# taz.de -- Video der Woche: Mittelfinger an die Zensurbehörde | |
> Kaum hat Ai Weiwei den Youtube-Hit „Gangnam Style“ parodiert, ist sein | |
> Video in China verboten. Es liest sich wie eine Kampfansage an Pekings | |
> Zensurapparat. | |
Bild: Subversive Choreographie: Ai Weiwei reitet Gangnam-Style auf einem „Gra… | |
BERLIN taz | Ein Mann in schwarzem Sakko und rosa T-Shirt wuchtet seinen | |
seinen wulstigen Körper zu einem schrillen Techno-Beat durchs Bild, und | |
schwingt seine überkreuzten Arme in typischer Gangnam-Manier vor sich her, | |
so als würde er auf einem Pferd reiten. Später hüpft dieser 55-jährige | |
Dissident fröhlich in Handschellen durchs Bild. | |
So sieht es aus, wenn der chinesiche Künstler Ai Weiwei eine Parodie auf | |
den millionenfach geklickten [1][Youtube-Hit „Gangnam-Style“] des | |
südkoreanischen Rappers Psy produziert. | |
Der Pferdetanz in Verbindung mit der Handschellen-Szene, kann als eine | |
provokante Botschaft an die chinesischen Autoritäten interpretiert werden. | |
Sie könnte in etwa so lauten: Fuck your mother, Zensurbehörde! | |
Wie bitte? Pferdetanz, Handschellen, „Fuck your mother, Zensurbehörde!“ – | |
wo ist da der Zusammenhang? Um Weiweis Regimekritik zu verstehen, muss man | |
seinen Clip im Kontext eines Zensurskandals aus dem Jahr 2009 betrachten. | |
Dabei handelt es sich um ein [2][chinesisches Musikvideo für Kinder, in dem | |
„Grass-Mud-Horses“ (Gras-Sumpf-Pferde) von bösen Flusskrebsen bedroht | |
werden.] | |
Erst nach Wochen wurde das Video auf Youtube gesperrt, als den chinesischen | |
Zensurbehörden auffiel, dass die chinesischen Ausdrücke für | |
„Grass-Mud-Horse“ (cǎonímǎ) und „Fick Deine Mutter!“ (cào nǐ mā) … | |
fast gleich klingen. Mit den Flusskrebsen wurde übrigens auf eine Kampagne | |
der Zensurbehörde angespielt. | |
Seitdem dient das „Grass-Mud-Horse“ als Emblem der chinesischen | |
Widerstandsbewegung gegen Internetzensur. Ai Weiwei nennt seine subversive | |
Choreographie daher auch „Grass-Mud-Horse-Style“. Mit den Handschellen will | |
Ai Wei Wei in diesem Zusammenhang andeuten, dass die Kunst- und | |
Meinungsfreiheit nicht durch staatliche Kontrolle unterdrückt werden kann. | |
Er saß 2011 Jahr für zweieinhalb Monate in Haft. | |
Entgegen dieser Interpretation, sieht der chinesische Blogger Anthony Tao | |
in Weiweis Gangnam-Parodie keine Kampfansage an Chinas Obrigkeit, sondern | |
lediglich einen Akt der Selbstvermarktung. Schließlich könne man Weis Video | |
überall auf Youtube sehen, nur nicht in China, so Tao in einem | |
[3][Blogbeitrag]. | |
Weiter heißt es dort: „Er [Weiwei] will bloß sein cooles Image im Westen | |
ausbauen, und den Fans und Journalisten zeigen, dass er ein guter Typ ist, | |
der's voll drauf hat. Und er hat's voll drauf, weil er auf einem | |
unsichtbaren Pferd tanzt. Das gefällt euch doch, oder?“ | |
Über die Richtigkeit dieser Interpretationsansätze lässt sich streiten. | |
Fest steht: Tao liegt falsch in seiner Annahme, man könne Weiweis | |
Video-Parodie überall auf Youtube sehen, außer in China. In Deutschland ist | |
der vollständige Clip immer noch gesperrt. Und das, obwohl Psy, der | |
„Sänger“ des Originals, [4][laut der britischen Zeitung The Guardian] | |
bereits auf das Copyright verzichtet hat. | |
26 Oct 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=UWMqa8Ev44g | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=wKx1aenJK08 | |
[3] http://beijingcream.com/2012/10/ai-weiwei-official-gangnam-style-parody-gra… | |
[4] http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2012/sep/24/gangnam-style-south-kor… | |
## AUTOREN | |
Philipp Niedring | |
## TAGS | |
Ai Weiwei | |
China | |
Ai Weiwei | |
Ai Weiwei | |
Internet | |
Internet | |
China | |
Video der Woche | |
Techno | |
China | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Britisches Visum für Ai WeiWei: Großbritannien will nicht so recht | |
Wegen angeblich falscher Angaben gewährt das Land dem Künstler nur ein | |
Visum für drei Wochen. Er habe eine strafrechtliche Verurteilung | |
verschwiegen. | |
Aus Protest gegen Museumspolitik: Künstler zerstört Vase von Ai Weiwei | |
Kaum lokale Kunst in Miamis Pérez Art Museum: Caminero Maximo hat dort | |
deshalb eine Installation von Ai Weiwei beschädigt. Der chinesische | |
Künstler ist nicht amüsiert. | |
Erotikzensur in Island: Wo fängt Porno an? | |
Auf Island wird über Porno-Internetzensur diskutiert. Gesetzesentwürfe sind | |
in Arbeit. Der Innenminister glaubt, mit dem Thema im Wahlkampf punkten zu | |
können. | |
Anonyme Internetzugänge in Diktaturen: 100 Millionen Dollar für die Freiheit | |
Die USA haben in den vergangenen Jahren immense Summen für sichere | |
Internet-Projekte in Regimen ausgegeben. Man setzt vermehrt auf „digitale | |
Diplomatie“. | |
Zensur in China: Hinter der großen Firewall | |
In China haben Facebook und Google keine Macht. Dafür die Zensur, die ihr | |
eigenes Netz schafft. Manche Kopien sind mittlerweile größer als die | |
Originale. | |
Video der Woche: Zaubern für Fortgeschrittene | |
Wetten und Zauberei: In einem Video, das innerhalb von drei Tagen sechs | |
Millionen Mal geklickt wurde, zeigt ein Hobbymagier, wie man keine Wette | |
verliert. | |
Hamburger Künstlerkollektiv HGich.T: „Auf der Bühne ist rechtsfreier Raum�… | |
Das Hamburger Künstlerkollektiv HGich.T über neue Mitglieder im | |
Rentenalter, Existenzängste und Songs über die Schule. | |
Video der Woche: Schöner bewerben | |
„Oh, hallo! Mein Name ist Thomas“ – ein guter Einstiegssatz bei einer | |
Bewerbung? Regieassistent Thomas glaubt schon und schickt seine | |
Initiativbewerbung als Youtubefilm. | |
Großdemonstration in China: Protest gegen Petrochemie | |
Zehntausende demonstrieren in der Hafenstadt Ningbo gegen den Bau einer | |
Raffinerie. Bei der gewaltsamen Räumung kommt es zu Randale. | |
Der Fall Ai Weiwei: Der Himmel über Peking | |
Im Fall von Ai Weiwei ist wieder einmal internationale Solidarität | |
gefordert. Er darf nicht zu seiner Ausstellungseröffnung fahren. | |
Dissidenten in China: Ai Weiwei unter Druck | |
Chinesische Behörden haben dem Künstler Ai Weiwei die Lizenz für seine | |
Designfirma entzogen. Das sei die Strafe für seine Regierungskritik, ist | |
sich der Dissident sicher. | |
Der Künstler Ai Weiwei ist frei: Endlich wieder vor die Tür | |
Ai Weiwei ist nach einem Jahr Hausarrest wieder frei. Seinen Reisepass hat | |
er noch nicht zurück. Stattdessen erheben die chinesischen Behörden neue | |
Vorwürfe gegen ihn. | |
„Ai Weiwei. Never sorry“ im Kino: Mut oder Performance | |
In „Ai Weiwei. Never sorry“ porträtiert Alison Klayman den chinesischen | |
Künstlerstar. Sie zeichnet dessen Konsensbild nach. Ihre Stärke ist die | |
Nahaufnahme. |