | |
| Kilogramm – und je nach Gegend sind in diesem Jahr Blaubeeren ausgesprochen | |
| dünn gesät. Manche der Arbeiter suchen sich etwas zu essen in den | |
| Mülltonnen der umliegenden Dörfer. | |
| Die Meldungen gleichen denen der vergangenen Jahre. Nur waren die | |
| Beerenpflücker damals aus Thailand, Vietnam oder China. Um solcher | |
| Ausbeutung einen Riegel vorzuschieben, verhandelten die schwedischen | |
| Gewerkschaften mit der Beerenbranche mittlerweile Mindestarbeitsbedigungen | |
| für Arbeitskraft aus Nicht-EU-Ländern aus. So wird zum Beispiel ein | |
| Mindestlohn von umgerechnet knapp 1500 Euro garantiert. | |
| ## Wenigstens Brot und Wasser von der Botschaft | |
| Doch die Branche hat ein billigeres Schlupfloch gefunden: Für Arbeitskraft | |
| aus EU-Ländern gibt es weder Mindestlohn noch Mindestarbeitsbedingungen. | |
| Nun muss man nur noch Menschen finden, die wegen der prekären Verhältnisse | |
| in ihren Ländern auf der Basis bloßer Versprechungen ihr Glück versuchen. | |
| Viele BulgarInnen haben sich hilfesuchend an die schwedischen Sozialämter | |
| gewandt. Doch die halten sich nicht für zuständig und verweisen an die | |
| bulgarische Botschaft. Vor deren Gebäude hat die Stadt Stockholm | |
| mittlerweile einen Bus zur Übernachtung aufgestellt. | |
| Ohne Garantien dürfe man kein Geld zur Finanzierung der Rückreise leihen, | |
| bedauert Botschaftsrätin Tatiana Petrova. Man tue alles, um eine Lösung zu | |
| finden. Wenigstens erhalte man von der Botschaft zweimal am Tag Wasser und | |
| Brot, erzählt ein Bulgare. „Eine Schande für Schweden“, kommentiert | |
| Göteborgs-Posten. | |
| 23 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Diplomaten misshandeln Angestellte: Das Recht der Sklaven | |
| Schützt diplomatische Immunität Menschenschinderei? Die Frage hätte ein | |
| Prozess um Misshandlung von Hausangestellten beantworten können. Tat er | |
| aber nicht. | |
| 8,50 Euro für alle: Die Rechnung kommt später | |
| Rot-Grün beschließt im Parlament einen Mindestlohn. Über die finanziellen | |
| Folgen für gemeinnützige Träger in Bremen wird aber erst danach geredet. | |
| Streit der Woche: Hartz IV für Asylbewerber? | |
| Flüchtlinge erhalten derzeit 40 Prozent weniger Geld als | |
| Hartz-IV-Empfänger. In der nächsten Woche urteilt darüber das | |
| Bundesverfassungsgericht. | |
| Miese Arbeitsbedingungen bei „Karls Hof“: „Unerträgliche Erdbeer-Nazis“ | |
| Viele Städte sind mit den quietschroten Verkaufsbüdchen geradezu | |
| überschwemmt: Es ist Erdbeerzeit. Doch wer die Früchte verkaufen muss, hat | |
| einen prekären Job. | |
| Europäischer Arbeitsmarkt: EU-Kommissar fordert Mindestlohn | |
| Sozialkommissar Andor schlägt ein Jobpaket für alle EU-Länder vor, | |
| inklusive Mindestlohn. Bindend soll es nicht sein – vor allem nicht in | |
| Griechenland. |