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# taz.de -- Deutscher Geschichtsdiskurs im DHM: Ein Bogen ins Transnationale
> Eine Diskussion im Deutschen Historischen Museum in Berlin ging Fragen
> nach der deutschen Geschichte nach. Es wurde eine entspannte Debatte.
Bild: Der Streit über die deutsche „Nationalgeschichte“ geht im Zangengrif…
Wer vor 20 Jahren das Wort Nationalgeschichte in den Mund nahm, tat das mit
demonstrativem Unbehagen. Allzu schnell senkte sich ein brauner Schatten
über das Gespräch. Am Ende stand meist der Vorwurf des Revanchismus im
Raum. Wie sehr sich der deutsche Geschichtsdiskurs seitdem entspannt hat,
ließ sich am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion im Deutschen
Historischen Museum (DHM) in Berlin beobachten.
„Nationale Geschichte – Stifterin von Identität oder Auslaufmodell?“,
lautete die Frage des Abends. Kein Historikerstreit brach aus, als ein
progressiver Wissenschaftler wie Harald Welzer zu bedenken gab, dass der
„historische Identifikationsraum nicht beliebig veränderbar“ sei.
Auch die örtliche Antifa rückte nicht an, als die gern antikorrekte Autorin
Thea Dorn die „deutsche Seele“ beschwor, die sie bei einer Fahrt ins
Dresdner Elbsandsteingebirge entdeckt habe und deren Existenz ihre
hessischen Gemeinschaftskundelehrer ihr Ende der achtziger Jahre aus
ideologischen Gründen verschwiegen hätten.
So „bekehrt“ sich dergleichen anhörte, der späte Erfolg eines Hauses ist …
nicht, das vor 25 Jahren der Hobbyhistoriker Helmut Kohl gründen ließ und
das seitdem unter dem Verdacht stand, diese verflixte Nationalgeschichte
rehabilitieren zu sollen. Selbst die Journalistin Franziska Augstein, die
sonst mit Argusaugen historische Rechtsabweichler im Blick hat,
bescheinigte dem Publikumsmagneten DHM, keinen „nationalen Geist“
produziert zu haben.
## Revanchismus
Was freilich noch kein Beweis dafür ist, dass das Nationale hierzulande
keine negative Bedeutung mehr hätte. Auf der einen Seite hat ihm die
Globalisierung etwas von seiner Sprengkraft genommen. Und obwohl sich der
deutsche Gulliver all jener Fesseln entwand, mit denen ihn die Zweiteilung
band, hat der deutsche Revanchismus nicht wieder drohend sein Haupt
erhoben. Da wird man dem Sozialhistoriker Jürgen Kocka recht geben.
Doch wie sind die Mordtaten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)
oder der Zulauf zu Anti-EU-Populisten anders als mit einem blutigen,
vorsätzlichen Missverständnis des Nationalen zu verstehen? Und wie kommt
man dieser Renaissance bei? Nur DHM-Direktor Alexander Koch streifte diese
drängende Frage, als er zur Begrüßung etwas allgemein von „neonationalen
Schüben“ sprach.
Natürlich hilft ein Geschichtsmuseum nicht gegen Neonazis und
Euroskeptiker. Doch wer Thea Dorns Empfehlung hörte, im DHM die Frage, „was
ist deutsch, frontal anzugehen“, fand plötzlich, dass es nicht schaden
kann, den „Bogen vom Regionalen über das Nationale ins Transnationale“ noch
bewusster zu schlagen. Unter diesem Motto will DHM-Chef Koch die
Dauerausstellung überarbeiten. Hoffentlich ist es 2018 nicht zu spät. Erst
dann soll sie stattfinden.
Was die neue Dimension des alten Streits über die deutsche
„Nationalgeschichte“ nur noch deutlicher machte. Im Zangengriff von
Renationalisierung und Globalisierung geht er in eine neue, unerwartete
Runde. Darauf tranken am Ende dieses etwas matten Abends alle einen
deutschen Riesling.
19 Oct 2012
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Homosexualität
Sinti
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