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# taz.de -- Mahnmal für Sinti und Roma: „Die Erinnerungsarbeit ist jung“
> Marian Luca vom Zentralrat der Sinti und Roma fordert, die NS-Erinnerung
> mit aktueller Unterstützung für Europas Roma zu verbinden.
Bild: Das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin.
taz: Herr Luca, der Bau eines Mahnmals für die Sinti und Roma hat sich
unter anderem wegen des Streits um die Inschrift „Zigeuner“ oder „Sinti u…
Roma“ verzögert. Warum war das dem Zentralrat so wichtig?
Marian Luca: „Zigeuner“ war doch die Brandmarke der Nazis, und mit dieser
Propagandasprache wurde der Massenmord begründet. Dieser Begriff steht für
den massiven und schmerzhaften Bruch in unserer Identitätsgeschichte. Auch
wurde das Wort „Zigeuner“ im Deutschland nach 1945 nur noch in
diskriminierender Absicht verwendet. Ein Mahnmal mit dieser alleinigen
Inschrift ist undenkbar.
Steckt im Wort „Roma“ auch ein neues Selbstverständnis?
Diese Frage löst oft wahnwitzige Kontroversen aus. Die Verwendung des
Wortes „Roma“ ist kein Versuch, etwas Neues zu erschaffen. Beispielsweise
gab es in Rumänien bereits in den 30er Jahren Versuche, „Roma“ gegen das
Wort „Zigeuner“ durchzusetzen. Dies beruht auf wichtigen
sprachwissenschaftlichen Argumenten.
Sind die Sinti und Roma in Europa zerstritten? Es gibt sehr viele
verschiedene Gruppenvertretungen …
Trotz mancher politischen Meinungsunterschiede sind die Sinti und Roma
eindeutig nicht zerstritten.
Haben Sie den Eindruck, dass des Leidens der Sinti und Roma unter den Nazis
heute ausreichend gedacht wird?
Die Erinnerungsarbeit ist relativ jung. In Deutschland gibt es buchstäblich
keine einzige Sinti-Familie, die nicht Angehörige im Holocaust verloren
hat. Das kommt etwa in den Medien oder Schulen aber nur am Rande vor. Doch
hat der Holocaust nicht nur eine „deutsche“, sondern auch eine europäische
Dimension. Die Situation der Roma in einigen Ländern ist besorgniserregend.
Die EU muss etwas gegen den neuen Rassismus unternehmen. Sehr wichtig wäre,
dass die Bundesregierung die Abschiebungen der Kosovo-Roma stoppt.
Deutschland hat die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt, und dafür sollte
die Bundesregierung mindestens Partnerschaftsprogramme zur Verbesserung der
Lebenssituation der Roma dort etablieren.
Wie sehen junge Roma ihr Leben in Europa heute?
Uns verbindet eine supranationale Identität, die von den europäischen
Werten geprägt wird. Es gibt auch in Osteuropa sehr viele Roma, die
akademische Abschlüsse erwerben. Ihre Anzahl steigt ständig. Viele
verschweigen ihre Ethnie. Das sollten sie nicht mehr tun, sondern sich
selbst als gleichberechtigte Bürger ihres Landes betrachten. Nicht nur die
Vergangenheit ist wichtig, auch der Optimismus: Immer mehr Sinti und Roma
leben „ganz normal“ und sind Teil der Mittelschicht.
Welche Ziele hat der Zentralrat der Sinti und Roma aktuell?
Besonders wichtig ist uns die Initiierung von transnationalen
Integrationsprojekten für arme Roma-Gruppen.
Manche Medien vermitteln den Eindruck, Roma wollten nicht zur Gesellschaft
dazugehören.
Dieses Bild entspricht nicht der Realität: Abweichungen von der Norm in der
Lebensweise sind alleine bedingt durch die wirtschaftliche Notlage.
19 Oct 2012
## AUTOREN
Marcel Malachowski
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