# taz.de -- Deutsche Erstaufführung im Schauspielhaus: Absturz mit Wiedererken… | |
> Das Hamburger Schauspielhaus bringt die Konversationskomödie "Der Vorname | |
> oder zu Gast bei guten Freunden" auf den Punkt | |
Bild: Gehobener Boulevard: "Der Vorname" am Hamburger Schauspielhaus. | |
HAMBURG taz | Ist es akzeptabel, den Sohn, der demnächst auf die Welt | |
kommt, „Adolf“ zu nennen? Überlässt man den Faschisten das Feld, wenn man… | |
gerade nicht tut? Oder ist es ein faschistischer Akt, sich ausgerechnet für | |
„Adolf“ zu entscheiden – wo es doch unzählige andere Namen gibt, die kei… | |
„Arschlochnamen“ sind? | |
Die sich das fragen, sitzen in einer noblen Altbauwohnung in einem | |
gentrifizierten Pariser Stadtteil, sind miteinander befreundet und haben | |
sich getroffen für ein gemeinsames privates Abendessen. Fünf erwachsene | |
Menschen, alle im mittleren Alter, mit akademischem Hintergrund und gut | |
bezahlten Jobs. Sie sind das Personentableau der Komödie „Der Vorname oder | |
zu Gast bei guten Freunden“, die am Hamburger Schauspielhaus ihre | |
deutschsprachige Erstaufführung hat. | |
Auf der Bühne aufgebaut ist ein Wohnzimmer aus verschiedenfarbigen, gleich | |
großen Kissen. Durch die Wohnzimmerfenster ist das nächtliche Paris samt | |
Eiffelturm zu sehen. Die Kissen bilden nicht nur die Sitzgelegenheiten, | |
sondern auch den Boden des Wohnzimmers: Bei jeder Bewegung sinken die | |
Schauspieler ein. Es ist sozusagen ein schwieriges Gelände, in dem sie sich | |
bewegen. Oder auch: eine Gummizelle in einer stilvollen | |
Akademiker-Variante. | |
Tatsächlich brechen im Lauf des Abends Konflikte auf, die die eine oder | |
andere neurotische Dimension in sich tragen. Erst kriegen sich die fünf | |
über die „Adolf“-Frage in die Wolle, dann wird der Mord an einem Hund | |
gebeichtet und eine lange geheim gehaltene Liebesbeziehung offenbart. Den | |
Freunden fliegt ihre Freundschaft um die Ohren. | |
Das hat auch viel mit überindividuellen Konflikten zu tun: Die fünf | |
verkörpern verschiedene Typen des akademisch-bürgerlichen Milieus, die hier | |
aufeinandergehetzt werden: Pierre etwa, ein Literaturprofessor, ist der | |
linke Besserwisser-Spießer; Immobilienmakler Vincent ist der liberale | |
Freibeuter-Kapitalist; Pierres Frau Elisabeth, von Beruf Lehrerin, ist die | |
aufopferungsvolle Hausfrau mit den dauerhaft unterdrückten eigenen | |
Bedürfnissen. | |
Die Komödie des französischen Autorenduos Matthieu Delaporte und Alexandre | |
de la Patellière ist eine Gesellschaftskomödie, die nach dem | |
Wiedererkennungs-Prinzip funktioniert: Die Zuschauer entdecken sich und | |
ihre Freunde auf der Bühne wieder, dürfen sich über den eigenen Wahnsinn | |
amüsieren – und darüber, dass es anderen nicht besser, sondern eher | |
schlechter geht. Zuletzt schaffte es die Autorin Yasmina Reza, für | |
Konversationskomödien dieser Art die Staatstheater zu öffnen. | |
„Der Vorname“ ist nun ein nahezu perfekt gebautes Stück. Nahezu perfekt, | |
weil manche Pointe doch allzu vorhersehbar ist. Regisseur Christian Brey | |
bringt die gute Vorlage leichtgängig auf den Punkt. Die Darsteller – Katja | |
Danowski, Ute Hannig, Markus John, Janning Kahnert und Stephan Schad – | |
beherrschen das Fach „gehobener Boulevard“ und haben locker die Luft für | |
den einen oder anderen virtuosen Schlenker. | |
Das Schauspielhaus, das gerade seine letzte Spielzeit mit der alten | |
Mannschaft erlebt, dürfte mit dieser Inszenierung noch einmal einen | |
Publikumserfolg landen. Zumal wegen Umbauarbeiten auf einer provisorischen | |
Bühne gespielt wird: Der verkleinerte Zuschauerraum schafft für dieses | |
Stück optimale Bedingungen. | |
9 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
## TAGS | |
Literatur | |
Wuppertal | |
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