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# taz.de -- DDR-Zwangsarbeit für IKEA: „Billy“ aus dem Knast
> Ikea räumt nun ein, dass politische Gefangene unter Zwang an Möbeln für
> den Konzern arbeiten mussten. Allerdings gibt es Streit über die Art der
> Aufarbeitung.
Bild: IKEAs Geschichte versinkt im Herbstnebel.
BERLIN taz | Als Alexander Arnold von der Zwangsarbeit während seiner
11-monatigen Inhaftierung in der DDR erzählt, bebt seine Stimme: „Sobald
man unter 80 Prozent der geforderten Leistung erbrachte, wurde man in
Dunkelkammern gesteckt. Bei Arbeitsverweigerung landete man in
Isolationshaft und wurde bis zu 10 Tage an ein Bett gekettet“, berichtet
er.
Er war 1984 politischer Häftling im ehemaligen DDR-Gefängnis Naumburg in
Sachsen-Anhalt, hatte aus Sicht der SED die falschen Flugblätter verteilt.
Wie sich nun bestätigte, arbeitete er dort auch an Produkten für den
schwedischen Möbelhersteller Ikea. Der Konzern veröffentlichte am Freitag
die Ergebnisse einer selbst in Auftrag gegebenen Studie, die die Arbeit
politischer Gefangener in der DDR an Ikea-Produkten in den 70er- und
80er-Jahren untersuchte.
Der Möbelhersteller wusste demnach seit mindestens 1981, eventuell bereits
ab 1978 darüber Bescheid, dass in der ehemaligen DDR Häftlinge für
Zulieferer des Konzerns arbeiteten - „unter menschenunwürdigen
Bedingungen“, so ein weiterer Betroffener bei der Vorstellung der Studie.
Das Unternehmen erklärte dass es zwar „wiederholt Schritte unternommen“
habe, um die Verwendung politischer Gefangener auszuschließen, jedoch sei
nun klar, „dass diese Maßnahmen nicht wirkungsvoll genug waren“.
Man bedauere außerordentlich, dass dies geschehen konnte. Zu jener Zeit
habe man noch nicht über das heutige gut ausgearbeitete Kontrollsystem
verfügt und „offensichtlich nicht genug getan, um dies zu unterbinden“,
sagte Ikea-Deutschland-Chef Peter Betzel. Man habe leider keinen Zugang zu
den Produktionsstätten erhalten und es unterlassen, die Beziehungen zur DDR
abzubrechen.
Der Konzern war im Mai unter öffentlichen Druck geraten nachdem
verschiedene Medien über die Verwendung politischer Gefangener der DDR in
der Produktion des Unternehmens berichtet hatten.
## „Unwissenschaftliche Show-Veranstaltung“
Bereits im Vorfeld war kritisiert worden, dass Ikea keine einschlägigen
wissenschaftlichen Experten damit betraute, sondern die
[1][Wirtschaftsprüfer Ernst & Young], die bereits seit 30 Jahren mit Ikea
zusammenarbeiten. Roland Schulz von der DDR-Opfer-Hilfe übte am
Freitagmorgen heftige Kritik: “IKEA als Beschuldigter führt selbst die
Ermittlungen, anstatt das unvoreingenommenen Stellen zu überlassen. Deshalb
bezweifeln wir sehr, dass die Studienergebnisse valide sind.“ Stattdessen
sprach der Opferverband von einer „unwissenschaftlichen
Show-Veranstaltung“.
Doch nicht alle Vertreter der Opfer stimmen dem zu. Denn die Union der
Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) lud selbst zur
Vorstellung der Studie ein. Man sei „dankbar für die Vorreiterrolle Ikeas“,
sagte Bundesvorsitzender Rainer Wagner. Außerdem werde Ikea sich an der
Finanzierung eines wissenschaftlichen Pilotprojektes des UOKG beteiligen,
das den Startschuss für eine umfassende Aufarbeitung geben soll, bestätigte
Betzel.
„Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen stellt sich Ikea der
Herausforderung der Stasi-Zwangsarbeit“, sagte Roland Jahn, der Vorsitzende
der Stasi-Unterlagen-Behörde BStU, deren Akten eine der Grundlagen der
Studie sind. Obwohl der Betroffene Arnold anmerkt, „Es ist schade, dass
dies erst auf Druck der Medien passiert, obwohl ich und viele andere
bereits damals von den Bedingungen erzählt haben.“ Trotzdem empfinde er es
als positiv, dass Ikea zur weiteren Aufklärung beitragen wolle. Klar ist:
Dies war erst der Beginn der Aufarbeitung. An dessen Ende, sind sich alle
Beteiligten einig, soll eine umfassende Entschädigung der Opfer stehen.
16 Nov 2012
## LINKS
[1] http://www.eymeetsikea.com/nl/home/home
## AUTOREN
Cédric Koch
## TAGS
Ikea
Zwangsarbeit
DDR
DDR
DDR
Gefängnis
Ikea
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