# taz.de -- Warum die NPD keinen Erfolg hat: Führer ohne Volk | |
> Warum kann die rechtsextreme NPD nicht von Europas Rechtspopulisten | |
> profitieren? Um das zu verstehen, muss man ihre Führungsriege besuchen. | |
Bild: Fällt nicht weit vom braunen Stamm: Holger Apfel. | |
Holger Apfel sitzt nicht, er thront einen halben Meter über mir auf einem | |
breiten Bürostuhl hinter seinem Schreibtisch. Der Platz, den er mir | |
zugewiesen hat, auf einem Sessel gute vier Schritte von ihm entfernt, | |
zwingt mich, während des Interviews zu ihm aufzuschauen. | |
Damals, im September 2010, als ich ihn im Dresdener Landtag für meine | |
Forschungsarbeit treffe, ist Apfel, weißes Sweatshirt, braune Igelfrisur, | |
Brille, Chef der sächsischen NPD. Gut ein Jahr später wird der Mann, der | |
einst auf einer Demo zusammen mit den Terroristen der Zwickauer Zelle | |
fotografiert wurde, zum Bundesvorsitzenden der rechtsextremen Partei | |
gewählt. Apfel ist jetzt einer der mächtigsten Neonazis Deutschlands. | |
So wichtig Apfel in der NPD ist, so politisch bedeutungslos ist seine | |
Partei. Und wird es auch bleiben. Zwar sitzt die NPD in zwei Landtagen, in | |
Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern, aber weitere Erfolge sind derzeit | |
nicht in Sicht. | |
Bei den letzten Bundestagswahlen erreichte die NPD gerade mal 1,5 Prozent – | |
trotz Wirtschaftskrise und großer Koalition. Die Mitgliederzahlen sinken | |
und finanziell steht die Partei seit Jahren nahe am Ruin, auch weil die | |
Bundestagsverwaltung nach wie vor 2,5 Millionen Euro wegen falscher | |
Rechenschaftsberichte von ihr zurückfordert. Über Großspender aus der | |
Wirtschaft ist in der Öffentlichkeit nichts bekannt, vor allem Zuwendungen | |
von Einzelpersonen, oft Erbschaften von „Altnazis“, füttern die NPD. | |
In vielen Ländern Europas sieht es für rechte Volksverführer besser aus: In | |
Österreich und der Schweiz, in Schweden, Norwegen und Finnland, den | |
Niederlanden und Belgien, in Dänemark, Italien und auch im großen | |
Frankreich – beinahe überall sind Rechtsaußenparteien einflussreicher als | |
die NPD. In den Niederlanden trug Geert Wilders, Islamhasser mit | |
wasserstoffblonder Föhnfrisur, bis vor Kurzem die Minderheitsregierung mit. | |
## Es gibt keinen Führer | |
Was aber unterscheidet die erfolgreichen Hassprediger im Ausland von denen | |
der NPD, die selbst in der Sarrazin-Debatte nicht punkten konnte? Eine der | |
offensichtlichsten Antworten auf die Frage gibt Holger Apfel selbst: „Die | |
NPD ist keine Führerpartei. Den Anspruch der NPD, den Haider zu machen, hab | |
ich nie gehabt.“ Genau so eine Figur haben aber fast alle erfolgreichen | |
Rechtsaußenparteien. Allen voran der Front National mit Marine Le Pen an | |
der Spitze. | |
Egal, ob man ihm seine Bescheidenheit glaubt, Apfel könnte so ein Führer | |
auch gar nicht sein. Der blasse Verlagskaufmann mit Wohlstandsbauch und | |
S-Fehler ist kein charismatischer Redner und auch keine strahlende | |
Integrationsfigur für die deutsche Rechte. Gerade erst hat Christian Worch, | |
einer der prominentesten Neonazis aus der Kameradschaftsszene, die neue | |
Partei „Die Rechte“ gegründet. Das treibt die Zersplitterung des | |
Rechtsaußenlagers voran. Die Reste der Republikaner und die Islamhasser von | |
Pro NRW wollen ohnehin nichts mit der NPD zu tun haben, obwohl viele | |
Mitglieder früher auch dort aktiv waren. | |
Apfel, der gern den bürgerlichen Biedermann mimt, scheint noch nicht einmal | |
die Kernklientel der NPD zufriedenzustellen. Und genau diese Kernklientel | |
ist wiederum ein weiterer Grund für den Misserfolg der Partei, denn anders | |
als Apfel versuchen viele NPD-Kader erst gar nicht, den radikal | |
nationalsozialistischen Kern der Partei zu überspielen. Wie die Mehrheit | |
der Partei tickt, wird beim stellvertretenden Parteichef Pastörs schon | |
deutlicher. | |
## „Waffen-SS war keine verbrecherische Organisation“ | |
Der akkurat gescheitelte Endfünfziger mit stechenden Augen empfängt mich in | |
Trachtenjacke. Sein holzvertäfeltes Büro im Schweriner Schloss, Sitz des | |
Landtags von Mecklenburg-Vorpommern, nutzt er, um sich in Gutsherrenmanier | |
zu gebärden. Pastörs spricht spitz und deutlich, seine Gestik und seine | |
Sprache wirken, als seien sie von dem Mann abgeschaut, der für das | |
schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte verantwortlich ist. Immer | |
wieder verkrampft er seine Hand beim Reden, ballt eine Faust. Gerade wurde | |
der bereits wegen Volksverhetzung verurteilte Pastörs der Verleumdung von | |
Holocaustopfern schuldig gesprochen. | |
Die NPD sei „nicht damit einverstanden, die deutsche Wehrmacht pauschal als | |
verbrecherische Organisation abzustempeln oder die Waffen-SS. Die SS war | |
die erste Freiwilligenarmee europäischen Geistes“, sagt er mir. | |
Alle ausländischen Rechtsaußenparteien achten dagegen in der Regel | |
akribisch darauf, nicht mit dem historischen Nationalsozialismus in | |
Verbindung gebracht zu werden, um nicht zu radikal zu wirken. Sie machen | |
auf Zeitgeist und spielen die Antiislamkarte aus – hetzen gegen Minarette | |
und Kopftücher. In der Wissenschaft werden diese populistischen | |
Gruppierungen als Rechtsaußenparteien neuen Typs bezeichnet, Organisationen | |
wie die NPD mit faschistoidem Duktus gelten als alter Typus. | |
„Wir wenden uns gegen die städtebauliche Verfremdung und Überfremdung, die | |
durch Moscheen entsteht. Das kann man natürlich plakativ darstellen. Aber | |
es gibt bei uns keinerlei Überlegungen, zum Beispiel, uns mit den Juden | |
Deutschlands zu verbinden im Kampf gegen den Islam, wie es der Vlaams | |
Belang in Antwerpen gemacht hat“, sagt Udo Voigt, Parteichef bis 2011, über | |
die Strategien der erfolgreichen Rechtsaußenparteien. | |
## Offener Antisemitismus | |
Voigt treffe ich in einem Biergarten in Berlin-Köpenick. Der ehemalige | |
Bundeswehroffizier mit Schnauzbart und tiefsitzenden Augen gibt sich | |
freundlich, fast kumpelhaft, trägt eine beige Weste und Socken in den | |
Sandalen. Und so leger wie er angezogen ist, plaudert er weiter und | |
offenbart das verschroben-hasserfüllte Weltbild seiner Partei: | |
„Antisemitismus ist in Deutschland sehr stark ausgeprägt, nicht, weil | |
rechte Parteien ihn fördern, sondern weil die Juden durch ihre eigene | |
Politik, durch ihr eigenes Handeln, durch ihr eigenes Auftreten den Anlass | |
dazu geben.“ | |
Eigentlich versucht die NPD seit Jahren von ihrer NS-Ausrichtung | |
abzulenken, der neue Parteichef Apfel propagiert das Konzept einer | |
bürgernahen, „seriösen Radikalität“. Ein interner Leitfaden empfiehlt, b… | |
Fragen nach der NS-Zeit auf die politischen Themen der Gegenwart | |
auszuweichen, mit ihrem Antisemitismus hält die Partei aber nicht hinterm | |
Berg – und so ist Apfels vermeintliche Distanzierung von NS-Kult und | |
Straßenschlägern nur ein Versuch, die Form zu ändern, nicht aber die | |
Inhalte. | |
Sogar die meisten ausländischen Rechtsaußenparteien wollen nichts mit den | |
deutschen Nazis zu tun haben. Offizielle Kontakte – das geben die NPD-Kader | |
offen zu – haben sie nur zu ähnlich extremistischen Sekten. Jobbik in | |
Ungarn und Chrysi Avgi in Griechenland sind die einzigen europäischen | |
Parteien mit nationalen Parlamentssitzen, die sich offen mit der NPD | |
arrangieren. Und so profitiert die NPD auch nicht vom Know-how | |
erfolgreicher Neonazis. Die Partei ist intellektuell ausgedünnt, viele | |
Kader sind schlicht nicht politikfähig. Pastörs schätzt den Anteil der | |
Akademiker in der NPD auf lediglich 3 bis 4 Prozent und nennt das „einen | |
guten Schnitt“. | |
Andreas Molau ist einer der wenigen, der mit abgeschlossenem Studium bei | |
der NPD aktiv war. Der ehemalige Waldorf-Lehrer galt als „Intellektueller“ | |
im Bundesvorstand der Partei. Nach persönlichen Zerwürfnissen mit anderen | |
NPD-Kadern wechselte er erst zur DVU, dann zur islamfeindlichen Gruppierung | |
Pro Köln. Im Juli hat er seinen Ausstieg aus der rechtsextremen Szene | |
bekannt gegeben. | |
## Die NPD ist verbrannt | |
Die NPD nennt er eine „verbrannte Marke“. Sein Kurs galt in der NPD als | |
weichgespült. „Als ich dann deutlich nach innen hin gesagt habe, was ich | |
mir eben vorstelle, wie zum Beispiel eine Außendarstellung ähnlich der | |
österreichischen FPÖ, klare Abgrenzung von Gewalt und historischem | |
Nationalsozialismus, habe ich eben gemerkt, dass die interne Unterstützung | |
plötzlich kippte“, sagt der Mann mit grau meliertem Haar, dezenter Brille | |
und sanfter Stimme. | |
Molau will offenbar wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren. Das | |
wird nicht einfach. Der Fall der Ruderin Nadja Drygalla zeigt, wie | |
allergisch die Öffentlichkeit auf alles reagiert, was der NPD mal nahe war. | |
Molaus Kurs war zu „bürgerlich“, zu subtil für die NPD. Was aber, wenn ei… | |
Partei auftaucht, die den Rechtspopulismus anderer europäischer Parteien | |
geschickter imitiert? Sollte sich ein unzufriedener Anhänger einer | |
etablierten Partei engagieren, einer mit bekanntem Gesicht – die Chancen | |
für rechten Populismus würden steigen. Hier lauert die wahre Gefahr. | |
23 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Robert Ackermann | |
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
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