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# taz.de -- Ikea lässt Frauen verschwinden: Malst du noch oder fehlst du schon?
> Aus dem Ikea-Katalog für Saudi-Arabien wurden nahezu alle Frauen
> wegretuschiert – obwohl das saudische Recht solche Eingriffe nicht
> fordert.
Bild: Die fröhliche Kleinfamilie mal mit, mal ohne Mutti.
STOCKHOLM taz | Möglich, dass eine Frau im Pyjama, die sich zusammen mit
ihrer Familie im Bad aufhält und die Zähne putzt, für ein saudi-arabisches
Publikum unzumutbar ist. Aber weshalb wird ein Mädchen, das allein an einem
Tisch sitzt und offenbar ein Bild malt, wegretuschiert? Und warum muss aus
dem Rücken einer kurzhaarigen Frau der eines Mannes werden?
Auf Abbildungen, die ansonsten mit denen in [1][anderen Katalogfassungen]
identisch sind, wurden im [2][Ikea-Katalog für Saudi-Arabien] nahezu alle
Frauen wegretuschiert. Auch wenn der jährliche und in diesem Jahr in 69
Versionen und in einer Auflage von über 200 Millionen verteilte Katalog des
schwedischen Möbelhauses schon immer je nach Erscheinungsland leicht
abgeändert wurde – so durchgängige Eingriffe wie in der saudischen Version
waren bislang nicht bekannt.
Die Doppelseite beispielsweise, auf der sonst überall auf der Welt drei
Designer und eine Designerin zusammen mit ihren Möbeln präsentiert werden,
gibt es auch in der Ausgabe für Saudi-Arabien. Nur ist die Designerin vom
Foto verschwunden. Zumindest ihre Möbel durften aber bleiben.
Seitdem die Stockholmer Pendlerzeitung „Metro“ die Geschichte am Montag mit
einigen Vergleichsfotos öffentlich machte, wird Ikea mit Häme und Kritik
überschüttet. Die schwedische Handelsministerin Ewa Björling spricht von
einem „bedauerlichen Beispiel“, das zeige „wie lange der Weg zur
Gleichstellung von Mann und Frau in Saudi-Arabien noch ist“.
„Frauen verändern die Welt“, ist auf der Ikea-Website da zu lesen, wo der
Konzern stolz über die Arbeit der „Ikea-Foundation“ berichtet. Man wolle
dazu beitragen, „Frauen die Möglichkeit für eine bessere Zukunft zu geben�…
Und „Ikea kann keinerlei Form von Diskriminierung akzeptieren, niemals“,
betonte die schwedische Ikea-Sprecherin Sara Carlsson am Montag auch
ausdrücklich.
Einen Kommentar zum ihr bis dahin angeblich unbekannten saudischen Katalog
hatte sie aber zunächst ebensowenig wie Ylva Magnusson, Pressechefin von
„Ikea Group“. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa „bedauerte“ Magnuss…
Montagnachmittag, „dass das passieren konnte“: „Wir hätten schneller
reagieren müssen.“ Für diesen Katalog sei ein Franchiseunternehmen
außerhalb der Holdinggesellschaft zuständig gewesen.
##
Von saudischen Recht seien solch massive Eingriffe in Abbildungen nicht
gefordert, meint der schwedische Islamologe Jan Hjärpe, auch wenn es
„problematisch“ sein könne, Männer und Frauen auf einem Foto zusammen zu
zeigen. Es gehe wohl darum, dass Ikea von vorneherein eine Moraldiskussion
vermeiden wollte: „Eine Businessentscheidung, um keine Probleme zu
bekommen.“
Ikea unterstütze mit diesem Verhalten „ein Frauenbild, von dem es sich hier
völlig distanziert“, kommentiert der ehemalige schwedische
Antidiskriminierungs-Ombudsman Claes Borgström: „Es wäre wohl besser, wenn
sie dann auf diesem Markt gar nicht erst auftreten würden.“
Ikea war erst in der vergangenen Woche wegen Zensur seiner russischen
Website kritisiert worden. Hier hatte bei einer Werbekampagne ein Bild von
Ikea-KundInnen, die im Stil der Polit-Punkband Pussy Riot verkeidet waren,
die meisten Stimmen erhalten – woraufhin es gelöscht wurde. Begründung: Man
sei ein „politisch und religiös unabhängiges Unternehmen“ und wolle nicht,
dass „die Warenmarke für politische Zwecke gebraucht“ werde.
1 Oct 2012
## LINKS
[1] http://onlinecatalogue.ikea.com/SE/sv/IKEA_Catalogue/
[2] http://onlinecatalogue.ikea.com/SA/ar/IKEA_Catalogue/
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Ikea
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