# taz.de -- Europäischer Arbeitsmarkt: EU-Kommissar fordert Mindestlohn | |
> Sozialkommissar Andor schlägt ein Jobpaket für alle EU-Länder vor, | |
> inklusive Mindestlohn. Bindend soll es nicht sein – vor allem nicht in | |
> Griechenland. | |
Bild: Mit EU-Sozialkommissar Andor findet sich eine weitere Stimme für den Min… | |
BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission fordert zur Überwindung der Krise | |
Mindestlöhne in allen Mitgliedsländern – auch in Deutschland. Die | |
Mindestlöhne dürften nicht zu niedrig ausfallen und müssten regelmäßig von | |
Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern überprüft werden, sagte | |
Sozialkommissar László Andor am Mittwoch in Straßburg. Indirekt widersprach | |
er damit Währungskommissar Olli Rehn, der sich für eine Kürzung des | |
Mindestlohns in Griechenland stark gemacht hatte. | |
23 Millionen EU-Bürger sind ohne Arbeit. Und selbst jene, die einen Job | |
haben, sind nicht mehr vor Armut gefeit: Mehr als 8 Prozent der | |
Arbeitnehmer in der EU müssten von Armutslöhnen leben, kritisiert Andor. | |
Das Problem sei besonders in Ländern ohne oder mit niedrigem Mindestlohn | |
groß. Dort komme es oft zu einem Unterbietungswettbewerb. | |
Der Mindestlohn ist daher ein zentraler Teil des Jobpakets, mit dem die | |
EU-Kommission die Misere auf dem europäischen Arbeitsmarkt überwinden will. | |
Allerdings ist sie sich ihrer Sache offenbar selbst nicht ganz sicher. Denn | |
zum einen ist das Paket nicht bindend – die Bundesregierung kann den Appell | |
aus Brüssel also ungestraft ignorieren. Zum anderen verfolgt die Kommission | |
in der Schuldenkrise selbst einen ganz anderen Kurs. | |
So wurde der Mindestlohn in Griechenland um 22 Prozent auf 586 Euro | |
gekürzt, die Tariflöhne dauerhaft eingefroren. Ein Sprecher von | |
Währungskommissar Rehn hatte Mühe, den Widerspruch zu erklären. Die Krise | |
in Griechenland sei das Ergebnis einer unverantwortlichen Politik, sagte | |
er. Außerdem müsse Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit | |
wiederherstellen. | |
In dasselbe Horn blies gestern Kommissionspräsident José Manuel Barroso, | |
der einen Wachstums- und Beschäftigungsplan für Griechenland vorstellte. | |
Das Land sei ein Sonderfall und müsse an Haupt und Gliedern reformiert | |
werden. Schiffsbau, Tourismus und erneuerbare Energien könnten Griechenland | |
aus der Krise helfen. Die EU fordere nicht nur Kürzungen, sondern kümmere | |
sich auch um Jobs, so Barrosos Botschaft. | |
Bisher haben die Reformen nur zu einem rasanten Anstieg der | |
Arbeitslosigkeit geführt. Ob das neue, für die gesamte EU gedachte Jobpaket | |
den Trend umkehren kann, ist zweifelhaft. Neben Mindestlöhnen setzt es | |
nämlich auf klassische liberale Rezepte: völlige Öffnung der Arbeitsmärkte | |
für Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern und Senkung der Lohnnebenkosten. | |
Für Deutschland würde das bedeuten, dass künftig auch Bulgaren und Rumänen | |
zu Niedrigstlöhnen arbeiten dürften und dass die Konkurrenz steigt. Ohne | |
Mindestlohn dürfte das die Problematik des Lohndumpings noch verschärfen. | |
18 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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