# taz.de -- Der Fall Ai Weiwei: Der Himmel über Peking | |
> Im Fall von Ai Weiwei ist wieder einmal internationale Solidarität | |
> gefordert. Er darf nicht zu seiner Ausstellungseröffnung fahren. | |
Bild: Die chinesischen Behörden haben angekündigt, Ai Weiweis Firma die Zulas… | |
Langweilig. Erwartbar. Gut gemeinte Solidaritätsgeste. So oder ähnlich | |
lauteten die Reaktionen, als kürzlich Susanne Gaensheimer, Direktorin des | |
Frankfurter Museums für Moderne Kunst und gleichzeitig Kommissarin für den | |
deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale, neben drei anderen | |
internationalen Künstlern auch Ai Weiwei als „deutschen“ Vertreter nächst… | |
Sommer in die Giardini einlud. | |
An der Kritik ist etwas dran. Dennoch kommt die Entscheidung gerade | |
rechtzeitig. Denn dieser Tage haben die chinesischen Behörden angekündigt, | |
Ais Firma Bejing Fake Cultural Development die Zulassung zu entziehen. Und | |
damit eine neue Runde des endlosen Streits um den Künstler eingeläutet. | |
Die jetzige Zuspitzung dürfte alle Annahmen Lügen strafen, irgendwelche | |
wild gewordenen, regionale Behörden hätten die Zentralregierung brüskiert. | |
Erst die Unterlagen zu beschlagnahmen, die zur Registrierung der Firma | |
notwendig sind, und sie dann zu verweigern – diese Perfidie erinnert fatal | |
an den Januar des letzten Jahres. Damals hatten die Behörden Ais Atelier in | |
Schanghai abgerissen, zu dessen Bau sie ihn kurz zuvor erst überredet | |
hatten. | |
Ai darf auch nicht zur Eröffnung seiner Ausstellung „According to what“ | |
nach Washington reisen. Die Pekinger Machthaber wissen also ganz genau, auf | |
welche Eskalationsspirale sie sich da einlassen. | |
Die Todesurteile gegen korrupte Parteikader und die „klare Kante“ gegen | |
einen paradigmatischen Politkünstler beweisen: Peking will Härte zeigen. | |
„Alles unter dem Himmel gehört allen“ – der poetische Titel, unter dem | |
derzeit 19 chinesische Künstler in Kassel, direkt im Anschluss an die | |
Documenta, die Kunst ihrer Heimat zeigen dürfen, während zur gleichen Zeit | |
Ai Weiwei die Existenzgrundlage entzogen wird – wird da zum praktizierten | |
Zynismus. Gegen diese durchsichtige Doppelmoral hilft nur wieder | |
internationale Solidarität. | |
Mit allen Problemen, die das üblicherweise mit sich bringt: die Einengung | |
des Bildes der Dissidenz in China auf eine Person, die Rituale der | |
Symbolpolitik. Und beim nächsten Besuch in Peking demonstriert die | |
Kanzlerin dann wieder, wie viel wichtiger ihr die deutsch-chinesischen | |
Wirtschaftsbeziehungen sind. Doch ganz ohne Symbole geht es eben nicht. | |
Insofern sind wir gespannt, ob Angela Merkel wenigstens am kommenden | |
Sonntag in der Frankfurter Paulskirche sitzt, wenn der chinesische | |
Exilautor und Bürgerrechtler Liao Yiwu den Friedenspreis des Deutschen | |
Buchhandels erhält. | |
7 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arend | |
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Ai Weiwei | |
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