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# taz.de -- Syrische Sportler in London: Alles kein Problem
> Die syrische Schwimmerin Bayan Jumah stammt aus Aleppo, wo derzeit
> Bürgerkrieg herrscht. Davon will sie aber nichts wissen. „Es ist nichts
> passiert“, sagt sie.
Bild: Die syrische Schwimmerin Bayan Jumah will sich nur auf ihren Wettkampf ko…
Bayan Jumah ist ein wenig enttäuscht. Nach 59,78 Sekunden hatte sie
angeschlagen und ihre Bestzeit über 100 Meter Freistil verfehlt. Dennoch
war es ein großer Tag für sie. Sie sagt, was beinahe alle Sportler sagen:
„Es ist einfach das Größte, bei Olympia antreten zu dürfen.“
Doch von ihr will so etwas niemand wissen. Jumah ist eine der zehn
Athletinnen und Athleten, die Syrien für die Spiele gemeldet hat. Sie kommt
aus Aleppo, wo im Bürgerkrieg der Herrscherarmee gegen die Rebellen derzeit
heftig gekämpft wird. Ihre Familie wohnt in der Stadt.
Die große junge Frau, die im April 18 geworden ist, geht freundlich auf die
Journalisten zu. Sie beantwortet Fragen auf Englisch, Französisch und
Arabisch. Doch ihr Lächeln bezaubert niemanden an diesem Vormittag. Es
wirkt kalt. „Ja, ich stehe mit meiner Familie in Kontakt“, sagt sie, „es
ist nichts passiert.“
Ob sie Angst um ihre Familie habe? „Nein, ich habe keine Angst. Meine
Familie wohnt im Stadtzentrum, da ist es ruhig.“ Sie friert, beginnt zu
zittern. Nach den Spielen reist sie zurück in ihre Heimat. Auch davor hat
sie keine Angst. „Ich war vor den Spielen auch kurz in Syrien, alles kein
Problem.“
## „Alles andere interessiert mich nicht“
Jumah war 17, als sie ihre Heimat verlassen hat. Sie trainiert im
französischen Rouen. Im September 2011 kam sie dort an, ohne ein Wort
Französisch zu sprechen. Man wollte ihr helfen. „Sprungbrett für die
Spiele“ heißt ein Programm des französischen Olympiakomitees, das ihr den
Trainingsaufenthalt ermöglicht hat.
Zwei Jahre davor war sie von Aleppo nach Damaskus gezogen, wo es eines der
wenigen großen Becken in Syrien gibt. Sie ist eine selbständige junge Frau.
Doch ihre Welt ist klein. „Für mich gibt es nur das Schwimmbecken, alles
andere interessiert mich nicht.“ Ob sie denn die Nachrichten aus Syrien
verfolge. „Nein“, sagt sie. Das lenke sie nur ab vom Sport.
Jumah, die die syrischen Rekorde über 50, 100 und 200 Meter Freistil hält,
ist ausgeschieden nach den Vorläufen. Weiß sie schon, wie sie jetzt nach
Hause kommt zu ihrer Familie in Aleppo? „Klar, kein Problem.“ Immer noch
lächelt sie. Dann richtet sie eine Grußadresse an das syrische Volk: „Ich
danke allen, die mein Rennen angeschaut haben.“
Die 1,84 Meter große junge Frau will nicht herauskommen aus ihrem
Olympiatunnel. Neu ist das Ambiente für sie indes nicht. Schon vor vier
Jahren gehörte sie dem syrischen Team an und war für die 50 Meter
Freistilstrecke gemeldet. 14 war sie da. Doch sie trat nicht an und sorgte
damit für Schlagzeilen.
Sie sollte auf der Bahn neben Anna Gostomelsky aus Israel schwimmen, kam
aber nicht. Ein Grund für ihr Fernbleiben wurde nicht genannt. Fragt man
Jumah heute nach den Gründen, dann sagt sie, dass sie sich an der Schulter
verletzt habe. Sie war 2008 ein Politikum der Spiele.
## Assad-Schwager zu Pferde
Ein solches ist sie 2012 nicht – im Gegensatz zu einem anderen Mitglied der
syrischen Olympiamannschaft. Der Reiter Achmad Saber Hamcho, der mit seinem
Pferd Wonderboy am Springwettbewerb teilnehmen wird, ist mit
Staatspräsident Baschar al-Assad verschwägert. Sein Vater Muhammad ist
einer der reichsten Männer Syriens. Mit seiner Holding Hamcho International
soll er einer der Devisenbeschaffer des Regimes sein.
Seinen 19-jährigen Sohn Ahmad, dem er das teure Reithobby ermöglicht, wird
Papa Muhammed nicht anfeuern können. Für den Assad-Getreuen gilt ein
Einreiseverbot im Königreich. Im Gegensatz zu Schwimmerin Jumah, hält sich
der junge Herrenreiter mit politischen Statements nicht zurück.
Seit er gesagt hat, dass er nicht glaubt, das syrische Regime habe etwas
verbrochen, drohen Sympathisanten der syrischen Opposition in London mit
Protestaktionen gegen Hamcho. Was Bayan Jamah von ihrem Staatspräsidenten
hält, das darf die Welt nicht erfahren. Als der Name Assad genannt wird,
wird sie von einer Pressedame in die Umkleide geschoben.
1 Aug 2012
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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