| # taz.de -- Frankfurter Buchmesse: Ort für Inhalte und zum Quatschen | |
| > Die fbm 12 war die letzte Übergangsmesse. Es geht weg vom reinen | |
| > Papierbuch, hin zum komplizierteren Nebeneinander verschiedener Angebote. | |
| Bild: Trotz aller Digitalisierung: Eine reale Buchmesse bleibt weiterhin wichti… | |
| Zum Schluss, eine Art Abschiedsritual, ein Panoramablick – einmal in der | |
| Mitte des zentralen Messeplatzes gestellt und reihum auf die umliegenden | |
| Messehallen geschaut. Da ist die Halle 3, in deren Erdgeschoss die | |
| Randomhouse-Verlagsgruppe residiert, bei der, vergisst man ja manchmal, mit | |
| Büchern immer noch Geld gescheffelt wird. | |
| Im ersten Stock der taz-Stand und nicht weit von ihm entfernt der | |
| zweieinhalb Meter hohe Buchfetisch, den Joachim Unseld von Bodo Kirchhoffs | |
| Roman „Die Liebe in groben Zügen“ hat anfertigen lassen. Unseld ist einer | |
| der Verleger, die am vehementesten über den Umbruch reden. Mit der | |
| übermannsgroßen Buchnachbildung wollte er trotzig ein Lebenszeichen des | |
| gebundenen Buchs setzen. | |
| Dann die Halle 4. Noch mehr Verlage und vor allem auch die Leseinsel der | |
| Kleinverlage, auf der die wahren Buchliebhaber dem wilden Messetreiben | |
| tapfer ihre Inhalte entgegenhalten. Dann die Halle 5, internationale | |
| Verlage, die Vielfalt der Welt auf zwei Etagen. Fast rührend dieses Jahr | |
| der griechische Stand, der aus bekannten Gründen sparsam ausgestattet ist | |
| und deren Mitarbeiter zusehen müssen, dass der türkische Stand direkt | |
| nebenan dieses Jahr wieder kraftvoll an Raum zugelegt hat. | |
| Den Boom der Türkei konnte man während der vergangenen Jahre an diesem | |
| inzwischen beeindruckenden Messestand ablesen. Schließlich die Forumshalle, | |
| in deren Erdgeschoss Arnold Schwarzenegger während der Präsentation seiner | |
| Autobiografie die Messe rockte und in deren erster Etage sich die | |
| Neuseeländer als Gastland vorstellten. | |
| ## Hauptsache Effekt | |
| Beeindruckend ihre Multimediaperformance in einer abgedunkelten Halle, nur | |
| war die Show, in der sehr viel von den Maori die Rede war, so laut, dass | |
| die Lesungen der neuseeländischen Gegenwartsliteratur in den umliegenden | |
| Lesebühnen empfindlich gestört wurden. Egal. Hauptsache, Effekt, werden | |
| sich die Showverantwortlichen gesagt haben. | |
| Was war das also für eine Frankfurter Buchmesse 2012 – oder fbm 12, wie | |
| sich das Ganze jetzt twittertauglich nennt? Randvoll von Eindrücken lässt | |
| sie einen zurück, und man hat durchaus den Eindruck, dass, selbst wenn die | |
| Branche endgültig aufs Digitale umgestellt wäre – was so nicht passieren | |
| wird, alle gehen davon aus, dass es eher auf eine Mischform aus digitalen | |
| und papiergebundenen Buchangeboten hinauslaufen wird –, eine reale Messe | |
| weiterhin wichtig bleibt. | |
| Buchmessenchef Jürgen Boos hat dieses Jahr schon vehement den Content, den | |
| Inhalt also und nicht das Trägermedium Buch, als zentrales Tauschobjekt der | |
| Messe hervorgehoben. Auch E-Books brauchen schließlich einen Ort, an dem | |
| man sie präsentieren kann. Und dann gibt es auch noch dieses Buch von | |
| Rainald Goetz aus dem Jahr 2009, in dem als zentrale Tätigkeit einer | |
| solchen Messe das „Loslabern“ beschrieben wird. | |
| Stimmt ja auch. Einen Ort und Anlass zum Quatschen und Kennenlernen sowie | |
| als Anlass für Dienstreisen braucht es auch im Zeitalter der | |
| Onlinekommunikation. 2012 hat einem wenigstens die Hoffnung gelassen, dass | |
| es diesen Ort weiterhin hier in Frankfurt im Oktober geben wird. | |
| ## Kein Neuigkeitswert | |
| Eine Übergangsmesse vom reinen Papierbuch zum komplizierteren Nebeneinander | |
| verschiedener Angebote also? Schon. Aber darüber hinaus lässt sich sogar | |
| die weitergehende These vertreten, dass dies die letzte Übergangsmesse | |
| gewesen ist. Über E-Books und die damit einhergehenden | |
| Strukturveränderungen wurde schon in den vergangenen Jahren so viel geraunt | |
| und geredet – dieses Jahr stand das alles mit einer solchen Direktheit auf | |
| der Agenda, dass es im Grunde schon gar keinen Neuigkeitswert mehr besaß, | |
| über das Medium Buch im Allgemeinen zu reden. | |
| Daneben fiel dann aber schon wieder deutlich auf, dass es auch im Konkreten | |
| viele Redeanlässe gibt. Reicht der 2-Akkord-Furor von Rainald Goetz’ | |
| „Johann Holtrop“ wirklich aus, um den aktuellen Kapitalismus zu | |
| beschreiben? Ist es nicht arg paternalistisch, Jungautoren als Zierpflanzen | |
| in ein Gewächshaus zu stellen, wie es die Zeit getan hat? Läge eher in dem | |
| spielerischen Avantgardismus eines Clemens J. Setz oder eher in dem | |
| menschenbeobachtungsgesättigten Realismus von Stephan Thome die Zukunft der | |
| deutschen Literatur? | |
| Hat die Buchpreisgewinnerin Ursula Krechel überhaupt einen richtigen Roman | |
| geschrieben? (Ich finde ja schon, trotz oder gerade wegen seiner | |
| Collageelemente.) Zu solchen Fragen brauchte man hier wenigstens eine | |
| Meinung. Und das ist ja schon einmal der erste Schritt dazu, dass es bald | |
| wieder auf Argumente und Differenzierungen ankommt. | |
| 14 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Dirk Knipphals | |
| ## TAGS | |
| Brasilien | |
| Terézia Mora | |
| deutsche Literatur | |
| E-Books | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Frankfurter Buchmesse: Kein Buch am Strand | |
| Dass das Gastland Brasilien heißt, lässt die Brasilianer kalt. Eine | |
| Lesekultur konnte sich aus historischen Gründen dort nur zaghaft | |
| entwickeln. | |
| Buchpreis-Trägerin Terézia Mora: Ein Ereignis | |
| In Ungarn geboren, schöpfen die Texte von Terézia Mora aus dieser Herkunft. | |
| Sie gibt ihren Figuren durch Sprache allen Raum und erzählt mitreißend. | |
| Clemens Meyer über neuen Roman: „Ein Chaos, ein einziger Bruch“ | |
| Schriftsteller Clemens Meyer spiegelt die Wirtschaftswelt am Beispiel der | |
| Sexindustrie: ein Gespräch über seinen apokalyptischen Roman „Im Stein“. | |
| Datenschutz bei elektronischen Büchern: Wenn das E-Book schnüffelt | |
| Die Netzbürgerrechtsorganisation EFF hat überprüft, was Amazon, Google und | |
| Co. von Lesern elektronischer Bücher speichern. Deren Neugier scheint groß | |
| zu sein. | |
| „Hicksville" von Dylan Horrocks: Gralshüter des Comics | |
| Der neuseeländische Zeichner Dylan Horrocks erzählt mit „Hicksville" eine | |
| Geschichte über Liebe, Entfremdung und eine Stadt voller Comic-Nerds. | |
| Frankfurter Buchmesse, Video 3: Wer sind Sie denn überhaupt? | |
| taz.de nimmt den Bus und recherchiert in Halle 8 die besten Lamm-Rezepte, | |
| in Halle 3 den besten Buchpreiswein und löst in Halle 5 beinahe einen | |
| Völkerkrieg aus. | |
| Buchmessern in Frankfurt: Von Zukunft reden | |
| Schöne Auftritte: Daniel Cohn-Bendit etwa mit seinen Europa-Visionen oder | |
| der Österreicher Wolf Haas mit seiner „Verteidigung der | |
| Missionarsstellung“. | |
| Chinesische Nobelpreisträger: Mo Yan hofft auf Freiheit für Liu Xiaobo | |
| Mo Yan äußert sich erstmals zur Inhaftierung des Friedensnobelpreisträgers | |
| Liu Xiaobo und bestreitet gleichzeitig die ihm unterstellte Parteinähe. | |
| Frankfurter Buchmesse, Video 2: Was machen Sie eigentlich hier? | |
| Toilette oder Wissenschaft? Ein Gerücht macht die Runde. Halle 4.2. soll am | |
| Wochenende geschlossen werden. Eine exklusive Vor-Ort-Recherche. |