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# taz.de -- Telefonhotline des VS: Nur einer stieg aus
> Seit einem Jahr will der Verfassungsschutz Menschen aus der linken Szene
> heraushelfen. Per Telefon. Der Bedarf am Aussteigerprogramm ist äußerst
> gering.
Bild: Diese traurigen Augen wollen den Ausstieg: Ein Linksextremist, oder das w…
BERLIN taz | Viel ist über den Mann nicht bekannt. Er ist zwischen 21 und
24 Jahre alt, kommt aus Bayern, in der linksautonomen Szene war er keine
Führungsperson. Er wollte der Szene den Rücken kehren, das schaffte er
offenbar nicht allein, deshalb wandte er sich an das Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV). Die Behörde nämlich will als Gesprächspartner für
Extremisten jeglicher Coleur zur Verfügung stehen. Mit Ratschlägen, Tipps
und Tricks.
Das BfV hat Glück, dass es den jungen Bayern nun nennen kann, denn sonst
stünde nach einem Jahr „Aussteigerprogramm für Linksextremisten“ als
Erfolgsbilanz eine glatte Null. Die Zahlen zum Programm, [1][das im Oktober
2011 gestartet wurde], wurden jetzt in einer [2][Antwort der
Bundesregierung] auf eine kleine Anfragen der Linken-Abgeordneten Ulla
Jelpke bekannt.
Insgesamt hat das BfV demnach im ersten Jahr 33 „Kontaktaufnahmen“ über die
Hotline registriert, telefonisch oder per E-Mail. Doch allein in 25 Fällen
sei von einer „nicht ernstgemeinten Kontaktaufnahme zum Aussteigerprogramm“
auszugehen. Bleiben acht offenbar ernstgemeinte. Nur drei Ausstiegswillige
meldeten sich unter der Hotline, alle Anfang 20. Und einer von ihnen stieg
dann aus.
Als linksextrem definiert der Verfassungsschutz Menschen, die „anstelle der
bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung ein sozialistisches bzw.
kommunistisches System oder eine herrschaftsfreie anarchistische
Gesellschaft etablieren“ möchten.
## Unsägliche Extremismusthese
Für Jelpke ist klar: Das Aussteigerprogramm habe allein den Sinn, „die
unsägliche Extremismusthese zu stützen“, indem eine Ähnlichkeit zwischen
der Nazi- und der linken Szene suggeriert wird. Dabei könnten Anhänger der
linken Szene diese doch jederzeit verlassen: „Es gibt bei Linken keinen
Grund zur Sorge vor Fememorden, Rachezügen gegen Verräter oder vor
ähnlichen Bedrohungen wie bei Nazis.“
Auch von den anderen Oppositionsfraktionen im Bundestag kommt die
Forderung, das Aussteigerprogramm abzuschaffen. Linksextremismus stelle
„nur noch für die Bundesregierung ein gravierendes Problem dar“, sagte der
SPD-Abgeordnete Sönke Rix, der auch im NSU-Untersuchungsaussschuss sitzt,
der taz. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) versuche „krampfhaft
die Illusion aufrechtzuerhalten, Linksextremismus sei genauso schlimm wie
Rechtsextremismus“.
Monika Lazar, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Strategien gegen
Rechtsextremismus, spricht von einem „relaitätsfernen Feldzug gegen einen
sogenannten Linksextremismus“. Das sei politisch abwegig und sende völlig
falsche Signale aus. Auch Lazar warnt vor der indirekten Gleichsetzung von
Rechtsextremismus und der linken Szene.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in jedem Fall angekündigt, am
Programm festzuhalten. „Trotz der zahlenmäßig überschaubaren Anzahl von
ernsthaften Anrufern bzw. Ausstiegswilligen“ sei es „eine sinnvolle
Komponente einer mehrdimensionalen Bekämpfungsstrategie und zur
Wiedereingliederung von ausstiegswilligen Linksextremisten in die
Mehrheitsgesellschaft“. Wie viel die Bereitstellung der Hotline genau
kostet, will das BfV nicht sagen. Da aber keine Mitarbeiter extra für die
Betreuung abgestellt werden, dürfte sich der finanzielle Aufwand in Grenzen
halten.
Für Kritiker passt das Aussteigerprogramm genau in die Linie der
Bundesregierung, sich auf Nebenschauplätzen zu verlieren und nicht den
Kampf gegen Rechtsextremismus zu verstärken. Mehrere Oppositionsvertreter
forderten am Donnerstag während einer Aktuellen Stunde zum NSU im Bundestag
erneut die Abschaffung der umstrittenen Extremismusklausel.
Seit Oktober 2010 müssen sich Inititaven, die sich gegen Rechtsextremismus
engagieren, ausdrücklich zum Grundgesetz bekennen, wenn sie staatliche
Förderung erhalten möchten. Auch für ihre Mitarbeiter oder Referenten
müssen sie sich verbürgen. Das lehnen viele als Gesinnungsschnüffelei ab.
9 Nov 2012
## LINKS
[1] /!79462/
[2] http://dokumente.linksfraktion.net/mdb/4202464200.pdf
## AUTOREN
Sebastian Erb
## TAGS
Verfassungsschutz
Aussteigerprogramm
Linksextremismus
Nazis
Verfassungsschutz
Schwerpunkt Thüringen
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