# taz.de -- Apple-Insider Adam Lashinsky: „Wie ein Geheimdienst“ | |
> Apple erinnere an eine religiöse Organisation, sagt „Inside-Apple“- Autor | |
> Adam Lashinsky. Das Innenleben des Konzerns sei paranoid. | |
Bild: „Auch nach seinem Tod ist Apple ein Konzern der Extreme“, sagt Adam L… | |
taz: Herr Lashinsky, Sie zeichnen in Ihrem Buch über Apple das Porträt | |
eines Unternehmens voller Geheimnisse und geschlossener Türen, geleitet von | |
einem allmächtigen Anführer. Ist Apple eine Art Sowjetunion, die Computer | |
herstellt? | |
Adam Lashinsky: Ich habe im Buch den Vergleich zu einer Terrororganisation | |
gezogen, oder, freundlicher gesagt, zu einer Widerstandsorganisation im | |
Krieg. Apple erinnert mich auch ein wenig an eine geheime religiöse | |
Organisation, aber nicht an einen totalitären Staat. | |
Sie schreiben, dass Apple-Mitarbeiter oft keine anderen Freunde haben als | |
andere Apple-Mitarbeiter, weil der Konzern so autistisch arbeitet. | |
Ja. Da ist zum Beispiel diese Frau, mit der ich gesprochen habe – ihr | |
Schwiegersohn arbeitet bei Apple. Der erzählt seiner Frau nicht, warum er | |
nach Hongkong fliegt und mit wem er dort spricht. Und wenn sie bei Apple | |
arbeiten, kann es Ihnen passieren, dass es einen abgesperrten Bereich gibt, | |
wo gestern noch keiner war. Dann wissen Sie: Da startet ein neues Projekt. | |
Und: Sie haben damit nichts zu tun. | |
Nebenan bei Google hätten die Mitarbeiter viel freundlichere, lockere | |
Arbeitsbedingungen. Warum bleiben die? | |
Leute im Silicon Valley sagen oft: Ich weiß nie, was wir eigentlich machen | |
sollen. Heute höre ich das eine, am nächsten Tag was ganz anderes. Ich | |
arbeite an Produkten, die nie das Tageslicht erblicken. So etwas habe ich | |
bei Apple nie gehört. Hinzu kommt: Die Leute mögen es zu gewinnen. Und | |
Apple gewinnt – bislang. Es ist, wie in einer Meister-Mannschaft zu | |
spielen. Und zwar jedes Jahr. | |
Trotzdem geht die Kultur der Geheimhaltung kaputt. Von iPad mini wussten | |
alle schon vor der Präsentation im Oktober. | |
Die Geheimhaltungsstrategie ist komplett zusammengebrochen. Aber interne | |
Streitereien wie bei anderen Firmen dringen nicht nach außen. | |
Aber warum ist das so? Wovor haben die Mitarbeiter bei Apple Angst? | |
Lange Zeit hatten sie Angst vor Steve Jobs. Auch nach seinem Tod wirkt | |
nach, dass Apple ein Konzern der Extreme und der Prinzipien ist. | |
Apple-Leute denken wie ein Geheimdienst: Sensible Informationen werden | |
nicht preisgegeben. Und wie vermeidet man es, sensible Informationen | |
preiszugeben? | |
Man gibt überhaupt keine Informationen preis. Ich respektiere das. So viele | |
Unternehmen lassen zu viele Leute mit der Presse reden – Führungskräfte, | |
die ihre Karrieren vorantreiben und ihr Ego streicheln. Apple lässt das | |
nicht zu. | |
Das Unternehmen war sehr stark auf Steve Jobs zugeschnitten. Wie ersetzt | |
man so jemanden? | |
Jobs war ein Dirigent. Wenn eine Symphonie ihren Maestro verliert und an | |
dessen Stelle ein neuer, kreativer Genius tritt, dann erwartet man von ihm, | |
dass er die Symphonie in neue Bahnen lenkt. Aber sie haben keinen neuen | |
Maestro genommen. Sondern Tim Cook … | |
… den heutigen Apple-Chef, der im Konzern einst den Vertrieb leitete. | |
Genau. Apple hat also den Typen zum Dirigenten befördert, der früher | |
sicherstellte, dass die Stühle aufgestellt und alle Instrumente gestimmt | |
sind. | |
Steve Jobs war derjenige, der aus dem extrem abgeschirmten Unternehmen nach | |
draußen ging, um neue Ideen hereinzuholen. Wer macht das jetzt? | |
Cook versucht diese Rolle einzunehmen. Er trifft sich mit anderen | |
Geschäftsführern und Leuten von der Regierung. Aber er hat nicht diese | |
besondere Gabe, Informationen zu synthetisieren, wie es Steve Jobs konnte. | |
Ich vermute, das die Fehler in Apples Kartendienst eine direkte Konsequenz | |
dessen sind. Wie konnte man nicht sehen, dass das Produkt so voller | |
Probleme ist, von denen Experten sagen, dass es lange dauern wird, die zu | |
beheben? | |
Es kann also nicht sein, dass Jobs’ Rolle übertrieben worden ist? | |
Es ist eher so, dass die Bedeutung der Leute, die ihm unterstanden, | |
untertrieben wurde. Ihretwegen kann Apple heute auch ohne Jobs überleben. | |
Trotzdem bleibt das Grundproblem: Sie müssen visionär bleiben, obwohl sie | |
ihren großen Visionär verloren haben. Entweder finden sie einen neuen | |
Visionär oder einen Weg, Visionen gemeinsam zu entwickeln, indem sie | |
miteinander reden, einen Konsens herstellen. Aber das war eigentlich nie | |
die Art, wie Apple arbeitet. | |
Was unterscheidet Apple so sehr von zum Beispiel Google? | |
Google entscheidet, welche Farbe eine Webseite haben soll, indem es diese | |
an Millionen von Nutzern austestet und schaut, wo die draufklicken. Apple | |
entschied sich zu Steve Jobs’ Lebzeiten für das Blau, das Steve Jobs am | |
schönsten fand. Google glaubt bis heute, dass der Wille der Nutzer | |
ausschlaggebend ist. Apple glaubt, dass der Geschäftsführer Entscheidungen | |
treffen muss. | |
Wäre es eine Option für Apple, mehr wie Google zu werden? | |
Wenn überhaupt, entwickelt sich Google in Richtung einer starken Führung. | |
Das Erste, was Larry Page als Geschäftsführer bei Google tat, war, eine | |
Reihe von Produkten auszumerzen. Dasselbe tat Steve Jobs, als er zu Apple | |
kam. Page sollen die Produktverantwortlichen nun direkt Bericht erstatten – | |
ebenso war es bei Jobs. Aber Apple und Google werden sehr unterschiedliche | |
Unternehmen bleiben. | |
Sie würden also sagen: Nach Jobs’ Tod hat sich nichts verändert bei Apple? | |
Im Großen und Ganzen wird das Unternehmen von den gleichen Senior-Managern | |
geführt wie vor einem Jahr, und die beschreiten den gleichen Pfad wie unter | |
Jobs. Aber man kann kleine Änderungen beobachten. Apple hat zum ersten Mal | |
Dividenden ausgezahlt. Das zeigt, dass sie offen sind für neue Ideen – | |
sogar für Ideen, gegen die Steve Jobs große Vorurteile hatte. Es gibt auch | |
Hinweise, dass sie rationaler agieren, weniger schrill. | |
Für wie lange hat Apple Ideen von Steve Jobs auf Vorrat? | |
Manche ehemalige Manager sagten mir, die alten Ideen reichten noch 18 | |
Monate, andere sprachen von fünf Jahren. Die Wahrheit liegt wohl in der | |
Mitte – zwei oder drei Jahre. | |
Der schon angesprochene misslungene Kartendienst und der jüngst | |
vorgestellte iPad mini – sind das noch Jobs’ Ideen? | |
Ja. Apple Maps wollte Jobs unbedingt vorantreiben, um Google eins | |
auszuwischen. Er hat den Kauf eines Mapping-Unternehmens sogar noch | |
beaufsichtigt. Das iPad mini ist bereits existierende Technologie in | |
geringerer Größe – Jobs war eigentlich gegen so etwas. Andererseits war er | |
gegen so manches und hat seine Meinung dann in letzter Sekunde geändert. | |
Fast ebenso wichtig wie die Geschichte um das Genie Jobs war für Apple das | |
Wohlfühl-Image des Konzerns. Nun führt der Konzern ständig aggressive | |
Patentkriege zum Beispiel gegen Samsung. Schadet ihm das? | |
Nein. Im Moment verklagt jeder jeden, Apple ist da keine Ausnahme. Mit HTC | |
haben sie sich sogar geeinigt und den Konflikt deeskaliert. | |
Was ist mit den Berichten über den Apple-Zulieferer Foxconn, der seine | |
Mitarbeiter so schindet, dass es mehrfach Suizidfälle in den Fabriken gab? | |
Auch hier handelt Apple wie alle anderen. Solange nicht bewiesen ist, dass | |
sie gemeiner sind, haben sie eine gute Verteidigung im | |
Public-Relations-Spiel. Und die westlichen Konsumenten sind sehr gewillt, | |
eine kognitive Dissonanz in Kauf zu nehmen. Dieselben Leute, die über | |
Arbeitsbedingungen in China klagen, wollen ihr iPhone nicht aufgeben. | |
Und das Leben geht weiter. Das Leben geht auch in dem Sinne weiter, dass | |
Apple diese Probleme nicht ignoriert. Steve Jobs hat sich nicht sonderlich | |
dafür interessiert. Bei Tim Cook ist das anders. | |
Er hat die Auslagerung der Produktion nach China verantwortet. | |
Ganz genau: Er ist mitverantwortlich, könnte man sagen. Was da passiert, | |
ist für Apple ein Problem, aber keine existenzielle Krise. Hat es Apples | |
Verkaufszahlen geschadet? Nein. Denn sie haben reagiert. Über viele Dinge | |
wollen sie nicht reden. Aber was Foxconn angeht, beantworten sie Fragen, | |
legen Lieferanten offen, erstellen Berichte. Sie geben zu verstehen, dass | |
sie sich um ihr Image sorgen. Und ich glaube: Das wird ausreichen. | |
14 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
M. Laaff | |
D. Schulz | |
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