# taz.de -- Abtreibungsverbot in Irland: Doppelte Schmach für Irland | |
> Irland steht nach dem Tod einer indischen Zahnärztin wegen einer nicht | |
> gewährten Abtreibung weltweit am Pranger. Doch die Politik spielt nur auf | |
> Zeit. | |
Bild: Nie wieder: Demonstranten fordern die irischen Politiker nach dem Tod von… | |
DUBLIN taz | Seit einer Woche wird in Irland von nichts anderem mehr | |
gesprochen: Nach dem Tod der 31-jährigen indischen Zahnärztin Savita | |
Halappanavar, die im Universitätskrankenhaus der westirischen Stadt Galway | |
an einer Blutvergiftung starb, weil ihr die Ärzte trotz prolongierter | |
Fehlgeburt einen Schwangerschaftsabbruch verweigerten, steht das Thema | |
Abtreibung wieder auf der Tagesordnung. | |
Am Samstag demonstrierten insgesamt mehr als 30.000 Menschen in | |
verschiedenen irischen Städten, am Mittwoch werden vor den irischen | |
Botschaften in aller Welt Mahnwachen stattfinden. Doch Irlands Politiker | |
spielen auf Zeit. Premierminister Enda Kenny sagte, man müsse den Bericht | |
der Expertenkommission abwarten. Kenny schaffte es, während der | |
Parlamentsdebatte das Wort Abtreibung kein einziges Mal zu erwähnen. | |
Oppositionsführer Micheál Martin, der frühere Gesundheitsminister, findet | |
ebenfalls, dass die Sache zunächst gründlich untersucht werden müsse. Dazu | |
hatten die Gesetzgeber 20 Jahre Zeit. 1992 war einer 14-Jährigen, die | |
vergewaltigt und geschwängert worden war, per Gerichtsbeschluss die | |
Ausreise zur Abtreibung nach England verwehrt worden. Das höchste Gericht | |
hob das Urteil auf: Bei Lebensgefahr für eine Schwangere sei eine | |
Abtreibung statthaft. Die Modalitäten seien vom Gesetzgeber zu klären, so | |
die Richter. | |
Doch kein Politiker traute sich, das heiße Eisen anzufassen – selbst dann | |
nicht, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vor zwei Jahren | |
entschied, dass Irland Gesetze verabschieden muss, um bei Lebensgefahr für | |
die Schwangere einen Abbruch zu ermöglichen. Ende diesen Monats muss die | |
Dubliner Regierung in Strassburg Bericht erstatten, was sie seitdem | |
unternommen hat. | |
## Misstrauen gegen Gesundheitsbehörde | |
Das bestellte siebenköpfige Untersuchungsteam wird von Sabaratnam | |
Arulkumaran, Professor für Gynökologie in London, geleitet. Ein Zeitplan | |
oder die Richtlinien sind bisher nicht veröffentlicht worden. Der Ehemann | |
der Verstorbenen Praveen Halappanavar fordert eine öffentliche | |
Untersuchung. Er misstraut der irischen Gesundheitsbehörde und findet, dass | |
niemand, der für sie arbeitet, etwas im Untersuchungsteam zu suchen habe. | |
Er und seine Familie seien schockiert über die Art und Weise, wie seine | |
Frau in dem Krankenhaus behandelt wurde. Er beschrieb, wie Savita die Ärzte | |
mehrmals bat, den nicht lebensfähigen Fötus aus der Gebärmutter zu | |
entfernen, da sie unter erheblichen Schmerzen litt. Die Ärzte weigerten | |
sich: Solange das Herz des Embryos schlage, dürften sie nichts unternehmen. | |
„Das ist ein katholisches Land“, fügten sie hinzu. Praveen Halappanavar | |
sagt: „Ich halte es deshalb für unangemessen, dass die Beteiligten ihr | |
eigenes Handeln untersuchen.“ | |
Savita Halappanavars Tod hat hitzige Debatten in Irland ausgelöst, die | |
Spaltung geht quer durch die Gesellschaft. Die Abgeordneten des linken | |
Bündnisses United Left Alliance fordern nicht nur eine neue gesetzliche | |
Regelung, sondern auch ein Referendum, um das absolute Abtreibungsverbot | |
aus der Verfassung streichen zu lassen. Abtreibungsgegner behaupten, man | |
benötige keine neuen Gesetze, um das Leben der Schwangeren retten. | |
Wenn dabei das Embryo sterbe, sei das keine Abtreibung, sondern eine Art | |
Kollateralschaden, sagt auch die katholische Kirche, deren Einfluss in | |
Irland jedoch stark zurückgegangen ist. Extreme Organisationen wie die | |
Society for the Protection of Unborn Children lehnen sogar lebensrettende | |
Maßnahmen für die Schwangere ab, wenn dadurch das Leben des Fötus gefährdet | |
würde. Das Thema wird Irland noch lange Zeit beschäftigen. | |
21 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
Ralf Sotscheck | |
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