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# taz.de -- Wirbelsturm Sandy in den USA: Nichts geht mehr
> Hunderttausende wurden an der Ostküste evakuiert. Die Übrigen warten mit
> einer Mischung aus Gelassenheit und Faszination auf den Sturm.
Bild: Immer wieder mal weht ein heftiger Windschub an den Häusern vorbei, wie …
NEW YORK CITY taz | Unter der Brooklyn Bridge schwappen die ersten seichten
Wellen des East Rivers übers Ufer, auf den Gehweg. Sie suppen auf die
Straßen von Manhattan, die man an manchen Stellen jetzt nicht mehr
überqueren kann. Montagvormittag in Manhattan.
Es scheint langsam loszugehen. Es ist ruhig, seltsam ruhig. Wenige Menschen
auf den Straßen, aber viele Wagen des New Yorker Police Departments. Immer
wieder mal weht ein heftiger Windschub an den Häusern vorbei, wie eine
Vorahnung. Die U-Bahn fährt seit einigen Stunden nicht mehr, an den
Eingängen hängen gelbe Sperrbänder, keine Busse, kaum Autos, mehrere
Tunnels geschlossen. Und doch: Ab und an joggt jemand vorbei.
„Uh, uh“, johlen einige junge Männer, rennen zum Ufer des East Rivers,
hüpfen in die Pfütze und sehen dem Fluss dabei zu, wie er Manhattan
betritt, langsam, aber das macht es fast noch bedrohlicher. Andere hocken
sich an den Gehwegrand und fotografieren. Auf der Straße stehen
Polizeiwagen. Eine Reporterin vom Lokalfernsehen trägt schicke, bunte
Gummistiefel und sucht Passanten zum Interviewen.
Ein paar hundert Meter weiter beginnt das Evakuierungsgebiet. Zone A. Die
Gegend, die die Flut als Erstes umspülen dürfte. Am Sonntag hatten die
Evakuierungen begonnen, 370.000 Menschen in New York sind betroffen, in 76
Schulen sind Notunterkünfte eingerichtet. An der gesamten Ostküste fallen
Züge aus, in Delaware, Connecticut, Virginia, Pennsylvania werden Menschen
evakuiert. New York wartet, New York bereitet sich vor, New York macht
Witze, auch das.
Und wir? Haben wir alles? Wir wohnen für einige Tage im Stadtteil Brooklyn,
gar nicht weit vom East River. Was wir brauchen: Knapp vier Liter
Trinkwasser pro Tag, Essen, das nicht gekocht werden muss, ein Radio mit
Batterien, ein Handy, eine Taschenlampe, eine Pfeife.
## Wir kochen Nudeln vor
Man kann es jetzt überall lesen. Wir kochen Nudeln vor, Eier. Wir schleppen
Wasserkanister in den sechsten Stock. Wir haben alles, außer der Pfeife. Es
könnte einige Tage dauern. Vielleicht fahren die U-Bahnen erst am Mittwoch
wieder.
Die Menschen in Brooklyn geben sich gelassen. Manche Läden hängen Schilder
auf, dass sie wegen des „Frankenstorms“ am Sonntagnachmittag schon
schließen. Andere machen Werbescherze und empfehlen, man solle sich von
ihrem unglaublich guten Gebäck „wegblasen“ lassen. Vor dem Supermarkt im
Viertel bildet sich eine Schlange.
Eine Art Türsteher passt auf, dass nicht zu viele Leute gleichzeitig nach
drinnen gehen, man fühlt sich wie am Eingang zu einem Club. Drinnen ist das
Brotregal bis auf einige Hot-Dog-Brötchen fast völlig leer, ansonsten gibt
es noch alles. Sollen wir die Badewanne mit Wasser volllaufen lassen? Auch
das ist eine dieser Empfehlungen aus den Nachrichten, falls die
Toilettenspülung nicht mehr funktioniert irgendwann. Unser Mitbewohner
James sagt, das sei doch ein bisschen komisch.
Was, wenn wir es dann gar nicht brauchen. Dann haben wir eine Wanne voll
Wasser verschwendet. Und wenn doch? James ist wohl einer der gelassensten.
Er überlegt, eine spontane Sandy-Party zu machen und denkt sich das
Filmprogramm aus: The Perfect Storm. The Day after Tomorrow.
Katastrophenfilme.
Im Moment erinnert New York tatsächlich ein wenig an solche Filme. Dunkle
Wolken, düstere Straßen, Polizeisirenen, wenig Menschen. Die Schulen sind
geschlossen, viele Geschäfte haben die Rollläden heruntergelassen, in
anderen frühstücken die Leute. Und die Wetteransager und
Nachrichtensprecher scheinen eine seltsame Faszination für diesen Sturm zu
verspüren, der da gerade heranfegt. Angstlust.
## „Da kommt ein Sturm“
Wir waren für einige Wochen durch die USA gereist. Schon als ich meinen
österreichisch-amerikanischen Onkel in New Jersey, nur eineinhalb Stunden
von New York entfernt, besucht hatte, begann dieses Warten. „Da kommt ein
Sturm“, sagte mein Onkel. Von da an lief auf dem riesigen Fernseher in
seinem Wohnzimmer der Wetterkanal.
Seit vier Tagen berichtet der nun ununterbrochen. „Gerade entfaltet sich
einer der größten Stürme, den wir in unserem Leben je gesehen haben“, sagt
die Moderatorin. Die Gelassenheit mancher New Yorker, die gar nicht zu
diesen Berichten passt, ist auch mit dem Sturm des vergangenen Jahres zu
erklären: „Irene“. Tagelang bereitete sich die Stadt vor, doch „Irene“…
nicht. Wird schon nicht so schlimm werden, sagen jetzt einige. Manche
weigern sich, ihre Häuser zu verlassen.
„Ich habe mir einen Generator gekauft“, sagt mein Onkel in New Jersey.
Falls der Strom ausfällt. Am Ufer des East Rivers fragt mich die Reporterin
vom Lokalfernsehen, wie das für mich ist, als Deutscher. Alle sind seltsam
fasziniert, sage ich.
Aber da, da, da, sie zeigt auf die ersten Flusspfützen auf dem Gehweg. Was
sagen Sie dazu? Auch der Gouverneur warnt in einer Ansprache. „Unterschätzt
diesen Sturm nicht“, sagt er. Die Wellen dürften höher schlagen als alles,
was bislang da gewesen ist.
29 Oct 2012
## AUTOREN
Johannes Gernert
## TAGS
Sandy
Wirbelsturm
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USA
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