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# taz.de -- Sicheres Chatten mit Crypto.cat: Der Katzenkryptograf
> Nutzer haben Vieles im Netz nicht unter ihrer Kontrolle, findet Nadim
> Kobeissi. Deshalb hat er einen verschlüsselten Browserchat erfunden.
Bild: Die rote Katze wird gleich den bösen Lauscher besiegen.
BERLIN taz | Die Katze ist rot, hat süße Kulleraugen und sitzt schüchtern
in einer Ecke. Kaum zu glauben, dass das grob gepixelte Kuscheltier ein
staats- und überwachungsfeindliches Anliegen hat: Das Projekt
[1][crypto.cat], für das die Katze symbolisch steht, macht es auch für
blutige Internet-Laien und Technik-FeindInnen möglich, verschlüsselt im
World Wide Web zu chatten – also ohne abgehört zu werden.
Nadim Kobeissi, der Initiator von crypto.cat, ist ein 21-jähriger
kanadischer Student der Philosophie und Politikwissenschaften mit
libanesischen Wurzeln. Er liebt Katzen und Kryptografie, die Wissenschaft
der Verschlüsselung – Daten in Datensalat zu verwandeln und andersherum.
Einfacher geht es wirklich nicht: Man muss nichts installieren, keine
komplizierten Befehle eingeben, keine Handbücher lesen. Man surft mit dem
Browser auf die Website crypto.cat, tippt den gewünschten Namen des
virtuellen Chat-Raums ein, ein beliebiges Pseudonym und legt los – falls
jemand da ist, den man kennt und mit dem man vertraulich und in Echtzeit
„schnattern“ will.
Die Technik des Katzenkryptografie-Projekts [2][ist anspruchsvoll], und
Open Source, also mit nachvollziehbarem Quellcode. Es richtet sich an
Menschen, die ganz allgemein ihre Privatsphäre schützen wollen, an
Mitglieder nicht-kommerzieller Organisationen, für die der Einsatz von
spezieller Krypto-Software bedeutete, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen,
an JournalistInnen, die geschützt Informationen in Echtzeit austauschen
wollen – im Hotel oder im Internet-Cafe, aber auch an Profis, für die
Verschlüsselung digitaler Daten zum Alltag gehört.
Die Gegner der roten Pixel-Katze sind schnell ausgemacht: Die
internationale Überwachungs-Lobby, aber vor allem auch die so genannten
sozialen Netze wie Facebook, Google Talk oder Internet-Telefonie via Skype.
Nadim Kobeissi warnt davor, dass diese Datenkraken „gigantische Massen“ von
Informationen über ihre Nutzer sammelten, sich aber um den Schutz der
Privatsphäre nicht kümmerten. „Vieles von dem, was ihr online macht, ist
nicht wirklich unter eurer Kontrolle“, sondern gerate in die Fänge von
Regierungen und Konzernen.
## Immer wieder unter Terrorverdacht
Die Veröffentlichungen der Enthüllungs-Plattform Wikileaks hat Kobeissi
nicht nur technisch unterstützt, sondern sogar eine Demonstration
organisiert. Mit dieser Einstellung macht man sich bei Sicherheitsbehörden
nicht beliebt. Doch offenbar war nicht die Demonstration denen ein Dorn im
Auge, sondern vielmehr sein Projekt crypto.cat. Regelmäßig findet er
[3][die Buchstaben „SSSS“ auf seiner Bordkarte]. Das bedeutet „Secondary
Security Screening Selection“ und ist bei Fluggesellschaften in den USA ein
Zeichen für Terrorverdacht. Für die Betroffenen bedeutet das
Leibesvisitationen auf Inlandsflügen und andere Schikanen.
Nadim Kobeissi lässt sich aber davon nicht beeindrucken. In einem Interview
[4][mit dem US-Magazin Wired] sagte er, man könne ihn aber nicht
einschüchtern. „Meine Freunde wurden 2008 im Libanon umgebracht, mein Haus
wurde zerbombt, mein Vater wurde 2008 ermordet. Wenn ihr mich ängstigen
wollt, dann müsst ihr mich schon an die Folterknechte Assads in Syrien
ausliefern.“
Crypto.cat ist auch ein Projekt für Internet-Nutzer in Ländern, in denen
die Bevölkerung gegen die Regierung aufbegehrt und der Zugang zum Internet
zensiert oder stark eingeschränkt ist und private Rechner eher die Ausnahme
sind. Ohne Browser kommt man im World Wide Web aber nirgendwo hin – und
mehr als einen beliebigen Browser braucht man nicht. Die Katzenkryptografie
hat noch einen Vorteil: Man kann sie sogar mit einem Smartphone wie Android
benutzen, obwohl Verschlüsselung und Schutz der Privatsphäre das
Geschäftsmodell der Hersteller aushebeln.
## Ein Projekt für Laien
Nadim Kobeissis Idee ist nicht neu: Verschlüsselten Chat gibt es schon seit
Anfang der neunziger Jahre. Nur schreckte der technische Aufwand Laien ab:
Wer weiß schon, mit welchem Internet-Relay-Chat-Client asymmetrische
Kryptografie mit ein paar Mausklicks zu bewältigen ist oder wie man
Instant-Messaging-Software dazu bringt, in Echtzeit digitales Plaudern vor
Lauschern jedweder Art zu verbergen? Revolutionär ist, Krypto-Chat für den
Nutzer einfach gemacht zu haben. Der Nachteil: Man muss das unter Umständen
gefährliche Javascript im Browser immer noch erlauben.
Aber Kobeissi hat schon wieder eine Idee, wie er nicht nur Laien, sondern
auch Geeks und Nerds glücklich machen könnte: Demnächst will er die
Katzenkryptografie auch in „traditionellen“ Chat-Clients wie Jabber
implementieren.
1 Aug 2012
## LINKS
[1] http://crypto.cat/
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Elliptic_Curve_Cryptography
[3] http://twitter.com/kaepora/status/214366136421203968/photo/1
[4] http://www.wired.com/threatlevel/2012/07/crypto-cat-encryption-for-all/
## AUTOREN
Burkhard Schröder
## TAGS
Datenschutz
Firefox
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
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