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# taz.de -- Marodes Atommülllager: Unter dem Deckmantel der Forschung
> Die Verfehlungen beim Betrieb der Asse untersucht ein Parlamentarischer
> Untersuchungsausschuss. Die taz erklärt, worum es geht.
Bild: Erst Forschungs-, dann Endlager: Die Asse - mit einem solchen Bohrer werd…
Der Asse-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags legt am 8.
November im Plenum seinen Bericht vor.
Der PUA
Nach Berichten über radioaktive Laugen und Schlampereien in der Asse und
dem Betreiberwechsel im Januar 2009 drängt die Opposition auf die
Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA), der sich
am 17. Juni konstituiert. Ihm gehören sechs Abgeordnete der CDU, vier der
FDP und jeweils ein Vertreter von Grünen, FDP und Linken an. Der
Untersuchungsauftrag umfasst die Einlagerung von Atommüll in die Asse und
das dort vorhandene radioaktive Inventar, die Auswahl des Bergwerks zum
Atommülllager, Fragen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes sowie
Konsequenzen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle.
Die Arbeit
Der PUA kam zu 71 Sitzungen zusammen, dreimal traf sich ein Unterausschuss.
Der PUA fasste 51 Beweisbeschlüsse und benannte 65 Zeugen und 13
Sachverständige. 53 Zeugen wurden vernommen, darunter ehemalige Bundes- und
Landesminister.
Die Einlagerung
Vom 4. April 1967 bis zum 31. Dezember 1978 wurden 124.494 Fässer mit
schwach und 1.293 Gebinde mit mittelradioaktiven Abfällen in die Asse
gebracht. Die Anlieferung der ersten 10.327 Fässer bis zum 22. Juli 1972
geschah im Rahmen einer Versuchsendlagerung. Dann erfolgte mit Genehmigung
des Bergamtes Goslar die dauerhafte Einlagerung von schwach radioaktiven
Abfällen.
Deckmantel der Forschung
Einerseits firmierte die Asse nach außen weiterhin als Versuchs- und
Forschungsbergwerk, andererseits wurde sie Teil des
Entsorgungsvorsorgenachweises für die AKW. „Die Asse II war vom
Versuchsbergwerk zu einem De-facto-Endlager geworden“, konstatiert der PUA.
Und weiter: „Für reine Forschungszwecke hätten deutlich geringere Mengen an
radioaktiven Abfällen genügt.“
Bedingungen angepasst
Die Annahmebedingungen für die Abfälle wurden fortlaufend den Gegebenheiten
angepasst – und dennoch oft nicht eingehalten. So durfte beispielsweise die
zulässige Dosisleistung an der Oberfläche eines Fasses nicht größer als 200
Millirem pro Stunde (mrem / h) und in einem Meter Abstand nicht größer als
10 mrem / h sein. Bei Überschreiten der Werte wurden die Fässer als
kontaminiert gekennzeichnet – und trotzdem eingelagert. Später wurde
erlaubt, dass bis zu zehn Prozent der Fässer jedes Transports eine maximale
Dosisleistung von 1.000 mrem / h an der Oberfläche des Fasses aufweisen
durften.
Tritium und Plutonium
Der PUA korrigierte die Menge des eingelagerten Plutoniums deutlich nach
oben. Hatte der frühere Betreiber GSF 2002 noch 11,6 Kilogramm genannt,
errechneten die Abgeordneten aus den Angaben der Ablieferer 28,1 Kilo. Auch
die Tritiumwerte „vermehrten“ sich im Zuge der Ausschussarbeit. Es sei
„davon auszugehen, dass das radioaktive Inventar der Asse höher ist, als es
offiziell deklariert worden ist.“
Wasserzuflüsse früh bekannt
Erste Berichte über Wasserzuflüsse im Schacht Asse II gab es schon 1912. Im
Juni 1962 gab es in Medienberichten Hinweise auf Instabilität der
unverfüllten Abbaukammern durch Gebirgsdruck, Rissbildungen und
Wasserzuflüsse. Das Oberbergamt Clausthal warnte am 11. 12. 62 vor der
Atommülleinlagerung aus „sicherheitlichen Gründen“. Der PUA stellt fest,
„dass diese Hinweise weitestgehend unbeachtet geblieben sind bzw. nicht
entsprechend gewertet worden sind“ und kommt zu dem Schluss: „Bei der
Auswahl der Schachtanlage Asse II spielten Langzeitsicherheit, der
Verschluss und die Stilllegungskosten keine Rolle.“
Die Kontaminationen
Während der Einlagerungszeit gab es immer wieder Zwischenfälle mit
radioaktiven Kontaminationen. Eine Auswahl: 1969 wurde die Kleidung der
Beschäftigten beim Fässerstapeln kontaminiert, bei einem Arbeiter wurde
eine Kontamination der Hände festgestellt. 1971 musste eine belastete
Abstellfläche abgetragen werden. 1973 gab es Kontaminationen auf der
Fahrbahn und den eingesetzten Fahrzeugen. 1974 wurden bei drei
Beschäftigten radioaktive Inkorporationen festgestellt. 1977 kam es zu
Kontaminationen an einem Transportcontainer und einer Ladeschaufel durch
Staub, aus Fässern traten Flüssigkeiten aus.
Die Akten
Der PUA möchte erreichen, dass alle Asse-Akten beim Landesarchiv bleiben.
Wissenschaftler, Journalisten sowie weitere Interessierte sollen Einsicht
in die Dokumente nehmen können.
Die Konsequenzen
Die Parteien ziehen unterschiedliche Schlüsse aus dem Asse-Debakel. „Ein
bis auf das letzte Jota ausgebeutetes Bergwerk ist als Endlager für
Atommüll nicht geeignet“, sagt die CDU. „Salz insgesamt sollte als
Wirtsgestein für eine Lagerung von Atommüll ausgeschlossen sein“, meint die
SPD. Auch die Grünen sehen Salz als Endlagermedium als „diskreditiert“ an.
Und Die Linke bedauert, dass es nicht gelungen sei, die Verantwortlichen
juristisch zur Rechenschaft zu ziehen.
7 Nov 2012
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Atommüll
Finnland
Asse
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