# taz.de -- Halbe Rückkehr zum 13-Jahre-Abitur: Bayerns Schüler dürfen nachs… | |
> Von Opposition und Wählerwillen getrieben, plant die bayerische | |
> CSU-Regierung ein optionales Zusatzjahr im achtjährigen Gymnasium. Und | |
> kürzt die Lehrpläne. | |
Bild: Für sie kommt die Reform zu spät: Der Abijahrgang 2012 in Bayern musste… | |
MÜNCHEN taz | Bayerns Gymnasiasten sollen künftig wählen können, ob sie | |
zwölf oder dreizehn Jahre zur Schule gehen, um das Abitur zu machen. | |
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verständigte sich am Montagabend mit | |
Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) und ausgewählten Lehrer-, Eltern- und | |
Schülervertretern darauf, ab Herbst 2013 ein zusätzliches | |
„Flexibilisierungsjahr“ einzuführen. | |
Bayern folgt damit dem Beispiel Nordrhein-Westfalens und | |
Baden-Württembergs, wo ebenfalls eine partielle Rückkehr zum neunjährigen | |
Gymnasium getestet wird. Auch Schleswig-Holstein und Hessen sind dabei, das | |
Turboabitur zu entschleunigen. | |
Bayern dreht die Uhr aber nur halb zurück. In einem zusätzlichen Schuljahr | |
sollen SchülerInnen die Option haben, die Fächer zu intensivieren, in denen | |
sie schlechte Leistungen erbracht haben. Das „Flexibilisierungsjahr“ soll | |
in den Klassenstufen acht, neun oder zehn angeboten werden. Die bayerischen | |
Gymnasien sollen im kommenden Schuljahr individuelle Lösungsvorschläge | |
dafür erarbeiten. | |
Außerdem sieht die Reform weitere Lehrplankürzungen vor. Eine „integrierte | |
Lehrerreserve“, also 250 zusätzliche Lehrer und 4,5 Millionen Euro | |
zusätzliches Budget, sollen den Mehraufwand decken, der durch das | |
Flexibilisierungsjahr entsteht. Eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium | |
will Bayern im Gegensatz zu anderen Bundesländern damit nicht vollziehen. | |
Aufgrund der anhaltenden Proteste und Klagen von Lehrern, Schülern und | |
Eltern hatte Seehofer die Debatte um das verkürzte G8 zur Chefsache erklärt | |
und einen runden Tisch initiiert. Seit das achtstufige Gymnasium vor acht | |
Jahren vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und seiner | |
Kultusministerin Monika Hohlmeier trotz Protesten angeordnet wurde, kämpft | |
die CSU mit den Folgen dieser überstürzten Aktion. | |
## 3,7 Prozent fielen durchs Abitur | |
Dass beim letzten Abiturjahrgang nun plötzlich 3,7 Prozent der SchülerInnen | |
statt etwa 1 Prozent im G9 durchs Abitur fielen, hatte die Debatte um das | |
verkürzte Gymnasium zusätzlich angeheizt. Es scheint, als habe Seehofer das | |
Problem vor den Sommerferien lösen wollen: Am Dienstag wurden die | |
Jahreszeugnisse verteilt. | |
Auch das Abschneiden der CSU bei den Landtagswahlen 2013 hat Seehofer | |
offenbar im Blick. Parteiintern wird das schlechte Wahlergebnis bei der | |
Landtagswahl 2008 unter anderem auf die Einführung des G8 zurückgeführt. | |
Bei der nächsten Wahl will Seehofer Eltern und Lehrer nicht erneut | |
vergraulen. | |
Angestoßen hatte die Debatte die bayerische Opposition. Bereits im März | |
forderte der Spitzenkandidat der SPD, Christian Ude, in Bayern eine | |
Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Hektisch verkündete Kultusminister Spaenle | |
daraufhin erstmals ein zusätzliches Intensivierungsjahr fürs Gymnasium. | |
Kritik an der geplanten Reform kommt vom Bayerischen Lehrer- und | |
Lehrerinnenverband (BLLV). Mit einem „Flexibilisierungsjahr“ und | |
punktuellen Kürzungen im Lehrplan ließen sich die gravierenden Probleme an | |
den bayerischen Gymnasien nicht lösen, sagt BLLV-Präsident Klaus Wenzel. | |
„Ich habe den Eindruck, hier ist ein unkontrollierter Aktionismus am Werk, | |
mit dem der verzweifelte Versuch unternommen wird, Lösungen zu finden, ohne | |
etwas verändern zu müssen.“ | |
Auch die Vorsitzende der Gymnasialeltern Bayern, Ulrike Köllner, tadelte | |
die geplante Reform als „Augenwischerei“. Das Grundübel des bayerischen | |
Gymnasiums – zu starker Leistungsdruck, überforderte SchülerInnen und ein | |
hoher Bedarf an außerschulischer Nachhilfe – werde nicht behoben. Lehrer- | |
und Elternverbände erwarten zudem, dass nur wenige SchülerInnen das | |
geplante Zusatzjahr absolvieren werden. Zu groß sei der Druck, der durch | |
die achtjährigen Gymnasien entstehe. | |
31 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
## TAGS | |
Gymnasium | |
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