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# taz.de -- Energiepolitik in Japan: Sayonara, Atomkraft
> Japans Regierung will offenbar einen Atomausstieg bis 2030 prüfen. Die
> Gründe hierfür sind die anstehende Wahl und ein erhoffter
> Wirtschaftsschub.
Bild: Symbolkopf für Atomenergie: Japans Premierminister Noda.
TOKIO taz | Mit versteinertem Gesicht lauschte Premierminister Yoshihiko
Noda den Forderungen der Anti-AKW-Bewegung: kein Neustart von
Atomreaktoren, Verzicht auf die Nominierung des AKW-Befürworters Shunichi
Tanaka als Chef der neuen Behörde für Atomaufsicht sowie ein offizielles
Bekenntnis zum Atomausstieg.
Doch bei seiner ersten Begegnung mit den Demonstranten, die seit April zu
Tausenden jeden Freitag vor seinem Amtssitz protestieren, gab sich Noda
kompromisslos. Die Wiederinbetriebnahme von zwei der fünfzig abgeschalteten
Reaktoren im Juli sei wirtschaftlich motiviert gewesen, betonte er. Die elf
Vertreter der „Metropolitan Coalition against Nukes“ reagierten enttäuscht:
„Wir werden niemals aufgeben und den Unfall von Fukushima nicht vergessen“,
versprach einer der Aktivisten.
Trotz der kämpferischen Atmosphäre rückt das Langfristziel der AKW-Gegner,
deren Dauerprotest in Japan bereits als „Hortensien-Revolution“ firmiert,
in greifbare Nähe. Denn Nodas harte Haltung täuscht. Medienberichten
zufolge haben sich innerhalb der Regierung die Gewichte zugunsten der
AKW-Gegner verschoben. Ein Beratergremium will offenbar vorschlagen, dass
Japan die Atomenergie nur noch bis 2030 nutzt.
Bisher gingen Beobachter davon aus, dass sich die Experten auf einen Anteil
von 15 Prozent Atomenergie am Strommix festlegen. Ein dritter Vorschlag,
ein Anteil von 20 bis 25 Prozent, hat kaum Chancen. Offiziell will sich die
Regierung im September entscheiden. 2010 stammte 26 Prozent des Stroms aus
der Kernspaltung.
Ausgelöst wird der Sinneswandel in erster Linie durch die Angst der
regierenden Demokratischen Partei, die anstehende Neuwahl zu verlieren.
Noda wird das Parlament vermutlich im Oktober auflösen und eine vorzeitige
Wahl für November ansetzen. Der Regierungschef erfüllt damit eine Zusage an
die Opposition, die im Gegenzug einer Verdoppelung der Mehrwertsteuer
zugestimmt hatte.
Der Urnengang könnte zu einem Referendum über die Zukunft der Atomenergie
werden. Gewichtige Gegner der Demokraten versprechen den mittelfristigen
Atomausstieg, darunter eine Abspaltung aus den eigenen Reihen unter Ichiro
Ozawa. Auch die Reformbewegung von Toru Hashimoto, Bürgermeister von Osaka,
will den Atomverzicht.
Noda wird ihnen folgen müssen, um die erwarteten hohen Verluste seiner
Demokraten zumindest zu begrenzen. Er wies Wirtschaftsminister Yukio Edano
bereits an, die praktischen Hürden eines Ausstiegs zu untersuchen. Edano
erklärte, der Verzicht sei bis 2030 möglich.
Er begründete den Energieschwenk damit, dass dieser einen Wachstumsschub
auslöse. Laut dem Konjunkturplan der Regierung soll Japans Anteil der
erneuerbaren Energien bis 2020 auf 20 Prozent steigen und ein Markt für
saubere Energien von 500 Milliarden Euro mit 1,4 Millionen neuen Jobs
entstehen.
Die Entwicklungskosten für diese neue Industrie schätzt die Regierung auf
knapp 400 Milliarden Euro bis 2030 – da bleibt für die Förderung der
Atomenergie wenig übrig. „Ein Atomverzicht wäre eher ein Plus für die
Wirtschaft“, meinte Edano. Dagegen warnt der Industrieverband Keidanren vor
einer Abwanderung der Firmen ins Ausland als Folge hoher Strompreise.
23 Aug 2012
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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