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# taz.de -- Bayern macht Schule: Mit dem Turbo-Abi ins Chaos
> Auf der Zielgerade kommen viele G8-Abiturienten ins Schleudern. Unlösbare
> Abi-Aufgaben und hoher Leistungsdruck sind Normalität. Für Freitag rufen
> Schüler und Eltern zu Protesten auf.
Bild: Teilweise kommen die SchülerInnen fünfmal pro Woche nach 16 Uhr von der…
Eigentlich dachte man, der Protest gegen das verkürzte Gymnasium sei durch,
aber weit gefehlt. Der erste Jahrgang des beschleunigten Jahrgangs ist
gerade in der elften Klasse angekommen, zum Beispiel in Bayern, und was
Schüler dort erleben, klingt unglaublich. "Die Mädchen weinen recht viel in
letzter Zeit."
So lautet der Satz über jene, die seit Jahren Zeit die besten Abiture
ablegten. Vergangenheit - nun brechen die ehrgeizigen jungen Frauen
reihenweise zusammen. Sie verzweifeln an eigenen Erwartungen - und dem
enormen Druck, den die beschleunigte Schule ausübt. Teilweise kommen die
SchülerInnen fünfmal pro Woche nach 16 Uhr von der Schule. Sie lernen, wie
sie versichern, abends bis 23 oder 24 Uhr. Der bayerische Kultusminister
Ludwig Spaenle (CSU) hat derweil Aufgaben für das neue Abi ins Netz
gestellt - die sich als unlösbar erwiesen. Selbst wohlmeinende Lehrer
erhöhen den Druck: Sie winken ab und raten zu Coolness - "denn ihr bekommt
in München sowieso keinen Studienplatz." Das ist der besondere Zynismus des
Turbo-Abis - denn der jetzige, sogenannte Q11-Jahrgang wird kommendes Jahr
zusammen mit der alten 13. Klasse der Kollegstufe auf den Markt kommen. Ob
dann genug Studienplätze da sind, wer das bessere Ende in der Hand halten
wird - keiner weiß es. "Es geht um Lebenschancen", sagt ein
Gymnasialrektor, "Eltern haben Angst, dass ihre Kinder die Leidtragenden
sein werden."
Bayern, das nach guten Pisa-Ergebnissen für viele die
Muster-Bildungsrepublik war, chaotisiert seine hohen Schulen. Denn wie man
auf die neuerliche Bildungskrise reagieren wird, ist völlig unklar. Die
Rektoren raten, man müsse den ersten Jahrgang durchlaufen lassen, um erst
mal Erfahrungen zu sammeln. Der Bildungsminister wechselt derweil alle
daumlang die Pferde. Zunächst setzte er, typisch bayerisch, auf das höchste
Niveau bei den Abi-Aufgaben. Nun hat er gemerkt, dass das angesichts des
Abschaffens der bisherigen Wahl-Leistungskurse nicht sinnvoll ist. Also
ordnete er an: Die für alle verpflichtenden Abiturfächer Mathe, Deutsch,
eine Fremdsprache sollen in der Oberstufe künftig auf auf dem Niveau der
bisherigen Grundkurse gehalten werden.
"Die neuen Q11-Oberstufe triebt das Bulimie-Lernen und die Probleme des
G8-Gymnasiums auf die Spitze", sagt Ulrike Köllner, Vorsitzende der
bayerischen Gymnasialeltern. Die künftigen Turbo-Abiturienten wollen sich
indes wehren. Sie beklagen, dass sie in der Praxis 34 bis 38 Wochenstunden
in der Schule sind. "Wegen zu wenig Vorbereitungszeit und hoher
Klausurendichte besteht ein kaum zu bewältigender Leistungsdruck." Die
Schüler - und die Eltern - rufen daher für Freitag zu Protestdemos in sechs
bayerischen Städten auf. Mal sehen, ob das Anfang oder Ende des Unbehagens
sein wird. (Außer Frau Köllner wollte keiner der Zeugen seinen Namen in der
Zeitung lesen - aus Angst vor Repression.)
10 Feb 2010
## AUTOREN
Christian Füller
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