# taz.de -- Strom billiger machen: Licht auch in der kleinsten Hütte | |
> Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist teuer. Das ist für Arme bald | |
> unbezahlbar, warnt die Regierung. Dabei gibt es reichlich Vorschläge zur | |
> Entlastung. | |
Bild: Kein Strom in der Hütte? Muss nicht sein. Obwohl hier eventuell eine Tü… | |
BERLIN taz | Jetzt ist die Zahl raus: Von derzeit 3,59 Cent auf 5,27 Cent | |
pro Kilowattstunde steigt die EEG-Umlage, die jeder private Verbraucher für | |
die Förderung von Ökostrom zahlt, im nächsten Jahr. | |
Für einen dreiköpfigen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von | |
3.500 Kilowattstunden erhöhen sich die Kosten damit von rund 125 Euro auf | |
184 Euro – pro Jahr. | |
Die Debatte, wie sich der Strompreisanstieg vor allem für Geringverdiener | |
abmildern lässt, wird damit noch lauter werden. Die Bundesregierung setzt | |
derzeit – neben einer Ausweitung von Energiespar-Beratungen – vor allem | |
darauf, den Ausbau erneuerbarer Energien zu bremsen. Dabei gibt es viele | |
Vorschläge, wie die Energiewende sozial gestaltet werden kann: | |
## Direkte Strom-Beihilfen | |
Das Problem: Haushalte mit geringen Einkommen leiden besonders stark unter | |
den steigenden Strompreisen, denn dort machen Stromkosten 4,5 Prozent der | |
Gesamtausgaben aus, während es insgesamt im Durchschnitt 2,5 Prozent sind. | |
Hartz-IV- und Bafög-Sätze berücksichtigen zwar den Strompreisanstieg, aber | |
nur mit Verzögerung und teils zu gering gewichtet. Wohngeldempfänger | |
bekommen gar keinen Ausgleich für Strom. | |
Die Lösung: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat | |
berechnet, dass zum Ausgleich für den bevorstehenden Preisanstieg | |
Hartz-IV-Satz und Wohngeld um 1,67 Euro im Monat steigen müssten; beim | |
Bafög-Satz wären es 2,19 Euro. Die Gesamtkosten dafür lägen bei 154 | |
Millionen Euro im Jahr. | |
Die Realisierungschance: Derzeit gering, denn die Bundesregierung lehnt | |
solche Zuschüsse klar ab. Ob sich die Sozialverbände im Fall eines | |
Regierungswechsels mit der Forderung durchsetzen könnten, ist offen. | |
Finanzierbar wären die Beihilfen – wie auch die beiden folgenden Vorschläge | |
– aus den Mehrwertsteuereinnahmen, die der Staat auf die EEG-Umlage | |
kassiert. Denn auch der Finanzminister profitiert vom Anstieg der Umlage: | |
Die Mehrwertsteuereinnahmen darauf steigen von 937 Millionen Euro im Jahr | |
2012 auf 1,4 Milliarden in 2013. | |
## Senkung der Stromsteuer | |
Das Problem: Der Staat verdient auch sonst am Strom kräftig mit: Neben der | |
Umsatzsteuer fällt zusätzlich die Stromsteuer an, die rund 10 Prozent des | |
Preises ausmacht. Eingeführt wurde sie 1999 von Rot-Grün als „Ökosteuer“, | |
um Energie teurer zu machen und einen Anreiz zum Sparen zu geben; die | |
Einnahmen fließen überwiegend in die Rentenkasse. | |
Die Lösung: Bei der Stromsteuer könnte eine Art „Grundfreibetrag“ | |
eingeführt werden, durch den beispielsweise die ersten 1.000 | |
Kilowattstunden im Jahr von der Steuer befreit würden. Dies würde für alle | |
Verbraucher gleichermaßen gelten; bei Menschen mit geringem Verbrauch wäre | |
die prozentuale Ersparnis aber größer. Der Anreiz zum Sparen bliebe zudem | |
erhalten, weil der Gesamtverbrauch im Normalfall über 1.000 Kilowattstunden | |
im Jahr liegt. Die Steuerausfälle würden nach DIW-Berechnung bei 792 | |
Millionen Euro im Jahr liegen. | |
Die Realisierungschance: Veränderungen bei der Stromsteuer sind durchaus | |
wahrscheinlich. Denn nicht nur in der Opposition und bei Sozialverbänden | |
wird diese Forderung vertreten; auch die FDP verlangt eine Senkung der | |
Stromsteuer, hat sich aber noch nicht auf ein bestimmtes Modell festgelegt. | |
## Elektro-Abwrackprämie | |
Das Problem: Durch den Austausch von stromfressenden, alten Elektrogeräten | |
lässt sich viel Geld sparen. So verbraucht ein moderner Kühlschrank der | |
Effizienzklasse A++ rund 70 Prozent weniger Strom als ein zehn Jahre altes | |
Gerät, was eine jährliche Ersparnis von 65 Euro bedeutet. Die Anschaffung | |
rentiert sich also schon nach fünf Jahren – doch einkommensschwache | |
Haushalte können die Ausgabe oft nicht stemmen und zahlen weiter für ihre | |
Stromfresser. | |
Die Lösung: Mit einer staatlichen Prämie könnte Geringverdienern die | |
Anschaffung erleichtert werden. Im Gespräch sind etwa 150 Euro pro | |
Spar-Gerät. Wenn die Hälfte der 7,5 Millionen armutsgefährdeten Haushalte | |
dies nutzen würde, lägen die Kosten bei 560 Millionen Euro. | |
Die Realisierungschance: Denkbar. Umweltminister Peter Altmaier sieht eine | |
Prämie derzeit zwar skeptisch, schließt sie aber nicht aus. Grüne und Linke | |
stehen hinter der Forderung, die als Erstes von Sozial- und Umweltverbänden | |
erhoben wurde. | |
## Industrievorteile streichen | |
Das Problem: Während alle privaten Verbraucher die EEG-Umlage bezahlen | |
müssen, sind viele Unternehmen davon befreit. Eingeführt wurde die Ausnahme | |
für besonders energieintensive Unternehmen, um sie gegenüber ausländischen | |
Konkurrenten nicht zu benachteiligen. Doch mittlerweile wurde sie massiv | |
ausgeweitet – auch auf Unternehmen, die nicht im internationalen Wettstreit | |
stehen. Die Befreiung der Industrie muss von den übrigen Verbrauchern durch | |
eine entsprechend höhere Umlage mitbezahlt werden. | |
Die Lösung: Die Umweltorganisation Greenpeace fordert, nur Unternehmen mit | |
hoher Energie- und Handelsintensität zu befreien, und zwar nicht als | |
Ganzes, sondern nur für die energieintensiven Prozesse. Zudem sollte der | |
Effekt, dass durch die erneuerbaren Energien der Börsenpreis sinkt, | |
gegengerechnet werden. Dadurch könnte die EEG-Umlage im Jahr 2013 um 1,4 | |
Cent sinken, so dass sie praktisch auf dem derzeitigen Niveau bliebe. | |
Ähnliche Berechnungen gibt es vom Bundesverband Erneuerbare Energie. | |
Die Realisierungschance: Union und FDP wollen an den Ausnahmen festhalten. | |
Die anderen Parteien prangern sie jedoch an. Bei einem Regierungswechsel | |
ist eine Neuregelung zu erwarten. | |
10 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
## TAGS | |
Energiewende | |
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