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# taz.de -- Rassismus in Norwegen: Zurück zum Hass
> Ein Jahr nach den Breivik-Morden grassiert in norwegischen Zeitungen und
> Internetforen Hassrethorik. Ziel ist eine Gruppe von etwa 200 Roma, die
> in Oslo betteln.
Bild: Drei von vier Norwegern wollen Betteln in Oslo verbieten.
STOCKHOLM taz | „Das ist Völkermordrhetorik. Man muss das einfach mal beim
Namen nennen“, sagt Claudia Lenz vom norwegischen
Menschenrechtsforschungszentrum. Sie schreckt auch nicht vor drastischen
Vergleichen zurück: „Das ist eine Rhetorik, die einer ganzen Gruppe die
Menschenrechte schlichtweg absprechen will.“
Gemeint ist eine Gruppe von etwa 200 rumänischen Roma, die in Oslo betteln.
Das ist nicht verboten und das haben sie in vergangenen Jahren auch getan.
Doch dieses Jahr scheint das für viele völlig unerträglich zu sein. Laut
einer Umfrage wollen drei von vier NorwegerInnen Betteln verbieten.
Der konservative Hauptstadtbürgermeister Fabian Stang reagierte darauf
gleich positiv. Doch ein Kommentar in der Zeitung Dagsavisen fragte
bestürzt: „Sind wir Norweger nun schon so weit, dass wir Arme hassen? War
nicht Solidarität ein Grundstein unserer Gesellschaft – und wo ist sie,
wenn sie wirklich gebraucht wird.“
Am kommenden Sonntag wird Norwegen sich zum Jahrestag der Terroranschläge
vom 22. Juli offiziell als Nation präsentieren, die geschlossen Hass und
Rassismus ablehnt. Gleichzeitig ist das Internet in sozialen Foren und in
den Kommentarspalten der Zeitungen voller Hassrhetorik: „Ratten!“,
„Zigeuner sind nicht Menschen, sondern Müll“, „Ich helfe gerne, den Knot…
für die Schlinge zu knüpfen“.
## Verstöße gegen Ordnungsvorschriften
„Die Norweger wollen wohl weniger das Betteln, als die Roma verbieten“,
meint ein anderer Kommentar. Schuld daran sei neben den Medien nicht
zuletzt die Polizei. 68 von 69 kontrollierten Roma hätten sich als
„kriminell“ erwiesen, berichtete beispielweise die Osloer Polizeiführung.
Neben tatsächlichen vereinzelten Ladendiebstählen waren aber ganz
überwiegend Verstöße gegen Ordnungsvorschriften wie „unerlaubtes Zelten“,
„aggressives Betteln“ oder „Urinieren an öffentlichen Plätzen“ gemein…
Auch die Politik schürt die Konflikte, weil sie es unterließ, den Roma
einen Platz für ihr Zeltlager zuzuweisen. Als diese daraufhin in
städtischen Parks nächtigten, wurde die Polizei eingesetzt, um sie zu
vertreiben. Vergangene Woche besetzten die Roma daraufhin den Park um die
Sofienbergs-Kirche mitten in Oslo.
Die Kirche erklärte sich bereit, diese Besetzung für einige Tage als
„politisches Signal“ zu dulden, bat die Roma aber dann, zum Wochenende das
Grundstück wieder zu verlassen. Am neuen Lagerplatz, den die Behörden den
Roma zuwiesen, protestierten prompt dortige AnwohnerInnen. „Wir wollen die
hier nicht haben“, hieß es.
Der ehemalige liberale Justizminister Odd Einar Dørum zeigte sich bestürzt.
„Man stellt ohne den geringsten Beweis Kriminalität und Armut gleich, man
spricht Menschen den Wert ab, nur weil sie anders gekleidet sind.“ Und
weiter fragte Dorum: „Wir haben uns doch gegenseitig Offenheit und Respekt
versprochen. Ist das denn nach einem Jahr schon wieder alles vergessen?“
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Linkssozialisten Bård Vegar
Solhjell stimmte in die Kritik ein: „Eine Woche vor dem 22. Juli: Habt ihr
etwas gelernt oder nicht?“
„Deportation“ lautet das Rezept von Siv Jensen, Vorsitzender der
„Fortschrittspartei“: „Alle in Busse und ab damit.“ Die Rechtspopulisten
haben das „Breivik-Tief“ überwunden. Statt einem Stimmenanteil von 11
Prozent wie bei der Kommunalwahl vor zwei Monaten ist die
ausländerfeindliche Partei nun für mehr als 20 Prozent der NorwegerInnen
wieder erste Wahl.
16 Jul 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Urheberrecht
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