# taz.de -- Verantwortungsfrage im Fall Drygalla: Prüfung der Gesinnung | |
> Weil sie seit Jahren mit einem führenden Neonazi liiert ist, verlässt | |
> Ruderin Nadja Drygalla überstürzt das olympische Dorf. Der DOSB versucht | |
> die Sache zu bagatellisieren. | |
Bild: Hat seltsame Freunde: Nadja Drygalla (Mitte) | |
Anderthalb Stunden saßen sie zusammen am Donnerstagabend: Michael Vesper, | |
der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Mario | |
Woldt, der Teamchef der deutschen Olympiaruderer, und Nadja Drygalla, die | |
junge Frau aus dem Achter, über deren [1][Beziehung zu einem Rostocker | |
Nazi] in der deutschen Mannschaftsleitung heftig diskutiert wurde. | |
Weitere Diskussionen soll es nicht geben. Die Athletin habe angeboten, das | |
Ruderdorf in Eton zu verlassen und nach Hause zu fliegen. Vesper begrüßte | |
diese Entscheidung und berichtete von einer Art Gesinnungsprüfung, der er | |
die Athletin unterzogen habe. | |
Die habe ergeben, dass sie die Werte der Olympischen Charta respektiere, in | |
der es heißt: „Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person | |
aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen | |
Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.“ | |
Drygalla stehe „auf dem Boden nicht nur des Grundgesetzes“, postulierte | |
Vesper. | |
Jeder Klartext wurde peinlich vermieden an diesem Vormittag im Deutschen | |
Haus, in dem man sich allmorgendlich versammelt, um gemeinsam mit der | |
Presse deutsche Erfolge zu feiern. Man habe „Informationen aus dem privaten | |
Umfeld der Athletin“ erhalten, sagte Vesper, mehr nicht, er wollte nicht | |
einmal sagen, ob die 24-jährige Drygalla wirklich mit jenem Michael Fischer | |
liiert ist, der seit Jahren ein führender Kopf der Naziszene in | |
Nordostdeutschland ist. | |
## Worte wie rechtsextrem wurden nicht verwendet | |
Es gelang dem Generaldirektor des DOSB sogar, Worte wie rechtsextrem oder | |
Neonazi gar nicht erst zu verwenden. Es war ein bemerkenswert verdruckster | |
Auftritt, den der DOSB da hingelegt hat, ging es doch um nichts anderes als | |
die Beziehung einer Olympiateilnehmerin mit einem Nazi. | |
Geradezu empört reagierte Vesper auf die Frage, ob es nicht gespenstisch | |
sei, wie nah der Neofaschismus inzwischen auch dem Olympiateam kommen | |
könne. „Das ist eine Unterstellung“, beschwerte sich der Chef de Mission | |
des deutschen Teams und beschwor die demokratischen Werte des deutschen | |
Sports. Gleiches tat auch Martin Sauer, der Steuermann des Goldachters, der | |
in Bochum Jura studiert. | |
Er meinte, dass gerade der Rudersport frei von rechtem Gedankengut sei. | |
Eine Gefahr sieht er nicht – dabei kommt auch Drygallas Partner Fischer aus | |
der Ruderszene. Bei der Junioren-WM 2006 vor sechs Jahren in Amsterdam | |
gewann er im Trikot mit dem Bundesadler auf der Brust Silber im Achter – | |
gemeinsam mit Eric Johannesen und Maximilian Reinelt, zwei Ruderern aus dem | |
am Mittwoch siegreichen Flaggschiff. Drygalla holte damals mit dem | |
Frauenachter Bronze. | |
Den Werten des deutschen Sports, von denen Vesper in einer Tour redete, | |
fühlte sich der ehemalige Nationalruderer Fischer nicht sonderlich | |
verpflichtet. Er ist ein strammer Neonazi geworden, der als einer der Köpfe | |
der sogenannten Rostocker Nationalen Sozialisten gilt. 2011 kandidierte er | |
für die NPD für den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern. | |
## Vermummt und militant | |
Wie militant er ist, hat er am 25. Februar bei der Gedenkfeier für den von | |
der NSU ermordeten Mehmet Turgut gezeigt. Er war einer der vermummten | |
Neonazis, die die Veranstaltung störten. Ein Polizeibeamter wurde dabei mit | |
einer Eisenstange verletzt. | |
Während Fischer in der Naziszene Karriere machte, schlug Drygalla eine | |
Sportlaufbahn ein. Sie begann eine Ausbildung bei der Polizei und ist in | |
den Genuss der Privilegien gekommen, die dort Spitzensportlern zuteil | |
werden. Im September 2011 quittierte sie den Dienst. | |
Dass das mit ihrer Beziehung zu einem Nazi zu tun haben könnte, will | |
Michael Vesper nicht ausschließen. Günther Hoffmann, langjähriger | |
Rechtsextremismus-experte in Mecklenburg-Vorpommern, hält dies ebenfalls | |
für möglich. Er sagt, dass die Beziehung von Fischer und Drygalla seit zwei | |
Jahren bekannt gewesen sei. | |
Am Freitagnachmittag teile das Innenministerium des Landes | |
Mecklenburg-Vorpommern mit, dass 2011 „Personen zum Bekanntenkreis von | |
Nadja Drygalla gehörten, die der offen agierenden rechtsextremistischen | |
Szene zugehörig sind“. Es seien daraufhin intensive Personalgespräche mit | |
der angehenden Polizeibeamtin geführt worden, die dazu geführt hätten, dass | |
Drygalla einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellte. | |
## Gesinnungstest bestanden | |
Mit Wirkung vom 30. September schied sie aus dem Polizeidienst aus. | |
CDU-Innenminister Lorenz Caffier sagt: „Entgegen anderslautender | |
Medienberichte zeichnet das Innenministerium für die Entsendung der | |
olympischen Teilnehmer nicht verantwortlich, sondern die jeweiligen | |
Sportverbände“. | |
Der DOSB versicherte am Freitag, erst am Vortag von der „Angelegenheit“ | |
erfahren zu haben. Beim Ruderverband soll man schon länger davon wissen. | |
„Ich glaube, dass da vor einigen Monaten mal ein Gespräch war“, sagte | |
Vesper, der froh sein dürfte, dass er verkünden konnte, die Abreise | |
Drygallas sei auf ihren eigenen Wunsch erfolgt. | |
Rausschmeißen hätte der DOSB sie nicht wollen. Vesper: „Man kann nicht | |
jemanden darüber definieren, was ein anderer tut.“ Weil Drygalla den | |
Gesinnungstest bei ihm bestanden hat, bleibt alles gut im deutschen Sport. | |
3 Aug 2012 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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